https://effzeh.com

Der 1. FC Köln vor der Mitgliederversammlung: Risse im Fundament

Foto: Ronny Hartmann/Bongarts/Getty Images

Beim 1. FC Köln steht die Mitgliederversammlung vor der Tür und Werner Spinner sorgt mit einem Interview für Wirbel. Es knirscht und knackt im FC-Gebälk – eine kommentierende Analyse.

Als wäre die sportliche Situation nicht Baustelle genug, gibt es beim 1. FC Köln derzeit auch abseits des Platzes einige Streitthemen. Neben der großen Frage, in welchem Stadion der Verein in Zukunft auflaufen wird, beschäftigt die Anhänger auch die Initiative “100% FC – Dein Verein”, die Anteilsverkäufe auch schon unter 25 Prozent mit einer Satzungsänderung vom Votum der Mitgliederversammlung abhängig machen will. Die Unterstützung des Vereins findet das Vorhaben allerdings keineswegs.

Zunächst reagierte der Club mit Schweigen auf den Vorstoß, bei der Saisoneröffnung keilte Präsident Werner Spinner dann aber doch aus und erklärte, dass er die Initiative als “Misstrauen” dem Vorstand gegenüber empfinde. Die Macher von “100%FC” betonten jedoch von Beginn an, dass sie den aktuell Verantwortlichen beim 1. FC Köln ein sehr gutes Arbeitszeugnis ausstellen würden – ihr Vorstoß sei nicht an den handelnden Personen orientiert, sondern ziele auf eine langfristige Absicherung für die Tage nach dem Team um Werner Spinner ab. Vorab informiert wurde der Verein von dem Vorhaben allerdings nicht – ein Umstand, der bei Spinner nachhaltig für Missfallen gesorgt hat.

Spinner sorgt mit Interview für Wirbel

Der Präsident der Geißböcke nutzte in der Woche vor der kommenden Mitgliederversammlung, bei der auch über den Antrag zur Satzungsänderung entschieden werden wird, nun das Vereinsmagazin “GeißbockECHO” für ein Interview, in dem er erneut Stellung zu “100%FC” bezog.

“Mich hat ja weniger der Antrag an sich geärgert als die Art und Weise, wie er eingebracht wurde.“ Die Initiative habe sich „dafür entschieden, mit der Abgabe des Antrags eine Kampagne zu starten, sich erstmal an die Medien und die breite Öffentlichkeit zu wenden, T-Shirts unter die Leute zu bringen und ohne jede Absprache mit dem Verein auf der Saisoneröffnung Flugblätter zu verteilen”, wiederholt der FC-Boss zunächst seine bereits bekannten Kritikpunkte. Dann holt Spinner etwas weiter aus. Es werde schließlich zusätzlich der “völlig groteske Eindruck erweckt, der Vorstand stehe kurz davor, gegen den Willen der Mitglieder den FC an irgendeinen obskuren Investor zu verscherbeln”, echauffiert sich der FC-Präsident. “So sollten wir in diesem Verein nicht miteinander umgehen.”

Aufregung über Initiative nur schwer nachvollziehbar

Die Aufregung Spinners ist allerdings nur schwer nachvollziehbar. Die Initiative hat in mehreren Interviews und auf ihrer gut gefüllten Webseite von vornherein deutlich gemacht, dass sie den aktuellen Vorstand in keinster Weise in Verdacht habe, Anteile des Vereins verkaufen zu wollen. Der Vorstoß dürfte seine Grundlagen wohl eher in der allgemeinen Entwicklung des Profi-Fußballs und dem quasi-hinfälligen Status der 50+1-Regel in Deutschland haben.

>>> Heimniederlage gegen Frankfurt: The Honeymoon is O-VAR

Schließlich gehört der 1. FC Köln als einer der letzten Clubs seinen Mitgliedern, ein Umstand, der diese durchaus mit Stolz erfüllt. Sorge darum, was nachfolgende Vorstände, die der Verlockung eines liquiden Investors erliegen könnten, ohne dafür die Mitglieder befragen zu müssen, entscheiden könnten, bedeutet im Umkehrschluss nicht automatisch Misstrauen gegenüber Werner Spinner. Anderweitiges hat man von Vertretern der Initiative, die erfolglos das Gespräch mit dem Verein gesucht haben, jedenfalls nie zu hören bekommen.

Zwar mag das Vorgehen ohne vorherige Kommunikation mit dem Verein an die Öffentlichkeit zu gehen aus Sicht des Präsidiums als feindseliger Akt aufgefasst werden, aktive Stimmungsmache gegen die Verantwortlichen kann man bei der Initiative aber objektiv betrachtet nicht erkennen – wie Spinner diesen Eindruck begründet, ist erst einmal nicht nachzuvollziehen.

