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Spielerportraits

Die Neuen beim FC: Sargis Adamyan – Der polyvalente Spätdurchstarter

Mit der Verpflichtung von Sargis Adamyan wollen die Verantwortlichen des 1. FC Köln den Kader in der Offensive breit genug für den kraftraubenden Herbst aufstellen. Doch der 29-jähriger Stürmer sollte aufgrund von Ablösesumme und Vertragslaufzeit mehr sein als ein Ergänzungsspieler.

Foto von BRUNO FAHY/BELGA MAG/AFP via Getty Images

Als Lucien Favre 2007 Trainer bei Hertha BSC wurde, brachte er ein Wort mit, welches in der fußballaffinen Öffentlichkeit in den kommenden Jahren zu einem der Modeworte überhaupt verkam: Die Polyvalenz. Sprach Favre von polyvalenten Spielern, so meinte er, dass diese Spieler auf einigen Positionen und taktisch flexibel einsetzbar sind und meinte dies als ein Qualitätsmerkmal. Denn die Polyvalenz, so die Argumentation, bringt einer Mannschaft selber Flexibilität und ein Stück weit Unberechenbarkeit, da gegnerische Teams sich nicht darauf verlassen können, welche Rolle ein Spieler ausfüllen wird.

Lucien Favre ist mittlerweile nicht mehr Trainer in der Bundesliga. Und auch das Wort Polyvalenz ist, wie das mit Moden eben so ist, gekommen und ein gutes Stück wieder gegangen. Das Konzept des polyvalenten Spieler als Qualitätsmerkmal jedoch ist geblieben, die Zeiten, in denen man einen flexibel einsetzbaren Spieler eher negativ mit „der kann alles, aber nichts richtig“ framte, gehören der Vergangenheit an.

Würde Favre heute den 1. FC Köln trainieren, so würde er die meisten der Neuzugänge unumwunden und mit Freude als polyvalent beschreiben. Auch Sargis Adamyan, Neuzugang aus Hoffenheim, kann man in diese Kategorie einordnen. Denn der 30-fache armenische Nationalspieler zeichnet sich laut FC-Geschäftsführer Christian Keller durch „Geschwindigkeit, Tiefgang, offensives 1:1-Verhalten, Abschlussstärke und eine aggressive, sprintintensive Arbeit gegen den Ball aus.“ Keller nennt dies positionsflexibel, was natürlich nichts anderes bedeutet als Polyvalenz.

Über Umwege in die Bundesliga

Adamyan ist mit 29 Jahren der älteste Neuzugang des 1. FC Köln im Transfersommer 2022. Und auch wenn die Kölner eher auf Jugend bei den Neuzugängen setzten, passt er durch seine Vielseitigkeit und Deutschsprachigkeit ins strategische Raster des Transfersommers. Doch bei der Verpflichtung spielten vermutlich nicht nur strategische Belange des Vereins eine Rolle. Dass die Geißböcke Adamyan verpflichten konnten, verdanken sie nach Aussagen der Beteiligten auch persönlichen Verbindungen: „Ein entscheidender Grund für meinen Wechsel zum FC war, dass ich Steffen Baumgart und Christian Keller schon vorher kannte. Als Steffen bei Hansa Rostock Co-Trainer war, habe ich unter ihm trainiert. Christian kenne ich aus vielen gemeinsamen Jahren in Regensburg“, so der Spieler auf der FC-Homepage nach seiner Verpflichtung. Im Pressegespräch mit den Journalisten im Anschluss lobte Adamyan allerdings zusätzlich auch die Spielweise der Kölner in der abgelaufenen Saison und nannte dies ebenfalls als Grund für seinen Wechsel.

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Dass Adamyan einmal Bundesliga spielen würde, daran war allerdings die längste Zeit seiner Karriere nicht zu denken. 1993 in der armenischen Hauptstadt Jerewan geboren wanderte seine Familie 1998 nach Ueckermünde und später nach Neubrandenburg in den Nordosten Deutschlands aus. Das Auswandern vorgemacht hatte es der Familie die Tante von Adamyan, welche zwei Jahre vorher von Armenien nach Bielefeld zog. 2005 im Alter von 12 Jahren trat Sargis Adamyan dem örtlichen Fußballverein in Neubrandenburg bei, 2009 folgte der Wechsel zu Hansa Rostock in die B-Jugend, nachdem sein Talent erkannt wurde. Es folgten erfolgreiche Jahre in der Jugend mit dem Highlight des DFB-Pokalfinals der Junioren, wo man dem von Christian Streich gecoachten SC Freiburg um den späteren Weltmeister Matthias Ginter in der Abwehr erst im Elfmeterschießen unterlag.

