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Das Pfeifen im (Müngersdorfer) Walde

Halten wir einmal die Fakten fest: Der effzeh ist nach wie vor recht souveräner Tabellenführer. Da wir eine hippe Internetseite sind, könnte man in Neudeutsch auch sagen: Er kann ein Selfie von sich und der 2. Liga machen: Vorne zu sehen der effzeh, im gebührenden Abstand dahinter: Der Rest. Doch die spielerische Leichtigkeit aus dem Herbst scheint irgendwie teilweise abhanden gekommen zu sein. Das effzeh verlor im Spiel hin und wieder sein Gesicht, selten jedoch die Punkte. Grund genug für einige, ihrem Unmut Luft zu verschaffen. Durch allgemeines Genöle etwa, oder aber im engeren Sinne des Luft Verschaffens bzw. Luft Ausstoßens durch Verspitzung der eigenen Lippen. Weniger sammeresk/verklausuliert bedeutet das: Durch Auspfeifen des eigenen Teams.  

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Wir nahmen dies zum Anlass, eine Bewertung der aktuellen Saisonphase vorzunehmen und der grundsätzlichen Frage nachzugehen, ob es in Ordnung ist, die eigene Mannschaft auszupfeifen.

Lukas: Für mich sind Pfiffe im Stadion gegen die eigene Mannschaft ein absolutes Unding. Was meint ihr?

Rüdiger: Mein Problem ist, ich kann ja gar nicht pfeifen auch nicht aus dem letzten Loch. Aber mal im Ernst: Natürlich darf ein Fan seinen Unmut friedlich zum Ausdruck bringen. Das ist sein gutes Recht und dann kann man auch mit dem platten Spruch kommen: “Sie zahlen ja auch dafür”! Was aber in meinen Augen gar nicht geht, ist, dass man die Mannschaft in der wichtigsten Phase der Saison verunsichert. Fakt ist: Der effzeh ist souverän Tabellenführer – es herrscht endlich mal Ruhe im Verein, selbst die Presse rund um Köln honoriert die Arbeit der handelnden Personen inkl. der jungen Spieler. Ich finde es zum Kotzen, dass dann einige Sitzplätze anfangen, rumzunörgeln, nur weil der effzeh schwächere Spiele abliefert. Wenn mir was nicht gefällt und meine Nerven verrückt spielen, lauf ich an den Bierstand und kotz mich da mit anderen Fans aus, wenn ich nicht in der Lage bin, die Mannschaft anzufeuern. Zu pfeifen, ist kontraproduktiv und wird dem größtenteils sensationellem effzeh-Anhang überhaupt nicht gerecht. Und ganz Deutschland sieht es an einem Montagabend und denkt sich: “Wie bekloppt sind denn die Kölner?”. Ich hab mich echt aufgeregt!

Thomas: Ich würde, weil ich hier Meinungsgleichheit verorte, gerne den advocatus diaboli spielen. Das Problem ist: Mir fällt kein Grund ein, Pfeifen gut zu heißen. Letztlich ist es der Sieg des Egoismus, des eigenen Frustabbaus, über das Gemeinwohl. Denn: Besser geworden ist noch kein Spiel und kein Spieler durch das Auspfeifen. Auch am Freitag nicht. Hektik, Unsicherheit und noch mehr Fehler waren die Folge. Pfeifen ist und bleibt schäbig. Positiv ist die Antwort des Stehplatzbereichs zu werten, die das ganze Treiben umgehend niedergebrüllt haben. Gefiel mir sehr – und schien auch der Mannschaft gut zu tun. Für mich geht es als Fan im Stadion darum, seine Jungs da unten auf dem Rasen zu unterstützen. Wer seinen Frust über das Gesehene nicht ertragen kann, ohne die eigenen Mannen herunterzuziehen, sollte lieber zuhause bleiben. Oder an seiner Frustrationstoleranz arbeiten. Ergo: Nur Pfeifen pfeifen!

Rüdiger: Frustrationstoleranz! Ich arbeite dran, Thomas. Die Gaffelbrauerei freut sich immer, wenn ich im Stadion bin…Über die Außenmikrofone war die Reaktion der Südtribüne kaum wahrnehmbar, von daher konnte man wirklich den subjektiven Eindruck erhalten, dass das gesamte Stadion unzufrieden war. Ich sehe das auch etwas differenzierter. Klar ist das Ganze nicht hilfreich, ein Fan hat aber selten andere Möglichkeiten, seinen Unmut zu äußern. Nicht falsch verstehen, ich finde das ganze Gebaren nicht gut, kann es aber nachvollziehen. Dass man allerdings eine junge Mannschaft auspfeift, die an der Tabellenspitze steht, hab ich so noch nicht erlebt, und dann kann man ja mal über die Erwartungshaltung in diesem Köln reden. Was wollen die denn? Glauben die, der effzeh zerlegt jede Mannschaft 4:0? Ich versteh das nicht!

