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Meinung

Der Ikarus der Bundesliga: Aufstieg und Fall des 1.FC Köln

“Erst der Triumph und dann die Tragödie” oder: “Wie man in wenigen Monaten ganz tief fallen kann”. Ein Kommentar über den 1. FC Köln im Jahr 2017.

Fans
Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Die Erkenntnis, die daraus folgt, ist eine, die schon zur Präsidentschaft Wolfgang Overaths gewonnen werden konnte: Menschen, die im Verein mit einer bis zur Unnahbarkeit geltenden Reputation ausgestattet sind, werden so schnell unangreifbar, dass sie weder von ihren Mitgängern in Vorstand und Geschäftsführung eingefangen werden können, noch von den Kontrollgremien. Der Mitgliederrat ist hierbei das einzige Gremium, das sich gelegentlich öffentlich äußert und den Protagonisten ihre Grenzen aufzeigt – wenn auch nur in dem Rahmen, den die Satzung vorgibt.

“Im Erfolg begeht man die größten Fehler”

Andere Gremien wie der Beirat oder der Aufsichtsrat sprangen dem Vorstand bereitwillig zur Seite: Während der Antragsdebatte zur Satzungsänderung sprachen sich Horst Becker (Beirat) und Aufsichtsrat Jörg Heyer deutlichst gegen den Vorschlag aus. Selbst im Mitgliederrat gab es jemanden, der entgegen der vorgegebenen Marschroute des Gremiums, sich in der Debatte neutral zu verhalten, seine Meinung äußerte: Michael Trippel, Fanliebling und Stadionsprecher, hielt einen solch konfusen, intellektuell unbrauchbaren und polemischen Redebeitrag, dass ihm von vielen Fans nahegelegt wurde, mindestens einen seiner Posten zu räumen.

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Die Satzung, die 2012 eigentlich verabschiedet wurde, um künftige despotische Umtriebe innerhalb des Vereins soweit wie möglich einzuschränken, sieht den Mitgliederrat als Kontrollinstanz des Vorstands und den Aufsichtsrat als ebenjene für die Geschäftsführung vor. Während ersterer jedoch Differenzen klar anspricht und sogar öffentlich benennt (etwa für den Fall eines chinesischen Investoreneinstiegs), scheint der Aufsichtsrat seit dem Rauswurf Jürgen Siegers den Geschäftsführern zu freie Hand gelassen zu haben. Dabei hatte der Mitgliederratsvorsitzende Stefan Müller-Römer schon vor einem Jahr gewarnt, dass man im Erfolg die größten Fehler begehe und man deshalb aufpassen müsse. Diese Warnung wurde offensichtlich überhört.

COLOGNE, GERMANY - AUGUST 25: Peter Stoeger, coach of Koeln, (l) and Joerg Schmadtke, sporting director of Koeln, ahead of the Bundesliga match between 1. FC Koeln and Hamburger SV at RheinEnergieStadion on August 25, 2017 in Cologne, Germany. (Photo by Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images)

Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images

Gerade im sportlichen Bereich gibt es ein massives Kompetenzvakuum, da Jörg Schmadtke sich diesen Bereich komplett untertan gemacht hatte. Neben Schmadtkes Hybris und seinen Fehleinschätzungen war es auch der mangelnde Wille, ihn einzudämmen, der zu den Transferphasen der vergangenen Monate führte. Er war im sportlichen Bereich der Alleinherrscher – und ob er jemanden neben sich geduldet hätte, der im sportlichen Bereich mitreden soll, war angesichts seiner Vorgeschichte in Aachen und Hannover äußerst fraglich. Nun erhält der Verein die Chance, den Fehler, den er bei Schmadtke beging, nicht zu wiederholen: alle sportliche Macht und Kompetenz auf eine Person zuzuschneiden.

