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Die finanzielle Lage des 1. FC Köln: Ein Transfersommer mit Risiko

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Die Transferperiode ist beendet, der 1. FC Köln hat seine Transferplanungen für diesen Sommer abgeschlossen. Mit Ellyes Skhiri, Birger Verstraete und Kingsley Ehizibue verpflichtete der Aufsteiger drei Verstärkungen, die, so viel kann man nach nur drei Spieltagen behaupten, im Unterfangen Klassenerhalt durchaus einen gewichtigen Beitrag leisten können. Kingsley Schindler kam zudem ablösefrei. Auch Sebastiaan Bornauw, Neuzugang aus Anderlecht, deutete in seinen bisherigen beiden Auftritten bereits an, ein guter Griff gewesen zu sein. Die “Geißböcke” und insbesondere ihr Geschäftsführer Sport Armin Veh dürfen sich also auf die Fahnen schreiben, seit mehreren Jahren wieder einmal einen sportlich konkurrenzfähigen Kader auf die Beine gestellt zu haben.

Die einhellige Meinung bestätigt sich auch beim Blick von außen: Der 1. FC Köln hat gute Transfers getätigt, aber auch über das geplante Maß hinaus investiert. “Kein normaler Aufsteiger” sei der FC sowieso, liest man die einschlägigen Gazetten. Die Verpflichtungen in der Gegenwart scheinen gelungen, für die Zukunft könnten sogar Transferwerte geschaffen worden sein. Aber Vorsicht: Der FC ist auch ein Risiko eingegangen.

Wie kann sich der 1. FC Köln das leisten?

Als die Meldung “Der FC verpflichtet Sebastiaan Bornauw” auf den Smartphones blinkte, war die Freude der Fans über einen neuen Innenverteidiger vermutlich genauso groß wie ihr Erstaunen. Sechs Millionen Euro kostet Bornauw den effzeh – hieß es nicht vor wenigen Monaten noch, dass das Transferbudget knapp zehn Millionen Euro betrüge? Hatte der Verein dieses Budget nicht schon mit dem Transfer von Ellyes Skhiri überschritten? Fehlten nicht Spielerverkäufe, die diese finanzielle Lücke füllen konnten? Und grundsätzlich: Wie kann der effzeh sich die kolportierte Ablösesumme für Bornauw zusätzlich leisten?

In Erwartung dieser Fragen suchte Finanzchef Alexander Wehrle das Gespräch mit mehreren Journalisten. Seine Botschaft lautete: Alles kein Problem, macht euch keine Sorgen. “Wir sind kein Risiko eingegangen, wir können uns das leisten.” Der effzeh sei keine Bank, sondern ein Fußballverein, es bringe nichts, zehn Millionen zu erwirtschaften und wieder abzusteigen. Die hohen Ausgaben rechtfertigte Wehrle so: “Wir haben in den letzten Jahren gut gewirtschaftet und positives Eigenkapital.”

Positives Eigenkapital bedeutet nicht Bankkonto

Positives Eigenkapital also. Das klingt klasse. Aber ist es das auch? Rechtfertigt ein hohes Eigenkapital hohe Transferausgaben?

Anders als umgangssprachlich vermutet, beschreibt Eigenkapital in der Betriebswirtschaft lediglich die Aktiva einer Kapitalgesellschaft. In Fußballvereinen sind das neben Immobilien unter anderem auch die aktivierten Ablösesummen der Spieler: Kauft der effzeh also einen Spieler für fünf Millionen Euro, dann taucht dieser Wert im Anlagevermögen im ersten Jahr mit fünf Millionen Euro auf. Dieser Betrag reduziert sich ratierlich entsprechend der Vertragslaufzeit.

2018 betrug das Eigenkapital laut Geissblog 37,5 Millionen Euro bei einem Fremdkapital (Kredite, Schulden etc.) von 17,2 Millionen Euro. Die Eigenkapitalquote des effzeh (also der Prozentsatz des Eigenkapitals im Verhältnis zum Fremdkapital) ist demzufolge hoch und beschert der KG eine gut aussehende Bilanz sowie eine entsprechende Kreditwürdigkeit.

