© kicker
Frank Lußem, kicker-Redakteur
Ist es möglich, dass sich ein großer Fußballverein mit vielen tausend Mitgliedern, prominenten Entscheidungsträgern und Millionenumsätzen binnen relativ kurzer Zeit komplett neu erfindet?
Ja, es ist möglich. Der 1. FC Köln steht als Beispiel für eine Metamorphose, die viel weniger schmerzhaft über die Bühne ging, als man befürchten muss bei solch einer Erneuerung an Haupt und Gliedern. Vorbei die Zeiten des Niedergangs, der “elitären Arroganz”, der sportlichen Berg- und Tal-Fahrten?
Ja, ganz sicher, was die weichen Faktoren angeht. In Köln weht ein anderer Wind als noch vor nicht allzu langer Zeit. Der Verein hat ein anderes, ein positiveres Erscheinungsbild. Die Kaderpolitk scheint Sinn zu machen. Der Geschäftsführer Finanzen verbreitet trotz eines schweren Erbes Optimismus, der für den Sport zuständige Boss Ruhe und Bescheidenheit. Das Präsidium hält sich angenehm zurück und sucht den Dialog mit Fans und Medien. Der Trainer ist geerdet, unabhängig und ein geschickter Moderator in Personalfragen.
Alles toll also? Ja. Wenn man heute schon wüsste, wie es nach 34 Spieltagen aussieht. Nochmal deshalb: Alles toll? Nein! Denn die große Bewährungsprobe steht aus. Der 1. FC Köln konnte sich so gut entwickeln, dass er souverän Zweitligameister wurde. Doch was passiert, wenn es mal richtig Hiebe setzt? Wenn es knirscht im Gebälk? Bröckelt die Front, die man gerade geschlossen hat, dann?
Es kann von Anfang nur um Platz 15 gehen. 33 Spieltage ist die Platzierung nicht entscheidend, nur der Abstand auf das rettende Ufer. Erst am 34. Spieltag muss man über dem ominösen Strich stehen. Der 1. FC Köln darf sich nicht mit Klubs messen, in deren Liga man in der Vergangenheit spielte. Die Gegner heißen Paderborn, Freiburg, Augsburg, vielleicht Hamburg oder Hannover. Klar ist: Außer dem Mitaufsteiger sind all diese Teams dem 1. FC Köln 01/07 einen großen Schritt voraus.
Sportlich ist der FC schwierig einzuschätzen. Die Bundesligaerfahrung des Kaders hält sich in Grenzen, für viele Profis ist Neuland angesagt. Aber Peter Stöger bewies in der vergangenen Spielzeit, dass er in der Lage ist, Spieler besser zu machen. Ob alte Hasen wie Brecko, Lehmann oder Risse. Oder junge Spieler wie Wimmer, Hector und Gerhardt. Vor allen Dingen aber goss er die Truppe in Form, niemand brach aus, das Wir-Gefühl setzte ungeahnte Kräfte frei. Wenn Stöger heute sagt, dieses Team brauche und vertrage keinen Top-Star a la Podolski, dann ist dies das größte Kompliment für seine Jungs.
Hält diese Entwicklung an – angesichts der großen Konkurrenz in allen Mannschaftsteilen wird dies nicht einfach – dann ist dieser Kader stärker als die Summe seiner Spieler. Und der 1. FC Köln wird, da gehe ich Wetten drauf ein, nicht absteigen.
Lest auf der nächsten Seite, wie groß Daniel Uebber den Appetit auf den Klassenerhalt einschätzt.