Der Rekordmeister und Bundesliga-Spitzenreiter aus München reist am Samstag in die schönste Stadt Deutschlands: Wir haben mit Thomas Poppe gesprochen, dessen Stärke, der Humor, bei den Antworten beachtet werden sollte.
Zu den Spielen unseres geliebten und glorifizierten ersten Fußballclubs Köln werden wir auch in dieser Saison einem Fan der gegnerischen Mannschaft ein paar Fragen stellen. Und weil Gegner ja immer irgendwie “auswärts” sind, egal ob der effzeh zu Hause oder auf fremdem Platz antritt, und weil die Sichtweise von “auswärts” kommt, heißt die Kategorie folgerichtig “Auswärtsspiel”. Wir sind nicht nur gespannt, wieviel effzeh in den Anhängern der anderen Bundesligisten steckt, sondern erwarten auch eine Einschätzung zur Situation der eigenen Mannschaft.
Am Aschermittwoch war alles vorbei, der Nubbel ist verbrannt, also alles auf Anfang. Und ausgerechnet da kommen die Bayern nach Müngersdorf. Was spielt in den Köpfen der Spieler wohl eine Rolle, der Beinahe-Sieg des effzeh im Hinspiel? Oder doch eher das 8:0 gegen den HSV am letzten Bundesliga-Spieltag? Wie könnte der effzeh die großen Bayern mal wieder ärgern? Über diese Fragen haben wir uns mit Thomas Poppe (@DerPoppe) unterhalten, der für den Online-Auftritt der Heute Show schreibt und bei Twitter eine kleine Berühmtheit ist.
effzeh.com: Die erste Frage musst du mir verzeihen, aber wie, um Himmels Willen, konntest du nur Bayern-Fan werden?
Thomas Poppe: Nun, wo die Liebe hinfällt. Es ist ja bei Nicht-Erfolgsfans eigentlich immer nur ein Moment, ein Spieler oder ein Impuls von zu Hause, der einen zum Fan macht. Ich fand einst Ludwig Kögl toll, meine Mutter schaute die Bayernspiele daheim und das Finale gegen Porto hat mich damals eng mit den Jungs verbunden. Eine meiner jüngsten Erinnerungen überhaupt ist dieses Hackentor von Madjer und bis es den Henkelpott wirklich gab, muss ich 19 Jahre alt werden.
Wie bist du bislang zufrieden mit der Saison und vor allem mit Carlo Ancelotti?
Foto: Lennart Preiss/Bongarts/Getty Images
Poppe: Es ist eine Hassliebe, denn eigentlich kann man Ancelotti für die Ergebnisse nur feiern. CL-Viertelfinale scheint sicher, solider Vorsprung in der Liga und das Team scheint – wie das eben seine Philosophie ist – zum Saisonendspurt immer mehr ins Rollen zu kommen. Natürlich fehlt der Überfußball von Pep schon ein wenig, man wurde ja unendlich verwöhnt in den letzten Jahren und so ist das dann einfach seltsam, wenn du plötzlich daheim auch mal 1:1 spielst oder immer wieder bis zur Nachspielzeit zittern musst. Ich persönlich schaue Fußball aber vor allem für diese Explosionsmomente, wenn man aus dem Sessel springt und auf den Knien vor den Fernseher rutscht. Die hatte ich dank Ancelotti schon öfter als dank Pep, wo es schnell 3:0 stand.
Als Pep Guardiola noch da war, hagelte es Kritik, weil er die Champions League nicht gewinnen konnte. Seit Pep weg ist hat man das Gefühl, Presse und Fans heben seine Arbeit plötzlich in den Himmel. Ist Ancelotti denn jetzt besser oder schlechter?
Poppe: Ich mochte Pep und hätte ihn gerne noch mal zwei bis drei Jahre in München gesehen, weil ich glaube, dass er auch zumindest zwei Mal viel Pech in den Halbfinals der Champions League hatte und sonst nichts falsch gemacht hat. Außer sich ein Mal krass zu vercoachen. Was man Ancelotti vorwerfen kann und muss, er trainiert für das Jetzt. Da sitzt ein Kimmich, der unter Pep zum Stammspieler wurde, auf der Bank, weil er lieber einen erfahrenen Alonso sehen will. Sanchez bekommt quasi null Chance, bei Coman ist es schwer zu sagen, weil er lange verletzt war. Aber Pep hat eindeutig mehr versucht um erstens jüngere Spieler einzubauen und zweitens die Stärken eines jeden Spielers auf allen Ebenen zu testen. Lahm auf der 6 und Alaba als Innenverteidiger waren ja das beste Beispiel, da kennt Ancelotti nichts, da sind Lahm und Alaba die Außenverteidiger, wo du eigentlich in der Liga Kimmich und Bernat viel öfter heranführen müsstest, weil Lahm aufhört und Alaba weiter vorne interessant wird, wenn Alonso aufhört. Mit Ancelotti kann man die Champions League gewinnen, aber auch den Umbruch verpassen.