Die Liquidität entscheidet – und die ist schlecht

Der Verweis Alexander Wehrles auf das positive Eigenkapital im Zusammenhang mit hohen Transferausgaben führt daher ein wenig in die Irre. Denn “positives Eigenkapital” beschreibt nicht den Betrag, den der effzeh jederzeit wie durch einen Griff in den Geldkoffer investieren kann. Aufschluss darüber gibt eine andere wirtschaftliche Kennzahl – die Liquidität. Sie beschreibt einerseits die Fähigkeit des FC, Zahlungsverpflichtungen fristgerecht zu erfüllen und andererseits die Höhe der flüssigen Mittel wie Bargeld oder Bankguthaben. Hinzu tritt die (unter anderem vom Eigenkapital abhängige) Kreditwürdigkeit. Kurzum: Je besser die Liquidität und die Kreditwürdigkeit, desto besser auch die finanziellen Handlungsoptionen.

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Die Liquidität ergibt sich zudem daraus, wie schnell der effzeh seine Vermögenswerte liquide machen kann. Oder, um es einfacher zu sagen: Der finanzielle Handlungsspielraum vergrößert sich auch mit der kurzfristig verfügbaren Geldmenge. Bargeldbestände oder Bankkonten erhöhen ihn. Fußballprofis sind im Gegensatz dazu aber nichts, was schnell zu Geld gemacht werden kann. Diese Erfahrung machten Veh und co. jüngst bei Jannes Horn, Salih Özcan und Frederik Sörensen. Keiner wollte die Spieler kaufen und nur mühsam schloss der effzeh Leihverträge.

“Der 1. FC Köln schuf eine Zahlungsverpflichtung in der Zukunft, um sportliche Defizite in der Gegenwart zu kompensieren.”

Wie schlecht es um die Liquidität des Bundesligaaufsteigers steht, lässt der Bornauw-Transfer erahnen. Denn der effzeh wählte eine für ihn ungewöhnliche Methode, um den Transfer zu bewerkstelligen: Er vereinbarte mit dem abgebenden Verein aus Anderlecht, dass die Ablösesumme in mehreren Tranchen bezahlt wird. Das ist mittlerweile im Fußball-Business üblich, wird hier aber zu einem Problem. Denn Armin Veh höchstselbst bestätigte, dass nicht mehr genug Geld da war, um die Summe direkt bezahlen zu können. Im Klartext bedeutet das: Der 1. FC Köln schuf eine Zahlungsverpflichtung in der Zukunft, um sportliche Defizite in der Gegenwart zu kompensieren. Seine Liquidität war zu schwach, um die Zahlung direkt zu leisten. Das ist, anders als Wehrle es darstellt, natürlich ein finanzielles Risiko für den Verein – wenn auch erstmal ein kleines.

Die Fehler in der Vergangenheit holen den 1. FC Köln ein

Doch erstmals seit vielen Jahren beschränken die vielen Fehler der Vergangenheit die Möglichkeiten der Gegenwart. Der Europa-League-Teilnehmer von 2017 gab speziell in den letzten beiden Spielzeiten zu viel Geld für zu wenig Leistung aus. Die Rentenverträge für Matthias Lehmann, Marcel Risse oder Marco Höger schlagen ebenso zu Buche wie der Monstervertrag für Anthony Modeste. Transfers wie die von Niklas Hauptmann (ca. dreieinhalb Mio. Euro Ablöse) und Johannes Geis (ablösefrei, aber mit hohem Gehalt und Aufstiegsprämie) erwiesen sich als überflüssig, der von Ex-Trainer Markus Anfang als teurer Flop. Und ob Kingsley Schindler und Florian Kainz (ca. vier Mio. Euro Ablöse) der Mannschaft in der ersten Liga helfen können, müssen beide noch beweisen.

Die Vertragsverlängerungen samt fürstlicher Gehälter für Peter Stöger, Jörg Schmadtke und Alexander Wehrle kamen ebenfalls verfrüht. In zwei Fällen zahlte der Verein aus der Domstadt bereits Abfindungen, im Fall Schmadtkes zudem eine absurd hohe (wohl um die 3,3 Mio. Euro) unter dubiosen Umständen. An anderer Stelle vernichtete der FC eigene Transferwerte. So etwa bei Jannes Horn oder Frederik Sörensen.

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

All diese Verträge belasten das Jahresergebnis des effzeh und beschränken damit seinen Handlungsspielraum: Hohe Gehälter erhöhen den Personalaufwand und die ratierlichen Abschreibungen auf die gezahlten Ablösesummen verringern den Wert des Anlagevermögens. Beides belastet das Jahresergebnis und verringert den künftigen Gewinn des effzeh. Zudem wird dadurch indirekt die Kreditwürdigkeit entsprechend reduziert.

