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Spielerportraits

Das Vermissen ist vorbei

Viele Kölner Jungs haben einen simplen Traum. Für Marcel Risse geht er nun über Umwege in Erfüllung.

Foto-Credits: Marcel Rübesamen
Foto-Credits: Marcel Rübesamen

Foto-Credits: Marcel Rübesamen

Kennt ihr das? Wenn ihr mal was länger weg wart und ihr fahrt dann die Flughafenautobahn Richtung Köln, kommt um die Kurve auf den Zubringer nach Deutz und seht den Dom, die Arena, die Skyline? Oder ihr kommt aus Frechen und fahrt den Hügel hoch und plötzlich liegt die Kölner Bucht vor euch – mit dem Stadion und allem was dazugehört? Kennt ihr dieses Gefühl, nach Hause zu kommen?

Jeder Kölner kennt diese Momente, das wohlig-warme, das in einem aufsteigt, wenn man wieder dort ist, wo man hingehört, wo man herkommt. Es ist diese Art der Zuneigung zu einer Stadt, zu einer Ansammlung von Stahlbeton, die so viel mehr ist, als die Summe der Steine, mit der sie erbaut wurde – die Köln zu dem macht, was es ist.

Marcel Risse kennt das alles, ganz bestimmt. Er ist einer der vielen Kölner Jungs, die als Kinder angefangen haben in den kleinen Stadtteil-Vereinen dem Ball hinterher zu jagen. Für manche war es die SPVG Porz, für andere der SuS Nippes, für Risse eben die TuS Höhenhaus. Und der Traum, das Ziel war der große 1. FC Köln. Da wollen und wollten sie alle hin. Einmal, und sei es nur einmal, das Trikot mit dem Geißbock vor 50.000 Kölnern tragen, die Hymne mal vom Rasen mitsingen, ein Tor schießen vor der geilsten Kurve der Welt.

Überall im Business Fußball, würde man die Worte, die Risse fand, als bekannt wurde, dass er zum Effzeh wechselt, für branchenübliches Wischiwaschi halten. Für das übliche Gefasel, um sich beliebt zu machen bei den Fans des neuen Arbeitgebers. Doch einem Kölner Jungen will man glauben. Man kann ihm glauben, dass es mehr ist, als eine rein professionelle, karrieregünstige, rationale Entscheidung. Risse hatte laut eigener Aussage diverse Angebote von Erstliga-Vereinen, aber er wollte nach Köln.

In die zweite Liga, zu einem Verein, der finanziell auf der Rasierklinge tanzt, bei dem ein Aufstieg nicht gerade garantiert ist. Zu dem Verein, der sich innerhalb von zwanzig Jahren von einer Topadresse zu einem mancherorts belächelten Chaosklub entwickelt hat. Risse hatte die Wahl, und er hat sie getroffen.

Von der TuS Höhenhaus ging es wie für so viele begabte Kölner Jugendliche schnurstracks zur Jugend von Bayer 04 Leverkusen, dem Verein den vergleichsweise niemand liebt, der aber einiges so viel besser macht, als der große Name aus der großen Stadt. Risse durchläuft alle Jugendteams und wird dann zum 1. FC Nürnberg verliehen. Dort darf er zum ersten Mal in der Bundesliga ran und überzeugt.

Bayer holt ihn zurück und gibt ihn sofort wieder ab. Die nächste Station lautet Mainz 05 und dort gelingt Risse der finale Durchbruch in der Welt des Profifußballs. Zeitweise wird er zu den „Bruchweg-Boys“ gezählt, also zu den jungen Spielern, die in Mainz mitreißenden Offensivfußball zeigen. Doch mit der Entwicklung des Vereins, entstehen eben auch neue Probleme für Risse. Auf einmal ist er nicht mehr Stammspieler, sondern kommt hauptsächlich von der Bank. Zu oft bremsen ihn Verletzungen in entscheidenden Momenten wieder aus. Es ist Zeit zu Wechseln.

In Köln deutet sich währenddessen der Abschied von Eigengewächs Christian Clemens an, wie Risse ist Clemens ein Flügelspieler, allerdings einer der vom FC ausgebildet wurde. Und einer, der für die Zuschauer, die Fans sehr wichtig war in der letzten Saison. Ein “kölscher Jung” eben, einer dem man glaubt, dass der Effzeh nicht nur ein Mittel zum Zweck ist, sondern echte Leidenschaft. Doch genauso, wie einst für die Kölner Identifikationsfigur der letzten Jahre schlechthin, Lukas Podolski, ist für Clemens die Zeit gekommen weiter zu gehen, Neues zu wagen. Das nimmt ihm niemand übel.

Und es passt ja auch irgendwie. Es ist eine kölsche Geschichte: Der eine wird flügge, verlässt das Nest, in dem er groß geworden ist. Der andere kommt nach Hause. Ein Kölner geht, ein Kölner kommt.

So wie Risse jahrelang über die Autobahn nach Köln gefahren ist, mit diesem wohlig-warmen Gefühl, so wird es nun Clemens gehen, wenn er bald Freunde und Familie besucht.  Das Vermissen hört nicht auf. Auch wenn man den Traum im Rhein-Energie-Stadion aufzulaufen und ein Tor zu schießen mit dem Geißbock auf der Brust, schon gelebt hat. Für Marcel Risse aber, ist das Vermissen jetzt vorbei.

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