Was für einen Fußball lässt der Italiener Ancelotti spielen, wer sind die Schlüsselspieler in einem Team voller Stars?
Poppe: Bei Pep gab es ja quasi Neuer, neun Spieler auf der 6, die einen großen Kreis bildeten und vorne Lewandowksi oder Müller. Ancelotti wollte 4-3-3 spielen lassen, merkte aber irgendwann, dass das viel zu flügellastig ist und baut jetzt auf Thiago auf der 10. Auf der 6 sind Vidal und Alonso seine Lieblinge, hinten Martinez und Hummels gesetzt, bis Boateng wieder fit wird. Lewandowski findet sich immer mehr in das System ein, das 4-3-3 schmeckte ihm auch nicht so, Müller trifft zwar noch nicht, wird aber so auch wieder wichtiger.
Auf der nächsten Seite: Die Zoller-Situation, bayerische Schwächen und Schmadtke-Gerüchte
Erinnerst du dich an das Hinspiel gegen den effzeh? Was hast du gedacht, als Simon Zoller in der Nachspielzeit den Kölner Siegtreffer auf dem Fuß hatte?
Poppe: Damals ließ Ancelotti eine B-Elf ran, wenn man das bei den Bayern so nennen kann. Rafinha, Bernard, Kimmich, Sanchez – davor hatte man gegen Madrid gespielt. Ich weiß, dass Bayern in der 1. Halbzeit das 2:0 verpasste und am Ende mit dem 1:1 ganz gut leben konnte. Das Modeste-Tor war natürlich Sahne. Bayern hat nach dem 1:1 damals ziemlich den Faden verloren, das passiert im Moment nicht mehr, da schaltet man eher zwei Gänge hoch und macht selbst die Bude. Ich erinnere mich auch noch, dass Horn einen Volley von Müller an die Latte lenkte. Der Konter über Zoller hat dann mein Herz kurz stehen lassen. Das Remis war in Summe ok, denke ich.
Wie hast du die Saison beim effzeh bislang gesehen? Hast du Angst?
Poppe: Angst hast du ja als Bayern-Fan maximal vor den drei Wuchtbrummen aus Spanien. Es ist halt auch so, dass du als Bayern-Fan wenige Kracherspiele bekommst. Die Liga ist in den letzten Jahren selten lange spannend. In der Champions League bleibt meist ein Viertel- und ein Halbfinale und im Pokal das große Spiel in Berlin, außer man bekommt den BVB schon vorher gelost. Deswegen freue ich mich sehr über jede Begegnung, die recht offen ist und dann noch recht unberechenbar. Der effzeh ist variabel, eine gute Truppe, in der du nicht den Star ausschaltest und Ruhe hast, sondern eine schöne Mischung aus Arbeitern und Kickern, die mit Modeste einen perfekten Knipser gefunden hat, der vielleicht in 10-12 anderen Bundesligateams nicht funktionieren würde. Grundsätzlich freu ich mich einfach mal wieder auf Bundesligaluft im Stadion, so oft kam ich da die letzten Jahren leider nicht dazu.
Wie kann die junge Kölner Mannschaft den Bayern gefährlich werden? Habt ihr Schwächen?
Poppe: Schnelles Umschalten, da sind die Bayern diese Saison gerne mal etwas langsam in der Rückwärtsbewegung. Und dass man Techniker am meisten ärgert, wenn man ihnen auf den Füßen steht, ist ja kein Geheimnis.
Wen aus dem Kölner Team könntest du dir in München vorstellen?
Poppe: Jonas Hector wäre jetzt im perfekten Alter um zwei Jahre in München auf der Bank zu sitzen. Aber Spaß beiseite, ich denke er könnte als Linksverteidiger die Alaba-Rolle einnehmen und müsste einen Stammplatzkampf mit Bernat nicht scheuen. Timo Horn ist ein geiler Typ, aber Neuer spielt noch zu lange, als dass das Sinn machen würde.
Zuletzt gab es ja auch kurz Gerüchte um Jörg Schmadtke als Sammer-Nachfolger. Wäre das für dich eine Möglichkeit?
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Poppe: Ich fand den Sammer-Posten immer obsolet. Am Ende war er halt auch nur ein Lautsprecher von Kalle, der die Aufmerksamkeit von der Mannschaft weg lenken sollte. Solange Hoeneß und Rummenigge so viel Macht ausstrahlen, wird es jeder auf dieser Position schwer haben. Grundsätzlich halte ich Max Eberl – auch wegen seiner Vergangenheit in München – für den besten Kandidaten, kann die Arbeit von Schmadtke in Köln aber auch nur loben. In München sind aber ein Scout wie Reschke und ein großartiger Nachwuchskoordinator gerade viel wichtiger.
Peter Stöger stellt seine Mannschaft taktisch stets variabel auf. Für einen Club wie den 1. FC Köln ist das durchaus erwähnenswert, immerhin verfügen wir über einen relativ kleinen Kader. Wie erwartest du Köln im Heimspiel gegen den Rekordmeister?
