Seit der Saison 2013/14 ist Peter Stöger Cheftrainer des 1.FC Köln. Unter seiner Leitung schaffte der effzeh souverän den Aufstieg, den Klassenerhalt und nun hat der effzeh die beste Hinrunde seit 15 Jahren absolviert. Im Gegensatz zu anderen Kollegen werden Stöger jedoch keine magischen Fähigkeiten zugeschrieben, was an seinem Stil liegt. Den Erfolg schmälert das nicht, die ihm entgegen gebrachte Anerkennung auch nicht. Seine Sachlichkeit trägt vielmehr zu einem Anstieg der Wertschätzung und des sportlichen Niveaus bei.
“Rätsel und Faszinosum in einer Person”, “der surrealste Trainer” und ständige “Verwirrung” – das sind nur einige Überschriften, die Artikel zu Josep Guardiola zuletzt trugen. Gut, die Trainer des FC Bayern genießen immer größte Aufmerksamkeit und Guardiola im Besonderen. Bereits vor seinem Amtsantritt umgab ihn eine geradezu mystische Aura, die sich sowohl auf seine fußballerische Philosophie, als auch auf seine Person bezog. Die Zeit, sonst nicht unbedingt für aufsehenerregende Überschriften bekannt, bezeichnete ihn damals als einen “Glasperlenspieler”. Der 44-jährige beherrschte stets die Schlagzeilen. Egal, ob es um sportliche Belange oder den Zusammenhang dieser zu ihm ging. Einzelinterviews lehnte er grundsätzlich ab, stattdessen wurde regelmäßig sein Biograph befragt, wenn die Journalisten etwas über Guardiola wissen wollten.
Von Peter Stöger gibt es keine Biographie und damit auch keinen Biographen. Wenn Journalisten etwas von ihm wissen möchten, dann fragen sie ihn einfach. Der Trainer des effzeh wirkt diesbezüglich wie ein Gegenentwurf zu Guardiola. Wo der Spanier seinem Umfeld seine Art aufzwang und dies nur zu noch mehr Diskussionen führte, lässt sich Stöger auf die Umstände ein. Das bedeutet jedoch nicht, dass er seinem Umfeld gleichgültig gegenübersteht. Seine Facebookseite, auf der er regelmäßig die Spiele kommentierte, schaltete er ab, nachdem ihm die Kommentare zu ausfallend wurden. Dies kündigte er bereits mehrfach vorher an.
Das Normale als etwas Besonderes
Es ist diese konsequente und normale Art, die den 49-jährigen zu etwas besonderem macht. Der Kicker bezeichnete ihn im Sonderheft zur vergangenen Saison als jemanden, der “für seine Spieler berechenbar ist – im positiven Sinne”. Sportnet.at veröffentlichte vor rund anderthalb Jahren Stögers “Benimmregeln” für die Mannschaft und als Leihgabe Deyverson mit Schwalben auf sich aufmerksam machte, sprach Stöger ein Verbot aus. Die Spieler wissen stets, woran sie bei ihm sind. Der ehemalige Nationalspieler benötigt keine abgeschotteten Sonder-Trainingslager oder aufsehenerregende Teambuildingmaßnahmen, um seine Spieler zu führen. Er gibt ein striktes Regelwerk vor, belässt es aber dabei und vertraut seiner Mannschaft innerhalb dessen. Guardiola ließ Spieler von Privatdetektiven beschatten, um sie besser kontrollieren zu können – Stöger würde dies wahrscheinlich ablehnen, weil er es als unhöflich erachten würde.
Der gegenseitige Respekt spielt für ihn eine übergeordnete Rolle. Mit den Medien geht der effzeh-Coach dabei ähnlich um. Er wird nicht ausfallend oder arrogant, macht aber trotzdem deutlich, was er vor einigen Fragen hält. So wünschte er einem Journalisten, der ihn nach dem Sieg gegen den BVB fragte, was er denn davon halte, wenn sich seine Spieler wegen Trikot-Ausziehens die gelbe Karte abholen würden, “schöne Weihnachten”. Er teilt gleichzeitig mit und aus, aber eben nicht so extrem, dass es ihm jemand übel nehmen würde. Das Wiener Schmäh lässt ihn zwar mitunter etwas empfindlich wirken (wie sein regelmäßiges Beklagen über zu hohe Erwartungen zeigt), doch insgesamt entsteht der Eindruck, dass Peter Stöger vor allem in Ruhe arbeiten will.
