Dienstag, 22. Juli 2014, 6 Uhr morgens. Der Wecker reißt mich aus dem Schlaf, in dessen Traum Maximilian Beister gerade den Pokalsonntagsschuss im Dezember 2013 nicht ins Tor, sondern in die Wolken gejagt hatte. Heute aber soll sich das Aufstehen lohnen. Um 8 Uhr beginnt der Mitgliedervorverkauf für den Erstligaauftakt. Zum letzten Mal in der Geschichte des deutschen Fußballs wird der erste Fußballclub aus Köln als Aufsteiger eine Saison eröffnen. Da will man dabei sein. Und weil das mit der Onlinebestellung die letzten beiden Male schief gelaufen ist, hatte ich beschlossen, diesmal die Karten beim Hennes persönlich zu kaufen. So saß ich um 7 Uhr heute Morgen dann im Auto, hatte bei 20 Minuten Fahrtweg ausreichend Pufferzeit eingerechnet, um mindestens eine halbe Stunde vor Start des Vorverkaufs am Geißbockheim zu sein. Aber wir wären ja nicht der glorreiche 1. FC Köln, wenn immer alles so reibungslos laufen würde…
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Trotz Ferienzeit stand ich bereits nach 5 Minuten im ersten Stau. Hinter’m Dreieck Heumar der zweite Stau, kurz nach Überquerung des Rheins der dritte Stau. Ausfahrt Klettenberg – endlich, noch 27 Minuten bis zum Start. Aber die Luxemburger Straße war stadteinwärts bereits so überfordert, wie der HSV in der gesamten letzten Saison.
„Do bess spät dran, Jung“ ruft Hansi, unser treuer Parkplatzwächter zu mir rüber, als er mir zehn Minuten vor Ultimo noch einen letzten freien Parkplatz zuwies. „Dä eetzte wor ald hück morje um veedel vüür fünnef he, als ich mit dä ärbeid aajefange hann. Met nem Klappstohl ungerm ärm. Sidd ihr all beklopp?“ Wir lachen. „Jetz bin ich jo hee, wat sull dann jetz noch passeere“ entgegne ich, setze ich all meine Hoffnung auf das neue Ticketingsystem des Dienstleisters Eventim. Hansi schien mehr zu wissen, sagte er doch: „Affwaade, Jung. Affwaade. Do weiß doch…“
So stellte ich mich ans Ende der wartenden Schlange. Und entgegen kölscher Gewohnheit, Öffnungszeiten um mindestens zwei Minuten in den Tag hinein zu verschieben, öffneten sich die Türen diesmal schon 2 Minuten vor 8 Uhr. „Läuft!“ Denkste.
Die ersten 10 Minuten geht gar nix. Dann kommt der erste Kunde mit zwei Karten raus, dann der Zweite. Danach wieder 15 Minuten nix. Zeit also, mal nachzuhören, ob die drei Kollegen, die es telefonisch und per Internet versuchten, schon was gerissen hatten. Fehlanzeige. Telefonisch kein Durchkommen, im Internet Fehlermeldungen, so die Wasserstandsmeldungen.
8.25 Uhr, ein Mitarbeiter tritt aus der Geschäftsstelle aus. „Es tut mir leid, unser Dienstanbieter hat Serverprobleme.“ – „Ooooohhhh“ geht ein Raunen durch die Menge. „Aber die gute Nachricht: andere kommen auch nicht an Tickets. Sie haben also alle immer noch die gleichen Chancen.“ Froher Mut macht sich breit.
Hinter mir fangen zwei Jugendliche an zu diskutieren. „Also ICH würde das ja ganz anders machen. Die sollen einfach alle Bestellungen annehmen, und dann gucken, wie man die Karten verteilen kann, dass jeder eine kriegt.“ Aha! Endlich mal einer, der es kapiert hat. Dachte ich bis dahin, es könne nicht mehr schlimmer kommen, als bei Eventim, erwische ich mich nun beim Beten, dass dieser Knabe NIEMALS einen Job im Ticketing kriegen solle. „Nächstes Mal fahre ich einfach in den Shop am Stadion oder in die Arcaden, die haben nie Serverprobleme“ entgegnet sein Kumpel daraufhin. Ein älterer Herr mischt sich ein: „Pass mal auf. Datt werden ja nitt mehr Karten. Et gibt soundsoviele Karten. Und nitt mehr. Dann kann nitt jeder eine kriegen, weil viel mehr Leute eine Karte haben wollen.“ Hätte er doch geschwiegen… „Dann muss man die einfach anders verteilen, so dass jeder mal dran kommt. Dann hat doch jeder eine Karte“ findet der Jugendlich aber. Ich beschließe daraufhin, heute definitiv NICHT in die Foren zu gucken, in denen wieder alle diskutieren werden, wie sie es besser hinbekommen hätten.
8.45 Uhr, die nächsten Kartenbesitzer treten aus der Geschäftsstelle aus. „Prima, jetzt geht’s los.“ Zunächst schleppend, dann etwas zügiger.
„Ich habe zwei Tickets“ vermelden meine drei Telefon- und Internetkollegen nun nacheinander.
Eine Stunde später halte auch ich meine Karten in der Hand. Ausreichend für mich, einen Freund und unsere Kinder.
Und eine Karte werde ich einfach verfallen lassen. Damit der Knabe Recht behält, wenn er den freien Platz sieht, und dann sagen kann: „Siehste, die hätten die einfach anders verteilen müssen. Sag ich doch.“