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Die neue U19 des 1. FC Köln: Die Großen ärgern und Entwicklungen vorantreiben

Stefan Ruthenbeck, Trainer der U19 des 1. FC Köln. (Foto: Ronny Hartmann/Getty Images)

effzeh.com: Herr Ruthenbeck, lassen Sie uns zunächst einen Blick auf die Aktualität werfen. Ihre Mannschaft hat am Samstag 7:0 gegen die U19 von Werder Bremen gewonnen. Ein sehr klares Ergebnis mit einer entsprechenden Leistung Ihres Teams?

Stefan Ruthenbeck: Die Jungs haben ein gutes Spiel gemacht, gar keine Frage. Man darf aber nicht vergessen, dass die Bremer noch nicht so weit sind in der Vorbereitung wie wir. Deswegen muss man die Höhe des Sieges schon noch einmal ein bisschen relativieren. Ich will die gezeigte Leistung aber auch nicht schmälern, die Jungs waren gut unterwegs mit einer hohen Intensität. Und das wollen wir auch immer sehen.

Das Ergebnis lässt ja vermuten, dass Ihr Spieler eine Reihe der Chancen, die sie sich erarbeitet haben, dann auch genutzt haben. Das war in einigen Vorbereitungsspielen nicht der Fall.

Ja, die Chancenverwertung ist fast schon ein Makel in der Vorbereitung, also auf jeden Fall ein Thema. Wir haben in einigen Spielen diese Effektivität nicht unter Beweis stellen können, haben zahlreiche Chancen liegenlassen und waren nicht klar und zielstrebig genug im Sechzehner.

Stichwort Effektivität. Vor Wochenfrist haben Sie darauf hingewiesen, dass die Mannschaft beim Nutzen ihrer Chancen sehr von Jaka Cuber Potocnik abhängig ist. Nun hat Ihr Team ohne Potocnik gegen zwei respektable Gegner, nämlich Rot-Weiß Essen und Werder Bremen, insgesamt 12 Tore erzielt. Kann man daraus den Schluss ziehen, dass die Spieler in puncto Chancenverwertung und Effektivität einen Schritt nach vorne gemacht haben?

Das trifft durchaus zu. Darauf haben wir auch Schwerpunkte in der Vorbereitung gesetzt und daran gearbeitet, wie wir einerseits Ausfälle wie etwa den von Potocnik kompensieren, andererseits aber auch Chancen besser verwerten können. Gegen Essen und Bremen hat das auch gut funktioniert.

Und trotzdem darf man sich nicht davon täuschen lassen. Einige Tage zuvor haben wir ein Turnier in Eschweiler bestritten, haben Kaiserslautern 2:1 besiegt und gegen Eupen und Leverkusen jeweils 1:1 gespielt. Und da haben wir noch viel liegengelassen, so dass wir gerade in diesem Bereich noch einmal intensiver gearbeitet haben. Und das hat in den letzten beiden Spielen Wirkung gezeigt.

Rechts im Bild: Julian Pauli, Innenverteidiger in der U19 des 1. FC Köln. (Foto: Ronny Hartmann/Getty Images)

Das effektive Nutzen von Torchancen ist aber vor allem eine Aufgabenstellung für die kommende Saison, denn da wird es auch enge Spiele geben, wo wir die uns bietenden Gelegenheiten nutzen müssen und ein Tor den Unterschied machen kann. Und da ist nicht nur die vorderste Reihe gefordert, sondern auch die Jungs, die dahinter sind.

Kommen wir zum Kader für die neue Saison. Sie haben zwei externe Neuzugänge, San-Luca Spitali und aus Spanien Ben Krüger.

Genau. San-Luca Spitali, ein linker Außenverteidiger, ist von Bayer Leverkusen zu uns gewechselt, Ben Krüger kommt von einem kleinen Verein aus der Nähe von Malaga, wohin der Beruf des Vaters die Familie verschlagen hat. Ben ist im defensiven Mittelfeld zu Hause.