Thomas: Unzufrieden war sicher das ganze Stadion. Angesichts des Gewürges auf dem Platz sicherlich auch nicht zu Unrecht. Die Frage ist aber, wie ich das äußere. Die positive Aufmunterung der Südtribüne, die ich so laut lange nicht mehr erlebt hatte, ist mir da durchaus lieber als dieses destruktive Gepfeife. Es scheint dabei tatsächlich auch einen Unterschied zwischen Heim- und Auswärtsspielen zu geben. 
In Sachen Erwartungshaltung finde ich das derzeitige Lamento seitens des Vereins allerdings übertrieben. Ja, die Mannschaft ist jung. Ja, es läuft in Liga zwei auch als Spitzenreiter nicht alles von allein. Und ja, vor Wochen war noch alles tuttipaletti. Dennoch: Die Mannschaft hat sich, vor allem zuhause, im Jahr 2014 noch nicht von ihrer Schokoladenseite gezeigt. Dass da Unmut aufkommt, ist doch eh nachvollziehbar. Btw: Spinners Aussage im Express ist eines Verantwortlichen des glorreichen 1. FC Köln, der so gerne wieder ein “feiner Club” sein möchte, unwürdig. Hat etwas von dem “Geh doch nach drüben in die DDR” ferner (und mir unbekannter) Tage. Woher diese Dünnhäutigkeit derzeit kommt, ist mir ein Rätsel. Tabellarisch ist doch alles tuttipaletti. Man hat sportlich Ruhe, steht kaum unter Druck und kann weiter an den Details feilen. Aber diese Emotionalität kennt man bei Mr. President auch bei anderen Geschichten. In diesem Fall eher unschön, sonst generell zu befürworten. Er ist ja schnell von 180 wieder im normalen Modus.

Rüdiger: Als Beispiel: In der letzten Saison ging man mit dem sogenannten “Umbruch” in die Saison, spielte einen unschöneren Fußball als in den letzten fünf Spielen zusammen. Klar gab es da auch vereinzelt pfiffe, aber nicht in diesem Ausmaße wie am Freitag. Daher meine Frage der Erwartungshaltung. Und Spinner wird dort nicht direkt zitiert:
“EXPRESS:„Ich bin schon sauer, es ist ein Unding, die eigene Mannschaft auszupfeifen, zumal eine, die sich kämpferisch nie etwas zuschulden kommen lässt.“ Es gebe im Umland genug andere Stadien, fügte Spinner vierlsagend an!”
Ob er das wirklich so angefügt hat sei mal dahingestellt und sollte man auch nicht überbewerten. Im Prinzip hat er Recht!

David: Ich bin auch der Meinung, dass die Pfeiffer ruhig nach Gladbach gehen können. Dennoch sagt man sowas als Präsident natürlich nicht, da kann souveräner mit umgehen. Ich habe insgesamt kein Verständnis für die Pfiffe. Klar, die zweite Halbzeit war nun wirklich kein spielerischer Leckerbissen – das wissen die Jungs allerdings auch selbst. Und zunächst einmal ist deren Aufgabe, zu gewinnen, nicht das Stadion zu unterhalten. Das ist eine nette Zugabe, aber nicht deren primärer Job. Daher verstehe ich die Pfiffe nicht. Und erst recht nicht, wenn sie sich gegen jemanden wie Bart Finne richten. Das ist eine absolute Sauerei, den Jungen auszupfeifen – unabhängig davon, wie seine Leistung war (die in meinen Augen anfangs durchaus gut war). Von daher stehe ich da auch eher auf Seiten Spinners: Wer ins Stadion kommt, um gegen die Mannschaft zu arbeiten, der soll zuhause bleiben und “Mensch ärgere dich nicht…” zocken.

Patrick: Die Pfiffe waren vor allem zu dem Zeitpunkt des Spiels auch absolut blöd, weil sie die Mannschaft zusätzlich verunsichert haben. Kritisieren kann man auch nach dem Spiel noch. Aber das gesamte Team hat 90 Minuten plus Nachspielzeit, den eigenen Bockmist wieder zu begradigen. Und dabei hat sie mal per se unser aller Unterstützung verdient, und zwar auch 90 Minuten plus Nachspielzeit. (Wobei ich auch Pfeiferei nach dem Spiel nicht grundsätzlich gutheiße).

