Es ist nicht gewagt zu sagen, dass FC-Trainer Steffen Baumgart mit dem 3:1-Heimsieg gegen Hertha BSC am ersten Spieltag ein wenig Euphorie in Köln ausgelöst hat. Nicht nur war es der erste Auftaktsieg im Oberhaus seit der legendären Saison 2016/2017, welche die „Geißböcke“ nach Europa führte. Es war vor allem das „wie“, welches nach schwachen 30 Anfangsminuten die Zuschauer im Müngersdorfer Stadion von den Stühlen riss und ihren neuen Trainer am Ende des Spiels mit Sprechchören feiern ließ. Hohes Pressing, hohes Risiko, ansehnlicher Fußball – unter Baumgarts Vorgängern hatte es all dies nicht einmal im Ansatz gegeben.
Natürlich lief bei weitem nicht alles perfekt, die erste halbe Stunde spielten die Kölner schwach und hätte Ascacibar in der 81. Minuten nicht hauchdünn im Absatz gestanden und das 2:3 gezählt, dann wären die Kölner auch noch einmal ganz ordentlich ins Schwimmen gekommen. Und nicht zuletzt verlor der Gegner aus der Hauptstadt auch nach dem Ausgleich komplett den Faden. Und doch überwog das Positive. Es ist aber zumindest sehr unwahrscheinlich, dass der kommende Gegner der Kölner nach einem Gegentreffer genauso auseinanderbrechen wird, wie die Hertha. Denn die Reise führt den effzeh am Sonntag in die bayerische Landeshauptstadt, wo der Rekordmeister FC Bayern München zum Ausklang des zweiten Spieltags zum Tanz bittet und selbstverständlich eine ganz andere Herausforderung darstellt.
Baumgart wird auch in München seiner Linie treu bleiben
Das weiß auch Steffen Baumgart, doch zu seinen Eigenschaften gehört eine große Portion taktischer Gradlinigkeit. „Wir werden sie hoch anlaufen und früh drauf gehen“ verkündete der Cheftrainer entsprechend vor dem Spiel und man darf keine Sekunde daran zweifeln, dass er dies auch seiner Mannschaft als Marschrichtung mit auf den Weg geben wird. Bevor er jedenfalls seiner Mannschaft die Anweisung gibt den Mannschaftsbus vor dem Tor zu parken, um dann doch 1:5 oder 0:4 zu verlieren wie seine Vorgänger Gisdol oder Beierlorzer, würde er sich jedenfalls vermutlich eher die Zunge rausschneiden.
“Ich werde meinen Fußball nicht verändern, weil die Konstellation David gegen Goliath ist.”
Blauäugig geht Baumgart allerdings nicht in das Auswärtsspiel in München. Es wird schwer werden, das Ergebnis könne auch böse ausgehen, so der Cheftrainer. Doch die Historie mit Paderborn gegen die Bayern gibt Baumgart die Gewissheit, dass seine Herangehensweise nicht verkehrt ist. Mit 2:3 verlor er beide Spiele jeweils denkbar knapp – auswärts in München schoss Lewandowski seinerzeit sogar erst in der 88. Minute den für den Rekordmeister erlösenden Siegtreffer. „Dank Lewandowski: Bayern zieht den Kopf aus der Schlinge“ titelte das Fachmagazin „Kicker“ im Anschluss.
Dass es nicht einfach wird und der FC sein Gesicht im Vergleich zur letzten Saison geändert hat, blieb auch in München nicht unbemerkt. „Ein großes Kompliment an Steffen Baumgart, die Kölner haben es sehr gut gemacht am ersten Spieltag“, reflektierte Julian Nagelsmann den Sieg der Köner gegen Hertha und ergänzte: „Es wird kein leichtes Spiel, wir müssen da auf jeden Fall an die Grenzen gehen.“
Bevor man jetzt allerdings anfängt von Punkten in München zu träumen, muss man auch die Unterschiede zwischen dem SC Paderborn und dem 1. FC Köln beachten: Der FC spielt erst seit kurzem Baumgartfußball und die Automatismen können noch nicht ineinander greifen wie bei den Ostwestfalen während ihres Gastspiels in der Bundesliga. Man darf abseits der unterschiedlichen individuellen Qualitäten nicht die gleiche geschlossene Mannschaftsleistung erwarten, es wird zu Abstimmungsproblemen kommen, die Spieler wie Thomas Müller oder Weltfußballer Robert Lewandowski gnadenlos ausnutzen werden. Wer den Bayern Platz gibt und dann in der Restverteidigung nicht fehlerfrei agiert, wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Tore fressen.
Hübers und Schwäbe fallen aus
Auf das nackte Ergebnis sollte es also am Sonntag nicht ankommen, die große Frage ist die nach der Art und Weise. Kann die Kölner Mannschaft ihr Pressing auch gegen die Weltauswahl aus München passabel durchziehen, in der bayerischen Hintermannschaft Stressmomente auslösen und Ballgewinne tief in der gegnerischen Hälfte erzielen? Klappt die Strafraumbesetzung auch gegen Süle und Co., wenn man auf Außen zu Flanken kommt? Wie sattelfest steht die Innenverteidigung über 90 Minuten, wenn man mit Tempo, Platz und Klasse auf sie zuläuft? Hat Baumgart Modeste wieder so in die Spur gebracht, dass er auch bei einem möglichen schnellen 0:2 weiter mitarbeitet? Sollte man zu all diesen Fragen nach 90 Minuten aus Kölner Sicht ein wirklich zufriedenstellendes Fazit ziehen können, ist das Ergebnis zwar nicht egal, aber das Gefühl mit dem man nach Köln zurückreist könnte dennoch positiv sein, auch wenn das Ergebnis dies erstmal nicht vermuten lässt.
Dies gilt auch, weil Baumgart seine Abwehr bereits nach dem ersten Spieltag verletzungsbedingt austauschen muss. Timo Hübers fällt wegen Sprunggelenksproblemen aus, die sich ins Knie verlagert haben. Jorge Mere steht als Ersatz bereit. Qualitativ trennt die beiden vermutlich nicht allzu viel, dennoch ist ein verletzungsbedingter Wechsel gerade auf dieser Position selten optimal. Ebenso nicht nach München mitgereist ist Marvin Schwäbe, Talent Jonas Urbig steht als Ersatz damit zum ersten Mal im Profikader. Für Hübers rückt Kingsley Schindler in den Kader. Damit stehen nur zwei etatmäßige Innenverteidiger zur Verfügung, Baumgart verzichtete darauf den jungen Sava Cestic zu nominieren. Durchaus ein Fingerzeig in Richtung der Nachwuchskräfte, dass sie sich ihren Platz im Kader verdienen müssen, auch wenn der Verein auf Grund von finanziellen Sorgen auf die Jugend setzen muss.