Sportlich ist die Zeit des Österreichers beim effzeh eine einzige Erfolgsgeschichte. Mit bodenständigen Ansichten, guter Menschenführung und intelligenter, pragmatischer Spielweise hat der 49-jährige es geschafft, dass sich die Mannschaft permanent weiterentwickelt und dabei stets so souverän wirkt, wie ihr Trainer. Die gute Transferpolitik des Vereins kam natürlich hinzu, doch Stöger hat es immer geschafft, die Neuzugänge zu integrieren. Er fordert die notwendige Geduld vom Umfeld ein, weil er sie selbst mit der Mannschaft hat. Spieler wie Anthony Modeste schlugen (trotz einer längeren Torflaute) voll ein und brauchten keine Anlaufzeit; Milos Jojic hat bislang kaum überzeugen können, trotzdem gibt Stöger ihm regelmäßig mit Kurzeinsätzen die Möglichkeit, sich für die Startelf zu empfehlen. Während andere Trainer häufig zu Kurzschlusshandlungen neigen, ist Stöger dazu das Gegenbeispiel. Er wechselt häufig erst spät und rotiert nur, wenn es nötig ist.
Erfolg durch Einfaches
Was also einerseits als mangelnde Experimentierfreude gelten kann, stellt andererseits die Grundlage für die hervorragende Entwicklung dar. Die Defensive des effzeh ist seit Stögers Amtsantritt das Prunkstück. Aus dem Spiel heraus kassiert der effzeh kaum Tore und konnte auch hochwertige Abgänge wie den Kevin Wimmers, problemlos kompensieren. Auch in der Offensive gab es eine enorme Entwicklung, wenngleich sie sich noch nicht in Toren ablesen lässt. Diejenigen, auf die Stöger seit Amtsantritt setzt (etwa Dominic Maroh, Timo Horn und natürlich Jonas Hector) haben eine enorme Entwicklung hinter sich und einige sind noch nicht am Ende angelangt. Der Coach schätzt Spieler, auf die er sich verlassen kann – und sie zahlen es mit Leistung zurück. Er muss das Leistungsprinzip nicht ankündigen, um es anzuwenden, sondern tut es einfach.
Vermutlich ist es genau das, was den ehemaligen Nationalspieler so besonders macht. Seine Methoden sind unspektakulär, klar und verständlich. Stöger wird deswegen nie als ein Magier gelten, wie Lucien Favre, Thomas Tuchel oder Pep Guardiola. Seine Gestiken sind unscheinbar und emotionale Ausbrüche an der Seitenlinie rar. Auch sein Spielsystem ist keines, das vermeintliche Taktikliebhaber begeistert und spektakuläre Abläufe beinhaltet. Wie gut der effzeh mit dieser vermeintlich einfachen Spielweise ist, zeigen die Erfolge in der Hinrunde. Trotzdem ist eine Mystifizierung Stögers völlig undenkbar, auch deshalb, weil er sich nicht als Fußballprofessor gebärdet. Eine Analyse des Blogs “spielverlagerung” kommentierte er für den österreichischen Standard so: Von “einer Mischung aus situativer Offensivdreierreihe und einer typischen 4-4-2-Zweifach-Neun”, wie Kölns Taktik auf spielverlagerung.de skizziert wird, möchte Stöger nicht sprechen. “Damit kann ich gar nichts anfangen. Diese Begriffe existieren in meinem Repertoire nicht. Es gibt Laufwege, Formationen, taktische Anweisungen. Aber man kann es auch kompliziert machen.” Stöger hat es lieber einfach: “Sich mit wahnsinnig gescheiten Formulierungen in der Kabine zu profilieren wäre kontraproduktiv. Die Jungs müssen mich verstehen. Zum Glück bin ich nicht so gescheit.”