Nächste Seite: Spinner sorgt mit vermeintlichem AfD-Vergleich für Aufregung

Auf die Palme brachte manchen FC-Fan allerdings eine ganz andere Aussage des Präsidenten, der seinen jährlichen Aufruf an die Mitglieder, zur Versammlung zu kommen für einen Vergleich mit der anstehenden Bundestagswahl nutzte. In einem großen Verein müssten Abstimmungen und Wahlen möglichst repräsentativ sein, erklärt Spinner zunächst. “Das sind sie nun einmal nicht, wenn eine engagierte, organisierte Minderheit an diesem Abend plötzlich bestimmend wird, weil die allermeisten Mitglieder zu Hause bleiben” führt er weiter aus. “Das ist wie bei einer Bundestagswahl: Je geringer die Beteiligung, desto stärker profitieren die Extreme.”

Vergleicht Spinner die Initiative mit der AfD?

Im Kontext des Interviews, das sich vordergründig um den Antrag von “100%FC” drehte, interpretierten einige FC-Fans die Aussage als Vergleich der Initiative mit radikalen politischen Parteien. Spinner dürfte mit seinem Vergleich allerdings nicht “Extreme”, die bei der Mitgliederversammlung etwa zur Wahl stehen (oder einen Antrag zur Abstimmung bringen) würden, sondern eher die zuvor beschriebene “engagierte, organisierte Minderheit” innerhalb der am Montag anwesenden Mitglieder gemeint haben. Angesichts der in den letzten Tagen vom “Südkurve 1. FC Köln e.V.” herausgegebenen Statements, in denen die Ultra-Gruppen Fragen zur Zukunft des Stadions gestellt und sich für die Initiative “100%FC” ausgesprochen hatten, scheint klar zu sein, wem Spinner bei seinem Vergleich die Rolle der “Extremen” zuschreiben dürfte.

Auf unsere Anfrage erklärte der Verein jedenfalls: “Herr Spinner hat – wie jedes Jahr – dafür argumentiert, dass möglichst viele Mitglieder zur Versammlung kommen. In diesem Zusammenhang hat er aus aktuellem Anlass auf die Bundestagswahl verwiesen. Eine Gleichsetzung der Initiative 100 % FC mit politischen Extremen ist weder gemeint noch beabsichtigt.” Die “engagierte, organisierte Minderheit”, die mit dem Vergleich tatsächlich gemeint gewesen sein dürfte, reagierte derweil auf die ihr eigenste Art und Weise und präsentierte beim Heimspiel gegen Frankfurt am Mittwochabend prompt ein Spruchband: “Ja zur Satzungsänderung!”, stand darauf geschrieben.

Und so ist es zwar möglich, dass die Worte Spinners tatsächlich ohne Hintergedanken in Richtung der Initiative als solcher und lediglich wegen der bevorstehenden Bundestagswahl gefallen sind. Wenig sensibel sind sie aber dennoch. Schließlich gibt es in Köln schon etwas länger erste Anzeichen für etwas, das Spinner, der einst angetreten war, um den Verein zu vereinen, zwischenzeitlich nahezu gänzlich hatte verschwinden lassen können: Kleine Risse im Fundament.

Erste Risse im Kölner Fundament

Die aufgeheizten Reaktionen einiger Anhänger auf das Interview sind jedoch neben der Sorgen um die Zukunft des Standorts Müngersdorf und einem ohnehin angespannten Verhältnis zwischen Club und aktiver Fanszene nur ein weiteres Zeichen für eine wahrgenommene beginnende Entfremdung von Verein und Anhängern, die sich nicht nur auf ausgewiesene Ultras zu erstrecken scheint. Der wenig dankbare Umgang des Vereins mit den überwiegend vollkommen friedlichen Fans, die zum Europapokal-Spiel nach London gereist waren, ist nur eines der jüngsten Beispiele.

>>> In eigener Sache: effzeh.com kooperiert mit Spiegel Online

Dennoch gilt: Der 1. FC Köln mag zwar mittlerweile knapp 100.000 Mitglieder haben, derartig leidenschaftlich, dass sie auch an einem Montagabend zur Mitgliederversammlung anreisen, sind jedoch die wenigsten. Ob es angesichts dessen ratsam ist, diese treuen paar tausend Fans, die alljährlich vor Ort sind, wenn der Verein seine Versammlung abhält, indirekt mit politischen Extremen gleichzusetzen, weil sie von ihrem Recht abzustimmen, Gebrauch machen, während viele andere darauf verzichten, sei – ob nun bewusst oder nicht – einmal dahingestellt. Mit dem einstigen Vorsatz, den “Verein zu vereinen”, scheint das Vorgehen Spinners allerdings nur noch wenig kompatibel zu sein. Und da muss die Frage, ob man in einem Verein so miteinander umgehen sollte, dann genauso erlaubt sein. Am kommenden Montag wird sie vermutlich aber ohnehin gestellt werden – kurioser Weise vielleicht sogar von allen Beteiligten.

ZurückSeite 1 von 2