Aus der U17 sind eine Reihe von Spielern aufgerückt, von denen Fayssal Harchaoui, Youssoupha Niang, Etienne Borie und Justin von der Hitz die bekanntesten sein dürften und auf die verbleibenden U19-Spieler der letzten Saison wie Julian Pauli, Neo Telle, Matti Wagner, Jakob Krautkrämer, Arda Süne und Luis Cortijo-Lange treffen. Wie schätzen Sie den Kader von seinem Potenzial her ein?

Unabhängig vom Potenzial kann ich schon einmal sagen, dass es uns unheimlich viel Spaß macht, mit der Gruppe, bestehend aus den Neuen aus der vormaligen U17, den verbleibenden U19ern und den Neuzugängen zu arbeiten, weil sie sehr aufmerksam ist, gut zuhört und die Dinge umsetzt. Und da sind schon einige Spieler dabei, die spannend sind und Potenzial besitzen.

Vom NLZ in die Bundesliga – ein Weg mit hohen Anforderungen an junge Fußballer

Dieses Potenzial muss aber auch entwickelt werden und jetzt gilt es, diese Entwicklungen anzustoßen, zu fördern und zu begleiten. Natürlich ist da auch der Vergleich mit der letztjährigen U19 im Hinterkopf. Was man jetzt schon sagen kann, ist, dass die Gruppe nicht besser als die vorige ist, aber auch nicht schlechter. Sie ist aber vor allen Dingen anders.

Worin genau bestehen diese Unterschiede?

In diesem Jahr haben wir ganz viele spielstarke Jungs dazubekommen, im letzten Jahr war unheimlich viel Mentalität dabei. Die letztjährige Truppe wollte jedes Spiel unbedingt gewinnen und das nicht nur mit spielerischen Mitteln. Sie hat sich definiert über Zweikämpfe, über Intensität, gesunde Härte und unbedingten Willen. Sie war ungeheuer unangenehm gegen den Ball.

In diesem Jahr haben wir eine Mannschaft, die unangenehm ist mit Ball. Sie definiert sich über ihre Spielstärke.  Da wird schon einmal der doppelte Doppelpass gespielt und Spielzüge bis zum Äußersten durchgezogen, um in Abschlusspositionen zu kommen. Das schlägt sich dann auch nieder in der Anzahl der Tore, die wir schießen.

Ein weiterer Unterschied: Letztes Jahr hatten wir mit Justin Diehl einen Dribbler im Team, in diesem Jahr haben wir vier, fünf Dribbler drin. Das Spiel wird ein anderes werden. Wir werden noch einmal mehr Ballbesitz haben als letztes Jahr und auch mehr Chancen kreieren, werden aber auch mehr Chancen zulassen.

Haben Sie schon Vorstellung davon, welche taktische Formation am besten zu diesem Team passen wird?

Taktisch wollen wir flexibel sein, wobei die Viererkette auf jeden Fall Bestand haben wird. Was variieren wird, ist, ob wir mit einem oder zwei Sechsern spielen werden und mit einem oder zwei zentralen Stürmern. Daraus ergeben sich drei grundsätzliche taktische Formationen, die wir prinzipiell spielen können, und das werden wir dann jeweils von Spiel zu Spiel entscheiden.

Steht Ihnen der gesamte Kader zur Verfügung oder gibt es Verletzte zu beklagen?

Leider sind wir nicht ganz verletzungsfrei durch die Vorbereitung gekommen. So wird Alessandro Blazic nach Rückenproblemen voraussichtlich erst Ende August wieder zurückkehren. Das gleiche gilt für Paul Gelber, der einen Adduktorenabriss hatte. Chinedu Chukwukelu wird nach einem schweren Muskelfaserriss in der nächsten Woche wieder in den Trainingsbetrieb zurückkommen, nachdem er die komplette Vorbereitung nicht mitmachen konnte. Jaka Cuber Potocnik ist heute wieder ganz normal im Training gewesen. Gegen Bochum am Mittwoch wird er noch nicht dabei sein, aber gegen Mönchengladbach soll er eine halbe Stunde spielen.

