Seit dem Spontanabgang von Jörg Schmadtke sucht der 1. FC Köln einen neuen Sportdirektor. Wir haben uns unter den Kandidaten umgeschaut.
Ein Schiff ohne Kapitän: Das ist der 1. FC Köln derzeit im sportlichen Bereich. Seit dem völlig überraschenden Abgang von Sportgeschäftsführer Jörg Schmadtke fehlt dem effzeh der fußballerische Frontmann. Die Wintertransferperiode sollen Trainer Peter Stöger und Sportdirektor Jörg Jakobs über die Runden bringen – einiges an Vorarbeit soll der üppig abgefundene Abtrünnige sogar noch geleistet haben. Dennoch: Der Klub ist mit kühlem Kopf auf der Suche nach einem Schmadtke-Nachfolger.
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“Es wäre wünschenswert, wenn wir diese Position zum Trainingsauftakt oder zum Start der Rückrunde besetzt hätten. Wir haben das Anforderungsprofi geschärft und arbeiten jetzt unsere Short-List ab“, sagte Geschäftsführer Alexander Wehrle dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ noch Ende Oktober. Mittlerweile wird deutlich: Nach dem Pokalspiel auf Schalke am 20. Dezember geht es in die heiße Phase, womöglich kann sich der effzeh einen neuen Sportdirektor unter den Weihnachtsbaum legen. Wir haben uns mögliche Kandidaten angeschaut – das Scouting verlief angesichts der bereits gehandelten Namen relativ ernüchternd.
(Alle Texte: Thomas Reinscheid / Severin Richartz)
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Klaus Allofs (61, zuletzt VfL Wolfsburg)
Foto: Alexander Scheuber/Bongarts/Getty Images
Geht es nach den Medien, scheint es rund um den 1. FC Köln einen Favoriten im Rennen um die Schmadtke-Nachfolge zu geben: Klaus Allofs könnte den Posten des Sportgeschäftsführers an der Seite von Alexander Wehrle ohne Probleme ausfüllen, war er doch jahrelang für Werder Bremen (1999 bis 2012) und den VfL Wolfsburg (2012 bis 2016) in ähnlicher Funktion tätig. Der gelernte Versicherungskaufmann, einst als Profi von 1981 bis 1987 für den effzeh aktiv, galt vor allem zu seiner Bremer Zeit als brillanter Einkäufer, der Werder mit geringen Mitteln in die nationale Spitze führte.
Doch besonders in den letzten Jahren schien ihn sein glückliches Händchen verlassen zu haben: In Wolfsburg jonglierte er mit den üppigen VW-Millionen, konnte jedoch trotz der Vizemeisterschaft und des Pokalsiegs 2015 keinen nachhaltigen Erfolg in die Autostadt bringen. Auch in der Außendarstellung wirkte Allofs mitunter sehr, sehr unglücklich – in die Schlussphase seiner Wolfsburger Ära fallen dazu einige schlechte Entscheidungen auf der Trainerposition. Ende 2016, nur anderthalb Jahre nach dem großen Erfolg, folgte die Trennung – seitdem ist Allofs auf dem Markt.
Pro
- Kennt die Bundesliga aus dem Effeff
- Großer Name mit großer Reputation
- Hat Kölner Vergangenheit
Contra
- In Wolfsburg häufig glücklos
- War zuletzt in anderen Preissegmenten unterwegs
- Kennt die 2. Bundesliga nicht
Auf der nächsten Seite: Der entlassene Entwickler
Jan Schindelmeiser (53, zuletzt VfB Stuttgart)
Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images
Mit einem Paukenschlag startete der VfB Stuttgart in die Saison: Äußerst überraschend für Außenstehende trennten sich die Schwaben von ihrem Sportvorstand Jan Schindelmeiser. Nach nur einem Jahr war die Liaison zwischen dem ehrgeizigen Macher, der zuvor Hoffenheim von 2006 an in die nationale Spitze führte, und dem Bundesliga-Rückkehrer beendet. Dabei hatte Schindelmeister das gesteckte Ziel souverän erreicht: Der VfB kehrte mit dem von ihm zusammengestellten Kader in die Bundesliga zurück, dazu schaffte er mit zahlreichen Talenten Werte für den VfB und schreckte auch vor unpopulären Maßnahmen nicht zurück.