Poppe: Das ist ja immer die eigentliche Spannung bei den Bayern-Spielen: Wie verhält sich der Gegner? Mauern und auf Konter lauern, mitspielen oder einen guten Mittelweg finden – alles ist möglich und ich traue Stöger auch zu, hier gleich alle drei Möglichkeiten in der 1. Halbzeit durchzuspielen, weil er das Team dazu hat. Ich rechne mit einem verhaltenen Start der Kölner – die Null sollte erst mal stehen und dann wird man langsam kommen.
Auf der letzten Seite: Kölsche Europa-Träume, Brausekonkurrenz und #KOEFCB
Der effzeh ist in dieser Saison so nah dran an den internationalen Startplätzen wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Haben wir das Zeug für Europa?
Poppe: Ich wünsche mir diese Saison wirklich mal wieder zwei bis drei Teams in Europa, die da selten bis nie waren. Leipzig müsste da jetzt nicht dabei sein, aber selbst Hoffenheim würde ich mal das internationale Geschäft gönnen. Dazu gerne die Eintracht und Köln. Ich brauche nicht schon wieder Leverkusen, Gladbach und Schalke. Am Ende ist es immer ein geiler Erfolg, der aber die Folgesaison mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer mit ein paar Highlights unter der Woche und wesentlich mehr Tristesse am Wochenende macht. Da fehlt den Überraschungsteams einfach die Breite im Kader, dann gehen gerne mal ein oder zwei Leistungsträger und man kann so schnell gar nicht aufholen, auch wenn Kohle reinkommt. Könnte durchaus sein, dass Köln, Frankfurt, Hoffenheim, Leipzig und die Hertha international spielen und vier davon dann 2017/18 das Quartett von Platz 10-13 bilden. Aber um die eigentlich Frage zu beantworten: Ja, habt ihr.
Was fehlt vielleicht noch, um auf Dauer oben mitmischen zu können?
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Poppe: Dazu müsste man “oben” genauer definieren. Ganz oben werden – und selbst ich sage da “LEIDER” – sich die Bayern festsetzen, maximal Leipzig und Dortmund irgendwie halbwegs ärgern. Aber von vier bis sieben kann Köln die nächsten Jahre weiter mitspielen. Der Trainer- und Managerjob wird bei Teams wie Köln immer wichtiger. Beispiel Modeste – klar sind 50 Millionen für Köln der Hammer, aber wenn du dann dafür wieder nur zwei Luftpumpen kaufen kannst, haben sie dir eben nichts gebracht. Im richtigen Moment auch mal “Nein” sagen, Spieler zu kleinen Preisen holen, die 100% ins Team passen und sich identifizieren, das Team über den Einzelspieler stellen – nur so kannst du erfolgreich bleiben. Stöger ist da aktuell der perfekte Mann. Wichtig wird sein, wie schon in der Frage davor erklärt, dass man sich möglichst breit aufstellt ohne damit Unruhen im Team zu erzeugen und keine wilden Geldwerfereien anfängt.
Wie sehr fürchtest du die finanzstarke Brausekonkurrenz? Wird der FCB trotzdem Meister?
Poppe: Man muss ja froh über jeden Gegner sein, der die Saison spannender macht. Der BVB oder auch mal wieder ein Team wie einst Werder Bremen oder in den 70ern Gladbach wären mir natürlich hier lieber gewesen. Ich glaube, RB wird nächstes Jahr mit internationaler Belastung nicht mehr so weit vorne stehen. Aber auf lange Sicht werden sie sicher auch mal Meister werden, sich mit der RB-Kohle oben festspielen. Das Konstrukt FCB hat sich in den letzten zehn bis 15 Jahren aber zu weit vom Rest der Liga entfernt, um länger als ein Jahr am Stück nicht Meister zu werden. Das finde selbst ich traurig, aber das ist leider die Wahrheit. Wenn Leipzip in zwei Jahren Meister wird, holt Hoeneß 200 Millionen raus und die Saison danach werden es 15 Punkte Vorsprung. Das hat einst mit Luca Toni und Ribéry begonnen und wird auch jetzt noch mit anderen Dimensionen funktionieren. Denn: Die Bundesliga ist für die ganz großen Stars ein Anlaufpunkt, weil man mit Bayern die Champions League gewinnen kann, pünktlich gutes Geld auf dem Konto hat und in einem angenehmen Umfeld lebt. Und einen Klinsmann mit dem man um Platz vier bangen muss, wird es in München so schnell nicht mehr geben. Mit Pep und Ancelotti ist auch hier die Latte so hoch, dass man eigentlich jeden haben kann.
Worauf freust du dich am Samstag im Müngersdorfer Stadion am meisten?
Poppe: Das wird mein drittes Bayernspiel in Köln und es war jedes Mal speziell. Einmal traf Klinsmann nach langer Torflaute, einmal gab es verspäteten Anpfiff und Bayern musste mit Leibchen ran, weil der falsche Trikotkoffer eingepackt wurde und am Samstag, da wird Müller sein 1. Saisontor erzielen – zum 2:1-Endstand. In der 98. Minute natürlich.