Es gibt nicht viele Menschen, die einen packen. Die einen emotional mitnehmen und durch diese Emotionalität Kräfte wecken und damit dann auch etwas zurückgeben. Es gibt erst recht nicht viele Trainer, die aus sich heraus versuchen einen Klub , bei dem sie angestellt sind, zu verstehen. Im Ganzen! Um daraus dann ein Symbiose des Erfolgs zu bilden.
Oder einfacher gesagt. Es gibt nicht viele Dortmunder Klopps auf der Welt.
Bei Holger Stanislawski bekommt man das erste Mal seit sehr langer Zeit den Eindruck, dass da jemand ist, der seinen Posten ernst nimmt. Der daraus schöpfen will, dazu lernen will, aber auch etwas gibt. Vielleicht etwas, was gerade dem 1.FC Köln gut tun wird, Ruhe, Sachlichkeit und Leidenschaft!
Kein Messias!
Den hatte man hier. Hier in der alten Stadt zu Genüge. Kinder wurden auf peinlichste Weise von Habemus Daum gesegnet. Trainingseinheiten wurden zu Messen, bei denen der heilige Vater auf dem Platz stand. Die heilige Kommunion wurde abgehalten, oft auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Zu Tausenden kamen die Jünger und hielten ihre Kinder dem Deus entgegen beim Amtsantritt. Als der sich in Luft auflöste zum letzten Kreuzzug gen Mekka, demnach durch diesen Verrat mit Judas verglichen wurde, ließ man kurzer Hand einen Spieler zu Jesus erheben. So schnell gehts hier.
Leicht ist es nicht im katholischen Köln.
Der Rauch lichtet sich.
Holger Stanislawski will gerne „Stani“ genannt werden. Die Spieler dürfen ihn duzen. Einen Daum duzte man nicht. Das hat was mit Autorität zu tun, sagt man.
Blödsinn sage ich. Ich habe meinen ehemaligen Tutor auch „Rolf“ nennen dürfen, hatte dennoch einen Heidenrespekt vor ihm, Anerkennung und Vertrauen! Naja damals hörte man auch „The Smiths“ und nicht „Justin Bieber“, aber das ist ja ein generelles Problem.
Stani weiß genau auf was er sich eingelassen hat, als er einen Vertrag beim morbiden Riesen unterschrieb. Er wusste, um die Schwierigkeiten des Vereins, sowohl den finanziellen als auch den medialen. Aber gerade das macht die Sache für ihn so interessant. Etwas aufbauen will er und das am liebsten für eine längere Zeit. „ Es ist eine unheimliche Ehre für so einen großen Klub arbeiten zu dürfen! Bei aller Tradition und Titel, haben wir nun natürlich eine schwierige Situation: Finanzen, Umbruch all diese Dinge, die wir gerade anschieben und anpacken. Aber es macht wahnsinnig viel Spaß! Wir sind wirklich super gerne hier und hoffen natürlich, dass wir ein bisschen länger bleiben können, als nur ein paar Monate oder nur 2 Jahre. Sondern dass man hier vielleicht, sukzessive, so richtig was aufbaut.“ An solchen Sätzen erkennt man den Teamplayer Stanislawski. Er redet im Plural, nie von sich alleine. Ein Trainerteam versucht gerade die Geschicke des 1.FC Köln zu leiten, keine einzelne Person. Das ist ihm wichtig, dafür ist er auch sehr dankbar. In den höchsten Tönen spricht er von seinen langjährigen Weggefährten, Kape und Truller, es sei ein großer Gewinn solche Menschen zu kennen, richtige Freunde seien es geworden.
Und diese müssen nun schon, nach ein paar Wochen, die ersten Sturmböen gemeinsam überstehen. Schwer genug, nach dem mageren Saisonstart. Die Kölner Medien wetzen schon die Messer, hauen schon drauf, da ist es gut einen Trainer zu haben, der locker bleibt, der Selbstbewusstsein ausstrahlt und versucht, die Mechanismen rund um die Amsterdamer Straße zu verstehen. Ihm ist es auch nicht verborgen geblieben, dass man nach dem dritten Spieltag schon langsam mit den Hufen scharrt: „Wir spüren auch schon den ein oder anderen Gegenwind, aber das macht das Ganze noch interessanter!“
Die mediale Beklopptheit, rund um den FC, ist ihm damals in Hamburg schon nicht verborgen geblieben. „Bei St. Pauli sind viele Journalisten bekennende Fans vom Verein, dementsprechend dem Klub auch sehr wohlgesonnen- Hier hast du natürlich Bild, Express etc. , die auch gegeneinander arbeiten. Jeder für die bessere Geschichte! Medial ähnelt der HSV eher der Situation hier, da er etwas presenter in Hamburg ist, dennoch nicht vergleichbar mit Köln. Hier ist die gesamte Stadt Rot-Weiß. Ich mag das total, auch wenn es mal ein bisschen was aufs Gesicht gibt. Das gehört dazu, aber solange eine gewisse Linie nicht unterschritten wird, das Privatleben oder man versucht Leute kaputt zu machen, ist das alles in Ordnung.“ Die Linie wird unterschritten so lange der Erfolg ausbleibt. Das weiß auch Stanislawski. Erste Ausläufer des Hurricanes sind schon in diversen sozialen Netzwerken zu lesen, oder schlimmer noch im Kicker Sportmagazin, der heutigen Printausgabe. Frank Lußem war dem 1.FC Köln nie wohl gesonnen und so haut er wild um sich, um Aufmerksamkeit zu erhaschen. Lußem haut auf alles was sich bewegt am Geißbockheim, ohne einen Ansatz der Lösung.