Das war wohl auch letztlich der Knackpunkt für ihn in Stuttgart: In dem schwierig zu führenden Verein stolperte Schindelmeiser auch über sich selbst und seine Anspruchshaltung. Kolportierte Vorwürfe, er hätte Alleingänge gestartet und zu enge Beziehungen zu einem Spielerberater gepflegt, wies er nach seiner Entlassung öffentlich zurück. Bei den Fans hatte Schindelmeiser jedoch nach dem Aufstieg einen Stein im Brett, auch jetzt noch trauern einige dem ambitionierten Kaderplaner, der seine Philosophie mutig und teilweise auch rücksichtslos umsetzte, nach.
Pro
- Hat ein Händchen für Talente
- Zweitligaerfahrung
- Kommt mit Philosophie und Anspruch
Contra
- Gilt als schwieriger Charakter
- Als Frontmann nicht immer glücklich
Auf der nächsten Seite: Der Geheimtipp
Thomas Linke (48, zuletzt FC Ingolstadt)
Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images
So überraschend wie Schindelmeisers Entlassung in Stuttgart kam auch der freiwillige Rückzug von Thomas Linke in Ingolstadt. Nach dem Abstieg löste der ehemalige Nationalspieler im Sommer seinen noch bis 2018 gültigen Vertrag bei den Schanzern auf. “Mit Ablauf der vergangenen Saison hatte ich das Gefühl, dass ich der Mannschaft und dem Verein nicht mehr die nötigen Impulse geben kann, die sie brauchen, um erfolgreich zu sein”, erklärte Linke seine Entscheidung.
Dabei ist die Entwicklung der Ingolstädter eng mit seinem Namen verknüpft: Ende 2011 übernahm er den Posten des Sportdirektors bei den Oberbayern und führte den FCI 2015 zusammen mit Trainer Ralph Hasenhüttl in die 1. Bundesliga. Transfers wie Florent Hadergjonaj oder Marcel Tisserand zeigten, dass Linke durchaus über den Tellerrand zu schauen bereit ist und auch Transferüberschüsse einfahren kann. Einzig auf der Trainerposition hat er vor und nach dem Glückgriff Hasenhüttl wenig zu überzeugen gewusst.
Pro
- Kann mit geringerem Budget arbeiten
- Kennt 1. & 2. Bundesliga
- Gilt als hervorragender Teamplayer
Contra
- Geringe Reputation
- Gilt nicht als begnadeter Frontmann
- Schon bereit für eine neue Aufgabe?
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Dietmar Beiersdorfer (53, zuletzt Hamburger SV)
Foto: Oliver Hardt/Bongarts/Getty Images
Ein weiterer Ex-Kölner auf der Kandidatenliste: 1996 absolvierte Dietmar Beiersdorfer in der Rückrunde 16 Spiele für den effzeh und stabilisierte die Abwehr der “Geißböcke” auf dem Weg zum Klassenerhalt. Ob der gebürtige Franke allerdings der richtige Mann ist, um den schwankenden Kölner Kahn wieder auf Kurs zu bringen, darf bezweifelt werden. In seiner zweiten Amtszeit beim Hamburger SV gelang es Beiersdorfer nicht, den traditionell unruhigen Traditionsverein wieder in Schwung zu bringen. Das ist keine Schande, eine besonders gute Figur machte “Didi” dabei aber auch nicht.
Dabei hat Beiersdorfer zumindest viel Routine zu bieten: Von 2002 bis 2009 war der eisenharte Innenverteidiger als Sportchef beim HSV aktiv, ehe er anderthalb Jahre als “Head of Global Soccer” für einen auch in Deutschland agierenden Brausekonzern fungierte. Über den Umweg Zenit St. Petersburg kehrte Beiersdorfer 2014 nach Hamburg zurück – sein Glück fand der ehemalige HSV-Profi dort allerdings nicht. Nach vielen Querelen wurde er Ende des vergangenen Jahres durch Heribert Bruchhagen ersetzt – besser wurde es an der Elbe dadurch jedoch auch nicht.
