Die “Wochen des Geißbocks” reißen nicht ab, ein Highlight jagt das nächste beim 1. FC Köln: nach dem ersten UEFA-Conference-League-Heimsieg wartet nun mit dem VfL Bochum ein Traditionsverein mit einem der schicksten Stadien Deutschlands auf den Gruppenersten der Conference-League-Gruppe D. Die gute Nachricht zuerst: Beim siegreichen Aufeinandertreffen mit den Tschechen hat sich anscheinend kein FC-Spieler verletzt. Im Gegenteil konnten sogar etablierte Spieler wie Jonas Hector, Ellyes Skhiri und Timo Hübers während der ersten 60 Minuten geschont werden, der in den vergangenen Wochen bärenstarke Florian Kainz konnte sogar gänzlich verschnaufen.
Personalgeschichten
Bis auf die Langzeitverletzten Mathias Olesen, Sebastian Andersson, Mark Uth und Jeff Chabot kann Trainer Steffen Baumgart also fast aus den Vollen schöpfen – lediglich den gelbrotgesperrten Luca Kilian gilt es zu ersetzen. Wie wichtig das oben genannte Triumvirat aus normalerweise gesetzten Spielern (Hector, Skhiri, Hübers) für ein Spiel sein kann, haben sie am Donnerstag Abend bewiesen, als sie das Spiel auf Anhieb beruhigten und an sich rissen, so dass es dem 1. FC Slovacko nicht gelang, das Momentum vollends zum Kippen zu bringen. Alle drei sowie der bereits erwähnte Kainz dürften daher in die Stammelf zurückkehren. Aber auch etwa ein Linton Maina hat Werbung in eigener Sache mit zwei Assists, der Ecke zum 1:0, vielen Tiefenläufen und viel Speed betrieben und die eher alte Abwehr des Gegners immer wieder vor Herausforderungen gestellt.
Offen ist lediglich, ob Nikola Soldo ebenfalls genug zu überzeugen wusste, um den gesperrten Kilian ersetzen zu dürfen oder ob Baumgart hier eher den erfahreneren Kristian Pedersen als linken Innenverteidiger aufbieten wird. Deutlich wurde im Spiel unter der Woche aber auch, wie viel ein Dejan Ljubicic der Mannschaft auf der “Zehn” geben kann – und wie weit Ondrej Duda derzeit davon entfernt ist, aktuell eine Bereicherung zu sein. Der Österreicher wird nach seinem Gala-Auftritt daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Vorzug erhalten. So oder so muss man retrospektiv festhalten, dass Baumgarts Rotationsspielchen aufgegangen sind, wichtige Spieler eine Verschnaufpause bekamen und zudem der im Stadion anwesende Neu-Coach des VfL Bochums, Heiko Butscher, keine zu tiefe Einblicke in die Mannschaft bekommen hat, die am Sonntag Nachmittag “anne Castroper” auflaufen wird.
Bochumer Überraschungspaket
Apropos Heiko Butscher: Dieser übernahm zu Beginn der Woche den Trainerposten vom glücklosen Aufstiegs- und Klassenerhaltstrainer Thomas Reis. Fußball ist eben Tagesgeschäft. Der vormalige U19-Trainer gilt als großes Trainertalent, auch wenn sein Team das in der diesjährigen U19-Bundesligasaison noch nicht ganz untermauern konnte (zwei Siege, ein Remis, eine Niederlage). Auffällig waren in seinen Spielen als Jugendcoach jedoch, dass er keine Lieblingsformation hat, sondern taktisch flexibel auf den jeweiligen Gegner reagierte und mal mit Dreier- mal mit Viererkette spielen ließ, mal mit Zweier-Sturm, mal mit drei Stürmern, jedoch nie mit nur einem Stoßstürmer. Meistens ließ Butscher sogar mit fünf Offensivspielern spielen – ob er dies auch in der Herren-Bundesliga wagen wird, wird abzuwarten bleiben.
Ein Stabilitätsfokus scheint bei einer eher verunsicherten Mannschaft mit null Punkten nach sechs Spielen und einem Torverhältnis von -14 eher dem Standardrepertoire neuer Trainer zu entsprechen. Dies ist der undankbare Aspekt, wenn man gegen eine Mannschaft mit einem fast völlig unbeschriebenen Blatt als Trainer spielen muss. Auch die Aufstellung ist noch völlig im Fluss. So könnte es genau ein Wiedersehen mit Dominique Heintz, Jannes Horn und Simon Zoller in der Startelf geben, wie dass die beiden erstgenannten erst einmal nur auf der Bank Platz nehmen müssen. Zoller dürfte hingegen auch bei Butscher gesetzt sein. Nicht spielen werden hingegen Paul Grave und Takuma Asano, beide fehlen verletzt.
“Es gibt die ein oder andere Position, bei dir wir noch überlegen. Wir sprechen im Trainerteam darüber. Natürlich sind die aktuellen Trainingseindrücke dafür entscheidend.”
Anders als Vorgänger Reis scheint es plausibel, dass Butscher versuchen wird, den starken Flankenfokus unter dem Ex-Trainer (Bochum ist die einzige Mannschaft, die noch mehr geflankt hat als der FC) etwas aufzuweichen und stattdessen über die schnellen Zoller und Gerrit Holtmann versuchen wird, in Tiefenläufe hinter die traditionell hochstehende Kölner Abwehr zu schicken. Das Tor zum 1:0 im 2:2-Rückspiel der vergangenen Saison lässt grüßen. So oder so will Butscher sich naturgemäß nicht in die Karten blicken lassen und natürlich auch abwarten, wie die Spieler sich im Training präsentieren:
Can they do it on a rainy night in Bochum?
All dieser personellen Gedankenspiele zum Trotz wird es für den FC – wie immer in diesen englischen Wochen – aber vor allem darauf ankommen, sich eine gewisse mentale Frische zu bewahren und die nötigen Einstellung zum Spiel zu finden. Nach der Eroberung der Tabellenspitze auf internationalem Parkett jetzt wieder gegen ein Kellerkind der Bundesliga um Punkte für den eigenen Klassenerhalt zu fighten – dieser Spagat gelingt nicht jeder Mannschaft. Dass die Beine irgendwann schwer werden, ist nicht verwerflich. Wichtig wird es aber sein, dann trotzdem über die Schmerzgrenze hinauszugehen und den inneren Schweinehund zu überwinden. Danach haben die Nicht-Nationalspieler ganze zwölf Tage spielfrei, es gibt also wenig Gründe, nicht noch einmal alle Reserven zu mobilisieren und die stete Frage zu beantworten: Can they do it on a rainy night in Bochum? Oder, auf Deutsch: Haben die “Geißböcke” Bock auf BOC? Gemäß dem Bonmot des VfL-Trainers auf der Spieltags-PK sollte das Motto sein: “Weniger labern, mehr machen!”
Top-Fakt
Butschers letztes Spiel als U19-Coach der Bochumer war ein Heimspiel. Der VfL verlor es mit 2:5. Der Gegner? Der 1. FC Köln.
So könnte der FC spielen
Schwäbe – Schmitz, Hübers, Soldo, Hector – Martel, Skhiri – Maina, Ljubicic, Kainz – Dietz