Die bisherigen Stimmen schienen allesamt positiv. Zwar ist sowohl den effzeh-Bloggern als auch uns klar, dass die Saison schwierig wird, aber wir nicht chancenlos sein werden. Diesen Eindruck verstärkten die ersten fünf Experten, die sich im ersten Teil äußerten. Ob das auch die nächsten Journalisten so sehen? Im Teil 2 der Befragung kommentieren Marc L. Merten (FAZ, t-online.de), Frank Lußem (kicker), Daniel Uebber (goal.com), Hendrik Buchheister (SpiegelOnline) und Stephan Uersfeld (ESPN FC).
© Marc L. Merten
Marc L. Merten, freier Journalist (FAZ, t-online.de)
Ich war vor kurzem beim Augenarzt. Ein Routine-Check. Am Ende der Untersuchung riet mir der Doc, die Lider morgendlich mit einem Watte-Pad zu säubern. Das sei verträglicher als das ständige Reiben der Augen mit Händen oder Fingern.
Bei diesem Ratschlag musste ich unweigerlich an den FC denken. Denn auch zwei Jahre nach dem Einsetzen eines nicht geahnten Wandels sorgt die Verwandlung des Ersten Fußball-Club Köln vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan noch immer für ungläubige Blicke und eben jenen Griff in die Augen, um sicher zu sein, dass es sich tatsächlich noch um den gleichen Verein handelt, der noch vor zwei Jahren hinter der “Schwarzen Wand” im RheinEnergieStadion untergegangen war.
Auch wir Journalisten haben manchmal noch unsere Mühe zu verstehen, dass Größenwahn, Misswirtschaft, Narzissmus und der fast schon humoristische Selbstzerstörungsdrang der Vergangenheit anzugehören scheinen. Die Aufstiegssaison hat viele Zweifler verstummen lassen. Trotzdem ist schon jetzt absehbar, dass die erste Krise in der neuen Saison das neue Gewand auf Fehler, Löcher und Flecken testen wird. Da können die Kölner Verantwortlichen noch so sehr betonen, dass das Umfeld ihren Kurs des Realismus und der Sachlichkeit gut findet und unterstützt. Erst, wenn es einmal nicht laufen wird – und sind wir ehrlich, dieser Tag wird in Liga eins eher früher als später kommen – wird sich zeigen, wie gefestigt der neue FC wirklich ist.
Sportlich haben die Herren Schmadtke, Jakobs und Stöger alles getan, um für die Herausforderung Bundesliga gewachsen zu sein. Spätestens seit dem Trainingslager in Kitzbühel ist klar, dass der Kader in der Breite viel besser aufgestellt ist als noch im Aufstiegsjahr. Selbst trotz der schweren Verletzungen von Svento, Nagasawa und Helmes ist fast jede Position nahezu gleichwertig doppelt besetzt. Das Duo Schmadtke/Jakobs hat allerdings, wie schon in Hannover erfolgreich praktiziert, darauf geachtet, einen nicht nur sportlich begabten, sondern charakterlich einwandfreien Haufen Fußballer zusammenzustellen. Zusammen mit der Qualität Stögers im Zwischenmenschlichen lässt sich erkennen: Konkurrenzkampf ja, atmosphärische Störungen nein. Die WM 2014 hat gezeigt, wie wichtig mannschaftliche Geschlossenheit ist. Der FC 2014 will sich davon eine dicke Scheibe abschneiden.
Man könnte also fast zu der Überzeugung kommen: Das ausgegebene Saisonziel Klassenerhalt ist für den FC nicht nur mit etwas Glück drin, sondern selbst bei Rückschlägen sportlich realistisch erreichbar. Umgekehrt heißt das: Sollte der FC mit dieser Mannschaft wieder absteigen, muss schon eine ganze Menge schief gehen.
Doch bei allem Wandel geistert in Köln noch immer der Geist des Unberechenbaren umher. Deshalb werde ich mir wohl trotz Warnung meines Arztes die Augen reiben, sollte der 1. FC Köln tatsächlich eine erfolgreiche und skandalfreie Saison spielen. Die Chancen stehen überraschend gut.
Lest auf der nächsten Seite, wie Frank Lußem die Situation rund um das Geißbockheim empfindet.