Pro
- Köln-Vergangenheit
- Kennt die Bundesliga
- Erfahrung als Frontmann
Contra
- In Hamburg krachend gescheitert
- Öffentlichkeitswirkung verheerend
- Fehlende Zweitliga-Kenntnisse
Auf der nächsten Seite: Der Köln-Kenner
Thomas Eichin (51, zuletzt 1860 München)
Foto: Johannes Simon/Bongarts/Getty Images
Kein unbekanntes Pflaster ist Köln für Thomas Eichin: Fast 15 Jahre war der ehemalige Bundesligaprofi (Borussia Mönchengladbach, 1. FC Nürnberg) für die Kölner Haie aktiv. Zunächst verdiente sich der smarte Eichin als Marketingleiter seine Sporen, ab 2001 fungierte er als Geschäftsführer des achtmaligen deutschen Eishockey-Meisters. Nicht immer war der gebürtige Freiburger dort unumstritten, doch sein Arbeitspensum und sein Einsatzwillen, der ihn auch auf dem Fußballplatz auszeichnete, wurde selbst im anspruchsvollen KEC-Umfeld geschätzt.
2013 dann die Rückkehr ins Fußball-Business: Als Nachfolger von Klaus Allofs übernahm Eichin den Posten als Sportgeschäftsführer bei Werder Bremen. Nach drei wechselhaften Jahren trennten sich die Wege, offiziell wegen “unterschiedlicher Auffassungen zur zukünftigen sportlichen Entwicklung”. Es gab Gerüchte, man habe sich an der Weser über den damaligen Trainer Viktor Skripnik zerstritten. Es folgte für Eichin ein kurzes, aber umso erfolgloseres Intermezzo beim TSV 1860 München: Vier turbulente Monate nach seiner Einstellung kam es bei den “Löwen” wieder zur Trennung.
Pro
- Kennt die Kölner Medienlandschaft sehr gut
- Gilt als ruhiger, akribischer Arbeiter
- Gut vernetzt
Contra
- Bei 1860 München gescheitert
- Geringste Reputation
- Mönchengladbacher Vergangenheit
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Jonas Boldt (35, aktuell Bayer Leverkusen)
Foto: Andreas Rentz/Getty Images
Wird irgendwo in der Bundesliga bei einem großen (oder sich für groß haltenden) Verein frei, dann ist sein Name seltenst fern: Jonas Boldt hat mit seiner Arbeit im Leverkusener Hintergrund derart Eindruck hinterlassen, dass ihm jeder in der Branche blind einen Posten als Frontmann an einem anderen Ort zutrauen würde. Dem Entdecker von Arturo Vidal und vielen mehr wird ein Händchen für Talente nachgesagt, das seinesgleichen sucht. Nicht umsonst war Boldt einst der jüngste Chefscout der Bundesliga-Geschichte und wurde nach dem Abgang von Michael Reschke von Bayer auch zum Manager befördert.
Im vergangenen Jahr wollte ihn der Hamburger SV von der Werkself loseisen, scheiterte jedoch mit seinem Werben. “Ich habe mich bewusst für Bayer entschieden und sehe meinen Weg hier noch nicht am Ende”, sagte Boldt im Dezember dem “Express”. Auch andere Vereine streckten ihren Fühler nach dem Topscout aus, kriegten aber ebenso einen Korb. Dennoch: Die “WAZ” brachte den ambitionierten Manager auch beim 1. FC Köln ins Gespräch – das dürfte aber eher an der kurzen Überlegung, effzeh-Präsident Werner Spinner könne seine Bayer-Kontakte für einen Angriff auf das Diamantenauge des Lokalrivalen nutzen, denn an tatsächlichen Bestrebungen liegen.
Pro
- Gilt als Talententdecker der Extraklasse
- Bestens vernetzt in der Branche
- Im Rheinland mittlerweile zuhause
Contra
- Lehnte schon attraktivere Angebote ab
- Fehlende Zweitliga-Kenntnisse
- Ohne Frontmann-Erfahrung
Auf der nächsten Seite: Die Königslösung
Matthias Sammer (50, zuletzt Bayern München)
Foto: Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images
Matthias Sammer und der 1. FC Köln? Wer die Eurosport-Übertragung des effzeh-Heimspiels gegen Werder Bremen sah, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, der ehemalige Weltklasse-Profi habe ein Herz für die “Geißböcke” und Trainer Peter Stöger entwickelt. Doch klar ist: Wirklich realistisch ist ein Engagement des ehemaligen Bayern-Vorstands, der nach seinem auch gesundheitlich bedingten Ausscheiden beim Rekordmeister 2015 aktuell als TV-Experte arbeitet, in Köln nicht.