Dabei wäre die sportliche Kompetenz in der Person von Jörg Jakobs eigentlich sogar im Klub vorhanden gewesen. Der Sportdirektor wirkte drei Jahre an der Transferpolitik mit und zeichnete dem Vernehmen nach für die Verpflichtung mehrerer interessanter und entwicklungsfähiger Spieler verantwortlich. Obwohl nicht jeder Spieler einschlug, wurde immerhin versucht, die Lücken im Kader zu schließen. Doch um den promovierten Sportwissenschaftler wurde es seit etwa zwei Jahren sehr ruhig.

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Mittlerweile arbeitet der Sportdirektor vornehmlich im Nachwuchsbereich und eine weitere Zusammenarbeit ist nach dem Auslaufen seines Vertrages zum Saisonende nicht wahrscheinlich. Zu kühl, zu distanziert klingen die dazugehörigen Aussagen. Jakobs scheint derzeit weder die Reputation noch den Einfluss im Verein zu haben, um sich wieder in die Kaderplanung einbringen zu können. Ob es die Verpflichtung eines 39-jährigen Altstars wie Claudio Pizarro bei einem höheren Einfluss Jakobs’, etwa bis vor zwei Jahren, gegeben hätte, scheint doch recht fraglich zu sein. Ob Jakobs nach Schmadtkes Abgang in die vorderste Front geholt wird, ist ungewiss.

Die Bindung zu den Fans ist nicht mehr vorhanden

Die ganze Tragik der aktuellen Lage zeigt sich auch darin, wie stiefmütterlich der Verein mit seinen Fans umgeht. Sie fühlen sich vielerorts nur noch als Konsumenten, die brav ihren Obolus zu entrichten haben, regelmäßig Merchandisingprodukte kaufen sollten und denen bei der Hymne auf der Mitgliederversammlung Tränen in den Augen stehen müssen. Das Potential, das alleine in der ehrenamtlichen Fanszene brach liegt, ist gewaltig. Es gibt wohl kaum einen Verein, dessen Fans angesichts des aktuellen Tabellenstands derart ruhig bleiben würden und die sofort zu Hilfe eilen würden, wenn der Verein aktiv auf sie zugehen würde. Eine solche Situation gab es während der beiden Zweitligajahre von 2012 bis 2014. Jeder wusste: Wenn ich nicht hingehe, stirbt der Verein. Das wurde damals vom effzeh dankbar angenommen.

LONDON, ENGLAND - SEPTEMBER 14: FC Koeln supporters display scarves during the UEFA Europa League group H match between Arsenal FC and 1. FC Koeln at Emirates Stadium on September 14, 2017 in London, United Kingdom. (Photo by Dan Mullan/Getty Images)

Foto: Dan Mullan/Getty Images

Wie sich die Zeiten und die Leute geändert haben, zeigten für so manchen Hardcore-Fan die ersten Reaktionen nach dem Auswärtsspiel in London: Es gab eine nahezu ausschließlich friedliche Faninvasion an einem Wochentag im Ausland, rund 20.000 Kölner feierten an der Themse die Rückkehr nach Europa. Weil der FC Arsenal völlig überfordert war und wenige Fans sich nicht ans Protokoll hielten, wurde das Spiel verspätet angepfiffen. Im Stadion sprengten die Kölner sämtliche Lautstärkerahmen, die das Emirates Stadium in den letzten Jahren erlebte – unabhängig von der Leistung der eigenen Mannschaft.

Nach dem Spiel zollten die Spieler ihren Fans aus respektvoller Entfernung höflich Dank und zeigten sich auch anschließend irritierend zurückhaltend über einen der größten Tage in der jüngeren Vereinsgeschichte. Selten gab es eine Szene, die bezeichnender für die gefühlte Distanz zwischen Verein und Fans und für die generell abgehoben empfundene Haltung im Club war. Unter Michael Meier wurde der Begriff der elitären Arroganz geprägt. Welcher Begriff für die aktuelle Phase des 1. FC Köln als Überschrift dienen könnted, ist noch nicht klar. Irgendwas ähnliches könnte es aber wohl leider sein.

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