Abgesehen vom FC Bayern fiel es allen Topteams der Liga enorm schwer, gegen den effzeh zu punkten. Gegen die Gegner auf den aktuellen Plätzen 1-8 holte der effzeh 14 Punkte bei vier Siegen und je zwei Unentschieden und Niederlagen. Die Gegner auf den Plätzen 10-18 bereiteten dafür Schwierigkeiten: es gab für den effzeh 10 Punkte bei zwei Siegen, drei Niederlagen und vier Unentschieden. Einige Gründe hierfür sind offensichtlich: der effzeh kann gegen starke Gegner geordneter verteidigen, muss nicht selbst das Spiel machen, erhält mehr Räume zum Kontern und kann mit weniger Erfolgsdruck antreten. All das bieten die Gegner aus der unteren Tabellenhälfte nicht. Der effzeh machte häufig das Spiel und zeigte dann eben doch, dass er gerade erst anderthalb Jahre wieder in der Liga spielt. Sicher kann man sagen, dass hauptsächlich gegen die direkte Konkurrenz um den Nichtabstieg gepunktet werden muss und da zu viele Punkte liegen gelassen wurden. Man könnte umgekehrt aber auch sagen, dass die vermeintlichen Gegner auf Augenhöhe mittlerweile so viel Respekt vor dem effzeh haben, dass sie sich im Spiel lieber erstmal in der Defensive bedeckt halten. Mit etwas mehr Glück und weniger kuriosen Schiedsrichterentscheidungen hätte der effzeh zudem auch die Spiele gegen Hannover, Hoffenheim und Ingolstadt für sich entschieden – leistungsgerecht wären diese Siege allemal gewesen.
Tendenz? Steigend!
Peter Stögers Art, die Mannschaft auf- und einzustellen mag konservativer sein als bei anderen Trainern, doch der Erfolg gibt ihm Recht. Im Kalenderjahr 2015 hat der effzeh 45 Punkte geholt und liegt dort auf dem neunten Platz. Selbst wenn die Schwächen offensichtlich sind – Anfälligkeit bei Standards, schleppender Spielaufbau, schwache Flanken – sind sie klarer identifizierbar als in der vergangenen Saison. Die Steigerung des Niveaus lässt sich nicht nur in der Punktzahl ablesen. Die Mannschaft bleibt bis zum Spielende konzentriert und verliert nie den Glauben, die Spiele gewinnen zu können. Nicht umsonst hat sie 10 der 18 Tore in der Schlussviertelstunde erzielt. Im Gegensatz etwa zum HSV der vorherigen Saisons kommen diese Tore jedoch nicht (nur) durch grenzenloses Glück zustande, sondern wurden erspielt und erzwungen. Die Kondition der Mannschaft ist insgesamt hervorragend und die Zahl der Muskelverletzungen hält sich ebenfalls bislang in Grenzen.
Es ist eine weit verbreitete Weisheit, dass sich die wahre Stärke der Vereine und ihrer Verantwortlichen erst in Krisen zeigt. Der effzeh beweist aber seit rund zweieinhalb Jahren, dass es keine Krisenzustände braucht, um Stärke zu zeigen. Die eigentliche Stärke besteht in der Konstanz ihrer Vermeidung. Daran hat Peter Stöger einen großen Anteil. Gemeinsam mit Jörg Schmadtke, Alexander Wehrle, Jörg Jakobs und dem Vorstand hat er einen enormen Anteil an der Stabilisierung des Vereins, die einige bereits als die beste Situation bezeichnen, die es beim effzeh seit (mindestens) Mitte der Neunziger Jahre herrscht. Damals zeigte die Tendenz nach unten, das tut sie heute nicht. Die Verantwortlichen haben in ihrer Amtszeit sehr viel richtig gemacht, gerade in Köln schien es lange Zeit völlig undenkbar, dass man so etwas behaupten kann. Peter Stöger gehört dazu. Er alleine ist es nämlich nicht gewesen – die Zauberer arbeiten woanders.