Der gebürtige Dresdener, der von 2006 bis 2012 DFB-Sportdirektor war, gilt als äußerst ambitionierter Fachmann, der seine Vorstellungen knallhart umzusetzen weiß. Ob die Ansprüche beim 1. FC Köln dem einstigen “Motzki”, der auch beim FCB als ständiger Mahner auftrat, genügen, darf bezweifelt werden. Gehandelt wird Sammer jedoch im Umfeld des Geißbockheims: Nach “Geissblog”-Informationen ist der Name des Europameisters von 1996 mehrfach in den internen Beratungen über eine Schmadtke-Nachfolge gefallen. Das Format dafür hätte der Heißsporn jedenfalls.
Pro
- Hoch angesehen
- Bekennender FC-Sympathisant
- Fachlich extremst gut
Contra
- Denkt vermutlich in anderen Sphären
- Gut & glücklich als TV-Experte
- Keinerlei Zweitliga-Kenntnisse
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Georg Heitz (47, zuletzt FC Basel)
Quelle: Screenshot FCBTV Youtube
Immer wieder gehandelt wird nicht nur beim 1. FC Köln auch Georg Heitz. Der Schweizer formte den FC Basel als Sportdirektor in den vergangenen Jahren zur unangefochtenen Nummer eins der Eidgenossen und hat dabei auch durch unkonventionelle Transfers auf sich aufmerksam gemacht. Nach acht (!!!) Meistertiteln in Serie nahm er beim FCB seinen Hut und baut aktuell zusammen mit einigen Basler Mitstreitern ein Beraterbusiness für Fußballvereine auf.
In Mainz und in Hamburg galt Heitz, als gelernter Sportjournalist ein Quereinsteiger im Fußballgeschäft, als möglicher Kandidat, wagte aber letztlich noch nicht den Sprung in die deutsche Bundesliga. Der 47-Jährige, der auch zwischenzeitlich bei der FIFA angestellt war, wird als rationaler Denker und Teamplayer beschrieben, der viel Wert auf eine vernünftige Arbeitsatmosphäre legt. “Sei immer fair, korrekt und respektvoll, spiele mit offenen Karten”, beschreibt Heitz in einem Interview mit watson.ch sein Motto. Es gibt sicherlich Schlimmeres…
Pro
- Eilt ein hervorragender Ruf voraus
- Entwickler von Team & Talenten
- Drängt in den deutschen Fußball
Contra
- Ohne Erfahrung im deutschen Fußball
- Baut gerade ein Standbein im Beraterbusiness auf
- Zweifelhafte Frontmann-Qualitäten
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Jörg Jakobs & Peter Stöger (47 bzw. 51, beide aktuell 1. FC Köln)
Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images
Eine Variante, die rund um das Geißbockheim immer häufiger genannt wird, ist eine Bündelung der bereits vorhandenen Kräfte: Ein Duo, bestehend aus Trainer Peter Stöger und Sportdirektor Jörg Jakobs, könnte die Geschicke beim effzeh demnächst bestimmen. Während Jakobs das Knowhow im Scouting in die Waagschale werfen würde, wäre Stöger im Stile des englischen Manager-Modells die nach außen und innen bestimmende Figur, die damit das Manko des nicht in die Öffentlichkeit drängenden Jakobs’ ausgleichen könnte.
Für den effzeh hätte diese Variante durchaus Charme: Eine Einarbeitungszeit für einen neuen Frontmann entfällt, das Verhältnis zwischen beiden den Aufschwung prägenden Köpfen gilt als konstruktiv. Die Kombination der Stärken des beim Publikum sehr beliebten Stöger und dem in Fachkreisen äußerst anerkannten Jakobs könnte für den 1. FC Köln zum Glücksfall werden. Doch die Frage ist: Wie gut ist eine solche Machtkonzentration für den Trainer? Will Stöger dies überhaupt? Fraglos kein risikoloses Unternehmen für alle Beteiligten.
Pro
- Kennen den Verein aus dem Effeff
- Eingespieltes Team
Contra
- Ungewöhnliche Kombination
- Kein zusätzlicher Frontmann