Am 13. August beginnt die neue Spielrunde der A-Junioren Bundesliga West. Erster Gegner der U19 wird der Wuppertaler SV sein, Aufsteiger als Meister der U19-Niederrheinliga. Wie schätzen Sie diese Mannschaft ein?

Eine ganz unangenehme Mannschaft mit guten Ergebnissen in den bisherigen Vorbereitungsspielen. Sie werden mit viel Euphorie antreten im ersten Spiel nach Wiederaufstieg, das wird alles andere als einfach dort. Und die Erfahrung aus den vorigen Jahren zeigt, dass Spiele gegen Aufsteiger wirklich enge Partien werden können.

Welche Ziele setzen Sie sich und Ihrer U19 in der nächsten Saison?

Aus unserer erfolgreichen U19 der vorigen Saison haben uns mehr als die Hälfte der Spieler verlassen und das muss man bei der Formulierung von Saisonzielen berücksichtigen. Was ich aber sagen kann, ist, dass wir versuchen werden, die Teams, die uns von ihren finanziellen Möglichkeiten voraus sind wie Leverkusen, der BVB oder Borussia Mönchengladbach mit den fantastischen Möglichkeiten im Nordpark, zu ärgern.

Es gibt drei Titel zu holen, die Deutsche Meisterschaft, den DFB-Pokal und den Mittelrheinpokal und einen davon wollen wir gewinnen. Aber ganz wichtig bleibt die Ausbildung der Spieler. Sie bestmöglich zu entwickeln und sie dabei zu unterstützen, den nächsten Schritt zu gehen, der vielleicht den ein oder anderen in die Profiabteilung führen wird, bleibt unsere wichtigste Aufgabe.

Steffen Baumgart hat in diesem Zusammenhang vor einiger Zeit in einem Interview darauf hingewiesen, dass es zwei Jahre dauern kann, bis ein Nachwuchsspieler den Sprung in die Bundesliga wirklich geschafft hat – und in der Tat, bilden diejenigen eine Ausnahme, die das wesentlich schneller schaffen. Einer Ihrer Vorgänger, der legendäre Jupp Röhrig, hatte in seiner A-Jugend-Meistermannschaft 1971 fünf Spieler, die den Sprung sofort in ihrem ersten Jahr bei den Senioren geschafft haben: Glowacz, Konopka, Neumann, Hein und Bläser. Warum konnte das damals klappen und ist das heute doch so schwierig?

Ich bin da absolut bei Steffen Baumgart, denn die Anforderungen an junge Fußballer haben erheblich an Komplexität gewonnen. Das Spiel ist deutlich schneller und athletischer geworden und setzt gerade in der physischen Leistungsfähigkeit deutlich mehr voraus als noch vor einigen Jahrzehnten. Das Spieltempo, die Körperlichkeit, die Athletik in der Bundesliga ist nicht zu vergleichen mit den Spezifika des Jugendfußballs.

Meiko Wäschenbach und Damion Downs, ausgebildet im NLZ des 1. FC Köln. (Foto: Ronny Hartmann/Getty Images)

Aber nicht nur die Anforderungen an Physis und Athletik sind heute ungleich höher, Entscheidungen auf dem Spielfeld müssen oft in Bruchteilen von Sekunden  getroffen werden und auch das muss ein junger Spieler lernen

Und deshalb, um diesen Lernprozess effizient zu gestalten, gibt es ja auch die U21 als Unterbau, um den Spielern, die gerade der U19 entwachsen sind, die Möglichkeit zu geben, sich an die Besonderheiten des Erwachsenenfußballs zu gewöhnen. Und ja, der Weg, um in der Bundesliga stattzufinden, ist für Nachwuchsspieler noch einmal um einiges steiniger als vor ein paar Jahren. Und deshalb schaffen das auch nur absolute Ausnahmefußballer wesentlich früher.

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