David: Darauf wollte ich auch noch hinaus, nach dem Spiel pfeifen ist nicht schön, aber legitimer.

 

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Patrick: Und im Grunde geht es ja auch um die permanenten Nörgler. Klar hat man Lieblinge, klar hat man auch Spieler, die man nicht so gerne sieht. Den Chihi oder auch den Nova habe ich schon immer kritisch gesehen. Aber niemals hätte ich die ausgepfiffen oder brüllend niedergemacht. “Was ist das für ein Idiot? Wieso wird der nicht ausgewechselt? Der kann doch gar nix! Dieser Vollpfosten!” Nicht selten wird so auf den Rängen getönt, und zwar lauthals. Denken kann man das ja, aber das lauthals zu propagieren ist kontraproduktiv.

Rüdiger: Mal im Ernst: Warum haben die Menschen eigentlich das Verlangen, zu pfeifen? Ich hab während der 90 Minuten echt anderes zu tun. Fingernägelkauen, anfeuern, meinen Nachbarn anbrüllen, zum Bierstand gehen, etc. Man muss doch wissen, was das auf die Mannschaft ausübt. Zudem ist es auch noch ein furchtbares Geräusch für den Nebenmann. Wer zur Hölle steht schon auf Tinitus? Das Schlimme ist ja, dass sich diese Form in Deutschland irgendwie etabliert zu haben scheint. In England sieht man das höchst selten. Und gerade dass die FC “Fans” das machen, ist schon sehr traurig! Die ach so toleranten Kölner pfeifen ihr eigenes Team aus und wundern sich, dass die Mannschaft nichs mehr auf die Reihe bekommt. Da werde ich wahnsinnig!

Thomas: Sehe allerdings noch einen Qualitätsunterschied zwischen dem einzelnen Nörgler und einem “orchestrierten” Pfeifkonzert gegenüber der Mannschaft oder (noch schlimmer) einem einzelnen Spieler. Das gehört sich nicht, das entspricht auch nicht meinem Werteverständnis. Bezüglich der Erwartungshaltung: Ist doch klar, dass die steigt. Einerseits hat die Mannschaft schon gezeigt, dass sie es besser kann (im Gegensatz zum Stanislawski-Bockumstoßen-Kackstift-Brutalmarschieren-Fußball der letzten Saison), andererseits spielten wir gegen den Tabellenletzten. Da in der zweiten Halbzeit so ein grausames Gewürge abzuliefern, kann einen wütend machen.

Patrick: Klar macht das einen wütend. Aber wie oft macht mich das Verhalten meiner Kinder wütend, und ich pfeife sie nicht aus. Ok, schlechter Vergleich…
Das Problem ist aber ein anderes. In Köln gehört es seit Jahr und Tag dazu, auf den effzeh zu schimpfen. Das ist vielleicht auch Stückweit Mentalität. Wir lieben unsere Stadt, schimpfen aber auf alles, was die Stadt ausmacht: die KVB, die Verwaltung… und eben auf den effzeh. Der Kölner beschimpft scheinbar gerne, was er liebt. Ich lerne Menschen kennen, die über den effzeh schimpfen, als wäre das der letzte Verein, zu dem sie ins Stadion gehen würden. Und wenn ich dann frage, zu wem er/sie denn hält, kommt “Na, zum effzeh NATÜRLICH!” Da wird kritisch sein mit Beschimpfen und Verunglimpfen verwechselt.

Thomas: Man kann zu diesem Fleckchen Erde allerdings auch eine gepflegte Hassliebe entwickeln. Empfehle zu diesem Thema die Wise Guys mit “Köln ist einfach korrekt” (lacht).

Patrick: Eben in diesem Sinne. Hassliebe ist da das richtige Wort. Gibt es das Wort eigentlich in ganz Deutschland oder nur in Köln? Ich denke aber auch an all die ewigen Nörgler über Brecko. Kaum hat der den Ball, holen die schon Luft, beklagen selbst Pässe oder Flanken, die ankommen. Geht dann mal was schief, geht die Schimpferei richtig los. Ich immer: “Lass doch mal den Brecko in Ruhe. Er macht das so gut er kann, und einen besseren haben wir nicht.” Dann lachen die. Aber ich finde das gar nicht witzig, eher unwürdig.