Keiner weiß, wie viel der Abstieg kostet

Dazu kommt: Die gesamten Auswirkungen des Abstiegs im Jahr 2018 kann derzeit niemand überblicken. Er dürfte den Verein mindestens eine mittlere achtstellige Summe kosten, wobei der Reputationsverlust überhaupt nicht beziffert werden kann. Auf der anderen Seite erkaufte sich der Club den Verbleib von Timo Horn und Jonas Hector in der zweiten Liga mit teuren Vertragsverlängerungen. Allein ihre Erstligagehälter in 2019/20 dürften die von 2017/18 demzufolge geradezu pulverisieren. Zusätzlich banden die “Geißböcke” viele Spieler für einen langen Zeitraum an sich. Aus dem aktuellen Kader stehen 19 Profis bis mindestens 2022 unter Vertrag, zehn davon bis mindestens 2023. Bis dahin sind nicht nur ebenso viele Kaderplätze blockiert, sondern auch Gehälter gebunden.

Eine naheliegende Strategie hinter den langen Vertragslaufzeiten besteht in der Verlängerung der Abschreibungsdauer der für einen Spieler gezahlten Ablöse, die das Ergebnis des effzeh damit kurzfristig weniger belastet. Das bedeutet zugleich, dass das Eigenkapital infolge der verlängerten Abschreibungsdauer weniger schnell angegriffen wird. Diese Strategie ist bei den Verträgen von Rafael Czichos, Lasse Sobiech und Anthony Modeste ersichtlich. Denn auf die Schaffung von Transferwerten dürfte bei ihnen kein Verantwortlicher spekuliert haben.

Die Handlungsfähigkeit des effzeh wird gefährdet

Kurzfristig ergibt die Vorgehensweise des Vereins durchaus Sinn, zumal ein Abstiegsrisiko schon aus ökonomischen Gründen minimiert werden muss. Doch die Geschäftsführung um Alexander Wehrle und Armin Veh setzt seit mehr als einem Jahr die mittel- und langfristige Handlungsfähigkeit des Vereins ein Stück weit aufs Spiel. Viele Spieler im Kader kosten zu viel, stehen zu lange unter Vertrag und bieten aufgrund ihrer Leistungen kaum Verkaufspotential. Die Leihen von Jannes Horn und Frederik Sörensen könnten daher eine Blaupause für die nächsten Jahre sein. Längst hat der effzeh viele Zahlungsverpflichtungen (Gehälter und Ablösesummen) für die Zukunft angehäuft. Und zwar ohne eine Strategie entwickelt zu haben, wie er die Einnahmen unabhängig von der sportlichen Lage erhöhen will.

Diese Tendenzen gab es am Geißbockheim schon einmal – und sie endeten nicht gut. Damals hieß der Geschäftsführer Claus Horstmann, der sich ebenfalls bestens auf mediale Beschwichtigung verstand. Gleichzeitig lief er als kurzsichtiger Geldbeschaffer durch Köln, um zahlreichen Sportchefs und dem Präsidium um Wolfgang Overath wirtschaftlich absurde Wünsche zu erfüllen. Von diesem Pfad kam der effzeh damals erst kurz vor der Insolvenz ab – das Ergebnis war ein Abstieg 2012, von dem sich der einstige Bundesliga-Meister nur mühsam erholte. Von einem ähnlichen Szenario ist der Verein derzeit natürlich weit entfernt. Trotzdem sollte sich niemand von Wehrles Aussagen blenden lassen. Das ging bei Horstmann schon einmal schief. Und ein erneuter Abstieg würde den effzeh vor deutlich größere finanzielle Probleme stellen als der letzte.

Es lohnt sich daher auch, genau hinzuhören, wenn der Geschäftsführer über die Finanzen spricht – gerade vor der am Sonntag stattfindenden Mitgliederversammlung. Ein positives Eigenkapital bringt wenig, wenn gleichzeitig die Liquidität demoliert wird. Müsste Wehrle über die Ergebnislücke sprechen, also den Betrag, der zur angestrebten Profitabilität des 1. FC Köln fehlt, wäre seine Antwort vermutlich deutlich weniger optimistisch ausgefallen. Auf Anfrage von effzeh.com teilte der Klub mit, dass sich Alexander Wehrle vor der Mitgliederversammlung nicht zum Sachverhalt äußern wolle.

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