Da musste wohl ganz viel raus nach dem Schlusspfiff. Steffen Baumgart ballte die Fäuste, ging etwas in die Knie und stieß einen Urschrei aus. Der Stress der vergangenen 97 Minuten suchte offenbar nach Möglichkeiten, sich möglichst schnell abzubauen und dazu vollführte Kölns Trainer anschließend noch ein kleines Tänzchen an der Seitenlinie, bevor er seinem gesamten Staff in die Arme fiel – glücklich über einen verdienten Sieg des 1. FC Köln bei Bayer Leverkusen.
Und er hatte allen Grund zum Glücklichsein. So zeigte sich sein Team von Beginn an auf Sendung, war wach und lieferte vor allem nach der Pause eine großartige Abwehrleistung ab. Im Sturm bewies der von vielen eher kritisch beäugte Davie Selke, dass er Torchancen auch unter großer Bedrängnis zu nutzen weiß und damit maßgeblich zur Lösung der Kölner Offensivprobleme beitragen kann. Und das gegen ein Team, das von vielen Beobachtern als das formstärkste der gesamten Bundesliga angesehen wird, zudem das Halbfinale in der Europa League erreicht hat und jede Menge individuelle Klasse besitzt. Auch daran wird Baumgart bei seinem Jubel gedacht haben. Als er sich schließlich nach zahlreichen Umarmungen auf den Weg zum Schiedsrichterteam machte, schüttelte ihm Leverkusens Trainer Xabi Alonso kurz die Hand, ein Lächeln wollte dem Spanier jedoch nicht über sein Gesicht huschen, zu bitter war wohl die Niederlage gegen den FC.
Umso süßer schien der Sieg für die Kölner zu sein nach all den Nebengeräuschen um die Spielverlegung durch die DFL und die Rolle von NRW-Innenminister und Bayer-Fan Reul. Entspannt und mit dem ihm eigenen trockenen Humor beantwortete Baumgart dann auch die Frage eines Reporters nach dem Inhalt eines Wortgefechts mit Simon Rolfes während des Spiels: “Wir haben uns über die Heimreise unterhalten und ich habe ihm Glück für Donnerstag gewünscht,” sagte er mit todernstem Gesicht.
Selkes Doppelpack vor der Pause führte zu einem verdienten Kölner Sieg
Das Nachbarschaftsduell mit Bayer nahm von Beginn an Schwung auf, die Leverkusener spielten mit Macht nach vorne, der 1. FC Köln versteckte sich nicht und suchte aus dem Defensivverbund immer wieder Möglichkeiten, auch selber Nadelstiche nach vorne zu setzen. Aus einem dieser Vorstöße resultierte das 1:0 durch Davie Selkes Kopfball nach Flanke von Florian Kainz (15.). Einer Unachtsamkeit bei einem Kölner Angriff entsprang dann der Ausgleich durch Amine Adli (28.), als der Konter über Diaby auf eine ausnahmsweise ungeordnete Kölner Defensive traf.
Knapp zehn Minuten später nutzte Baumgarts Team seinerseits einen schnell vorgetragenen Angriff über Jan Thielmann zur neuerlichen Führung, die erneut Selke nach perfekt getimter Flanke des Kölner Youngsters erzielte. Nach der Halbzeitpause erwartete man verstärkte Leverkusener Offensivbemühungen, doch die erste Chance bot sich Kölns Kapitän Jonas Hector, dessen Volley Bayers Keeper Hradecky noch über die Latte lenken konnte. Die restliche Geschichte des Spiels ist schnell erzielt: Bayer rannte an, konnte aber das Kölner Tor mit Ausnahme von Andrichs Kopfball (61.) nicht mehr gefährden. Im Gegenteil – Kingsley Schindler bot sich nach Flanke von Steffen Tigges die große Möglichkeit zum 3:1, er schloss jedoch zu zentral ab, Hradecky konnte parieren (89.). Nach 97 Minuten pfiff schließlich der gute Schiedsrichter Felix Zwayer die Partie ab und läutete damit die Kölner Feierlichkeiten ein.
Was in Erinnerung bleibt: Ein “team effort” und Torjäger Selke
Nach der Begegnung wurde Steffen Baumgart nicht müde, das intensive Spiel und die geschlossene Mannschaftsleistung, den “team effort”, seiner Mannschaft zu loben: “Es war ein sehr, sehr gutes Spiel von meinen Jungs. Wenn man sich die Laufdaten anguckt und wenn das stimmt, was ich gehört habe, mit 127 Kilometern, dann war das genau die Intensität, die ich gesehen habe. Ich glaube, wir haben gegen eine gute Leverkusener Mannschaft nicht unverdient 2:1 gewonnen,” sagte er nach der Partie.
“Es war ein sehr, sehr gutes Spiel von meinen Jungs.”
(Steffen Baumgart)
In der Tat setzte die Umsetzung des taktischen Plans ein Ineinandergreifen vieler Mannschaftsteile voraus. Wichtiger Bestandteil war es offenbar, die defensiven Außenbahnen zu verdichten – links durch Jonas Hector und Linton Maina, rechts durch Benno Schmitz und Jan Thielmann. Bei Bedarf halfen zusätzlich noch Ellyes Skhiri und Dejan Ljubicic aus, was den rasend schnellen Leverkusener Außenspielern den Platz nahm, ihr enormes Tempo auszuspielen.
Und da war noch Davie Selke. Bei beiden Toren setzte er sich gegen Leverkusener Abwehrspieler durch, beim ersten gegen Jonathan Tah, beim zweiten gegen Edmond Tapsoba – und zwar auf an eine Weise, die Erinnerungen an Anthony Modeste wach werden ließ. Besonders seine Vorarbeit zum ersten Treffer war bemerkenswert, als er im Leverkusener 16er zunächst von Hincapie abgedrängt wurde, aber sofort mit der gleichen Körperlichkeit dem Gegenspieler den Ball abluchste und eine Passfolge in Gang setzte, die er schlussendlich zum Führungstreffer vollendete. Konditionell muss Selke allerdings noch zulegen, erneut plagten ihn ab der 65. Minute arge Krämpfe, die wenig später Baumgart zur Auswechslung zwang.
Der nächste Gegner: Besuch aus der Bundeshauptstadt
Am Freitagabend (20 Uhr 30) erhält der 1. FC Köln Besuch aus der Bundeshauptstadt. Die Hertha kommt mit ihrem alten und neuen Trainer Pál Dárdai. Die Berliner haben am gestrigen Samstagnachmittag ihre wohl letzte Chance im Kampf gegen den Abstieg genutzt und den VfB Stuttgart zu Hause besiegt. Ein äußerst wichtiger Sieg, der Dárdais Team am kommenden Freitag in Müngersdorf stark motivieren wird.
Steffen Baumgart wird seinem Team sicherlich ans Herz legen, den Sprung über die magische 40-Punkte-Marke durch einen Sieg über die Berliner zu vollenden, gleichzeitig aber auch auf die hohe individuelle Qualität der Hertha hinweisen, die in keinem Verhältnis zum gegenwärtigen 18. Tabellenplatz steht. Benno Schmitz wird gelbgesperrt fehlen und wohl durch Kingsley Schindler ersetzt werden. Eric Martel steht wieder zur Verfügung, Steffen Baumgart hat hinsichtlich der Aufstellung die Qual der Wahl. Wünschen wir ihm eine glückliche Hand dabei.