“Bis jetzt verhalten sich auch die neuen Macher reichlich suboptimal. In der Branche schwankt man zwischen Verwunderung und Spott über das Gebaren derjenigen, die den FC neu aufstellen wollen.”
Was suboptimal ist, außer den Ergebnissen, verschweigt er. Der gesamte Artikel basiert auf Mutmaßungen , halt Journalismus den man in Köln kennt und der nur schwer verdaulich ist. Mit dem man aber so nebenher leben muss. Lußem ist in Zeiten des Erfolgs meist still.
Stanislawski findet zur Problematik nachdenkliche Worte: „”Es geht hier nicht um den Weltfrieden, es ist immer noch nur ein Fußballspiel.” Das ist richtig, und er relativiert auch, denn er weiß diese Passage seines Trainerlebens ist eine andere, eine geilere, da nimmt man mediales Geschreibsel gerne in Kauf und versucht Journalisten zu begreifen. Die ja gelesen werden, in dieser verrückten Stadt. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so extrem hier dieser Fußball Tag täglich gelebt wird. Es gibt ja kaum was wichtigeres in dieser Stadt, als das Wohlbefinden des FC. Und das merkt man dann auch medial. Das ist nicht vergleichbar mit irgendeiner Stadt, die ich bisher kennengelernt habe. Trotz für und wieder – eine geile Situation.“
Manche Trainingsleiter kamen nach Köln ohne sich irgendeinen Kopf darüber zu machen, wie dieses Gebilde 1.FC Köln funktioniert. Bei Stanislawski muss man den Anschein haben er denkt 24 Stunden am Tag über die Gesamtsituation nach. „Wenn man merkt wie diese Stadt und dieser Klub funktionieren. Das ist ja ein Miteinander, da lebt wirklich die eine Seite von der andern Seite. Es ist fantastisch das anzusehen. Stadt und Klub sind praktisch Eins! Das ist im Vergleich zu Hoffenheim schon was anderes. In Pauli ist es eine ähnliche Situation, allerdings gibt es in Hamburg zwei Klubs , in sofern sind da die Lager gespalten. Hier ist es eben nur der FC.“
Jegliche Kritik, des Umfeldes, hat meistens auch einen Grund. Leider Gottes werden Gründe aber oft genug nicht angeführt. Die Ursache für Kritik liegt, in diesem Mannschaftssport , an Ergebnissen. Die waren nicht gut zu Beginn. Da wird die mannschaftliche Entwicklung in der Öffentlichkeit erstmal hintenangestellt. Es geht um Punkte. Das weiß auch der Coach. Die Ergebnisse seien nicht das was er sich vorgestellt hat. Es wurde stellenweise guter Fußball gespielt, man hätte realistisch locker 6 – 7 Punkte mehr holen müssen, bei entsprechender Chancenverwertung. Das ist so. Das sieht aber keiner. Fakt ist ja, dass der FC auf Tabellenplatz 17, wohlgemerkt in der 2. Liga, steht! Das ist gar nicht gut! Das zählt aber alles nicht, denn man kann ja jetzt nicht den Spielbetrieb einstellen. Stani wird den Jungs weiter vertrauen schenken, wird sie weiterhin darin bestärken was sie tun. Einfach weiter genauso Fußball spielen. Aber konsequenter in Chancenverwertung und auch teilweise entschlossener im Defensivverhalten!
Stanislwaski hat mit Kape und Truller einen Plan. Sensible Zuschauer erkennen diesen schon, der Großteil schaut leider nur auf das Ergebnis.
Schaut auf das Gesamtkunstwerk.
Es ist mir egal wie die Stadt auf Stani reagiert. In schweren Zeiten soll man Zusammenrücken. Starke Mannschaften wurde nur durch Niederlagen groß.
Für mich ist Stani mein kleiner Messias.
Ich gebe ihm alle Zeit der Welt. Weil es passt. Köln, der FC und er.
Menschen bei denen ich denke, sie sind ehrlich, haben bei mir einen Vorschuss.
Menschen die mich zum schmunzeln bringen, umhüllen mich mit Geborgenheit.
Menschen die geerdet sind, mit denen trinke ich gerne ein Bier.
Stanislawski hört bestimmt Faith No More.
Mit dem kann man definitiv ein Bier trinken.
Gerne.
„Ich wünsche mir für die jüngste Mannschaft der zweiten Liga, dass sie sich irgendwann für gute Spiele belohnt und zu Recht an diesem Umbruch teilnimmt, damit die Leute auch sagen „da entsteht was, da wächst was zusammen und das war ja alles doch nicht so falsch, was die da gemacht haben.“
Genau.
Ich wünsche mir für Stani exakt das. Denn vielleicht entsteht dann auch eine Symbiose zwischen Medien, Trainerstab und uns Fans.
Ich wünsche mir das.
Im Sinne des besten Fußballvereins der Welt, unserem effzeh.
„Der FC ist natürlich ein gigantischer Klub! Das muss man wirklich sagen“.
Und Stani ist ein gigantischer Typ. Das ist einfach so , denn Stani liebt den Fußball zu 100%.
Lehrgangsbester und so, aber da war ja auch nicht Herr Lußem in seiner Klasse.
…und nächste Woche scheint bestimmt wieder die Sonne!
Amen.