Luka: Ich habe das Ganze gepflegt auf meinem fetten Hintern sitzend auf der Couch verfolgt. Insofern müsste ich eigentlich der Prototyp des nörgelnden, besserwissenden und -könnenden Fans sein, der Muskelkater im Arm von der ständigen Abwink-Bewegung bekommt. Bin ich aber übrigens nicht, das nur am Rande, aber was viel wichtiger ist: Am Freitag ging mir durch den Kopf, dass es eine vorhersehbare Niederlage werden könnte, gegen den typischen Underdog, mit dem Rücken zur Wand, nichts zu verlieren, einen schäumenden Trainer am Rand irrwischend. Das fand ich dann natürlich unerfreulich, aber auch nicht wirklich einen Grund, um darüber über die Stränge schlagend unzufrieden sein zu müssen. Es ist nämlich so, dass ich der aktuellen Mannschaft inkl. Trainer und Vereinsführung so viel Sympathie entgegenbringe, dass ich gut damit zurechtkomme, wenn sie sich einfach einmal eine Schwächephase erlaubt (übrigens lieber jetzt als 5 Spieltage vor Ende der Saison). Anders sieht es bei mir aus, wenn da unten Spieler über den Platz lümmeln, denen alles wurscht zu sein scheint und denen ich nicht abnehme, dass sie wissen, was sie da anrichten, wenn sie nicht alles in die Waagschale werfen. Aber die aktuelle effzeh-Generation erweckt auf mich zu 0,0 diesen Eindruck. Wenn es nicht läuft, dann deshalb, weil sie es in dem Moment einfach nicht besser auf die Pfanne bekommen. Und nicht: Weil sie keine Böcke haben. Und wenn man etwas in einem bestimmten Moment nicht besser kann, weil bspw. das Wetter kacke ist, weil mancher Magenfiepen oder schlecht geschlafen hat oder aber: einfach der Gegner gut eingestellt ist (!), dann ist es nicht hilfreich, wenn dann von außen die Messer gewetzt werden.

Martin: Man muss ja immer mit zweierlei Maß messen. Wenn ich 100 Euro für ein scheiß Länderspiel in Stuttgart ausgebe, weil ich die Bayern-Stars sehen will und die Bayern-Stars, die im Verein alles so wirklich richtig krass wegmähen, wenn die dann auf einmal alle Fehlpässe der gesamten Saison liefern und komplett lustlos wirken, dann würde ich vielleicht pfeifen. Kann ich übrigens genauso wenig wie der Rüdi. Ganz ehrlich: Jeder, ja jeder hat gesehen, dass ein paar Spieler da auf dem Feld, sicher nicht 100 Prozent gegeben haben für ihr Land. Geht nicht. Da darf man sauer sein. Verständlich. Vor allen Dingen deshalb verständlich, weil ich damit bei einem TESTspiel zum Ausdruck bringe: Okay Jungs, finde ich nicht okay. Nehmt das mal so hin. Wenn ich jetzt aber in einem richtungsweisenden Spiel einen armen Teenie-Debütanten auspfeife, der sich die ganze Zeit voll ins Zeug legt und dann mal drei, vier unglückliche Szenen habe, dann denk ich mir: Herr, lass Hirn vom Himmel regnen. Kein Mensch bei klarem Verstand kann das gut finden. Es ist logisch nicht erklärbar. Nun ist allerdings bekannt, dass beim Fußball nicht nur Menschen herumlaufen, die vor dem Spiel eine offene Diskussion über die letzte arte-Themenwoche führen. Von daher ist es auch müßig sich immer wieder darüber aufzuregen, wenn Menschen pfeifen. Das kann man nicht verstehen. Das ist nicht gut. Das ist demoralisierend. Glücklicherweise hat die Kurve dieses Mal alle richtig gemacht: Sie hat reagiert! Klasse, wie die Pfiffe sofort mit Sprechchören überschallt wurden. Genau das hat der Mannschaft Aufwind gegeben. Leider werden das viele Menschen nie nie verstehen. Und manchmal verstehen sie es vielleicht, reagieren aber instinktiv anders. Pfiffe kommen ja oft auch aus der Emotion heraus. Falsch sind sie trotzdem, ich bin aber stolz auf den Großteil unserer Fans, denn die Pfiffe waren in der Minderheit. Genau so muss das bleiben.

Luka: Davon abgesehen (wie ich auch schon mit anderen Worten in meiner Vorschau schrieb): WIR SIND TABELLENFÜHRER, VERDAMMT! Was soll das Geheule?

Patrick: Aber am Ende der Saison darf ich dann pfeifen, oder? Zur Melodie von “Nie mehr, zweite Liga! Nie mehr! Nie mehr!”…

 

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