„Ein entscheidender Grund für meinen Wechsel zum FC war, dass ich Steffen Baumgart und Christian Keller schon vorher kannte”

Wie bei so vielen Talenten gestaltete sich der Übergang in den Profibereich jedoch schwierig, auch wenn Adamyan bereits armenischer Nationalspieler wird, noch bevor er im Seniorenbereich Fuß fasst. Das erste Mal Profiluft schnuppert er im Januar 2013, zum neuen Jahr zieht ihn der damalige Trainer Marc Fascher zu den Profis hoch. Sein Co-Trainer damals Steffen Baumgart. Auch wenn er sich nicht richtig durchsetzen kann, bleibt er mit seinem Co-Trainer im regelmäßigem Kontakt. Es folgen in den kommenden Jahren Wechsel erst nach Neustrelitz in die Regionalliga Nordost und im Januar 2016 zum TSV Steinbach in die Regionalliga Südwest. Nicht die Karriere eines Shootingstars. “Ich wollte einfach nur spielen”, sagt Adamyan später über diese Zeit.

In Steinbach allerdings kann der Stürmer erstmals auf Seniorenebene an seine herausragende Torquote aus der Jugend anknüpfen, in den 18 Monaten läuft er 51 mal für Steinbach auf und erzielt dabei 23 Tore. Der vom jetzigen FC-Manager Christian Keller geleitete Zweitligist SSV Jahn Regensburg wird anschließend auf ihn aufmerksam und sichert sich die Dienste des damals allerdings immerhin schon 25-jährigen. Die Torquote begleitet ihn von der Regionalliga in die zweite Liga: In der Oberpfalz bleibt der Armenier torhungrig, 20 Tore und 17 Vorlagen in 69 Spielen sind eine ausgezeichnete Bilanz im Unterhaus, der Knoten ist geplatzt.

Foto: INA FASSBENDER/AFP via Getty Images

Der Wechsel in die Bundesliga zur TSG Hoffenheim zwei Jahre später ist daher nur folgerichtig. Im Kraichgau kann er sich auch aufgrund von Verletzungen zwar nicht abschließend durchsetzen, sein Talent und seine Qualitäten schimmern aber immer wieder durch, unter anderem beim 2:1-Auswärtserfolg in München, beide Tore gehen auf das Konto von Adamyan. Im Winter 2022 folgt dann eine Leihe zum FC Brügge, in Belgien findet er sich mit sechs Toren in 15 Spielen auf Anhieb zurecht und führt seinen Club zur Meisterschaft.

Eine Verpflichtung auch als Signal für Modeste?

Mit 29 Jahren folgt jetzt der Wechsel nach Köln. Der 1. FC Köln überweist 1,5 Millionen Euro nach Hoffenheim, eine für den Verein hohe Ablösesumme für einen Spieler, der mittlerweile fast 30 Jahre alt ist. Obendrein bekommt der Spieler einen Vertrag bis 2026. Ein Paket, dass der FC nach der letzten Saison eigentlich ausgeschlossen hatte zu stemmen. Warum machen die “Geißböcke” es dennoch?

Die persönlichen Verbindungen von Baumgart und Keller zu Adamyan spielen mit Sicherheit eine große Rolle. Der Spieler wurde von beiden charakterlich mehrfach über den Klee gelobt und macht auch in Pressegesprächen einen ruhigen und ehrlichen Eindruck. Zusätzlich kommt hinzu, dass der Armenier auf mehreren Stationen nachgewiesen hat, dass er keine großen Anpassungsschwierigkeiten hat und weiß, wo das Tor steht. Die Gefahr dass er sich als Flop erweist ist gering bis nicht vorhanden. Bleibt Adamyan fit, ist er eine Verstärkung.

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Als weiteren Pluspunkt kommt Adamyan seine Flexibilität zugute. Ob im Sturmzentrum, auf der Acht oder auf der linken Außenbahn, er ist vielseitig einsetzbar und bietet Steffen Baumgart damit neue taktische Möglichkeiten. Insbesondere das von Keller genannte offensive 1:1-Verhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit könnte helfen, tiefstehende Defensivreihen zu knacken und sich Torchancen zu erarbeiten.

Kann Adamyan diese Fähigkeiten auf den Platz bringen, könnte sich der Transfer trotz des Alters, der Ablösesumme und der Vertragslaufzeit für den Verein lohnen. Vor allem braucht es eine verlässliche Nummer 2 vor dem Tor, hinter dem trotz allem manchmal recht launischen Modeste tat sich in der vergangenen Saison kein Spieler als zuverlässiger Torschütze hervor. Eventuell ist die Verpflichtung von Adamyan neben der von Tigges auch ein Zeichen an den Franzosen, dass man seine Spielereien über die Presse nicht endlos tolerieren muss und sich auch für die Post-Modeste vorbereitet.

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