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Meinung

Choreo der “Wilden Horde”: Wagners wirre Welt

Nachdem die “Wilde Horde” ihren Geburtstag mit einer Choreo gefeiert hat, wollen die üblichen Verdächtigen dem 1. FC Köln daraus einen Strick drehen. Das ist lächerlich und undifferenziert.

Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images

Nachdem die “Wilde Horde” ihren Geburtstag mit einer Choreo gefeiert hat, wollen die üblichen Verdächtigen dem 1. FC Köln daraus einen Strick drehen. Das ist so lächerlich wie undifferenziert.

Wenn Karlheinz Wagner – und das wird er, den Eindruck bekommt man schnell, ganz sicher irgendwann tun – einen Rückblick auf sein journalistisches Schaffen schreiben wird, dann schaut der KStA-Sportchef vermutlich auf eine Karriere voller sprachlicher und inhaltlicher Höhepunkte zurück. Vermutlich lag er immer richtig, vermutlich hat er das Sportressort der größten Kölner Zeitung nachhaltig geprägt und vermutlich hat Wagner – zumindest in Wagners wirrer Welt – einen großartigen Job gemacht. Es wäre doch schließlich unfair den Gladbach-Sympathisanten und Leverkusen-Versteher von der Amsterdamer Straße im Rückblick auf die Artikelchen zu reduzieren, die nicht zu den Glanzstücken seiner Karriere gehören.

Nun ist es ohnehin recht still um den profilierten KStA-Sportmann geworden. Begleitete Wagner die Geschehnisse rund um den 1. FC Köln in der Vergangenheit noch intensiv, scheint bei ihm eine ausgeprägte Schreibblockade zu herrschen, seitdem der kölsche Traditionsverein mal wieder erfolgreich ist. Nun bemüht Wagner seine edlen Finger meist nur noch, wenn ihm wenigstens die Kölner Fanszene Anlass für neue selbstverliebt-verschwurbelte Zeilen gibt. Ansonsten führt er lieber Interviews mit Rudi Völler, dem Chef der selbsterklärten „Nummer 1 am Rhein“.

Verzerrungen, Klischees und triefende Empörungssuppe

Wenn aber die „Wilde Horde“ eine Choreo anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens macht, dann ist Wagner natürlich sofort zur Stelle und presst in die paar Zeilen, die man im Printjournalismus traditionell „Kommentar“ nennen möchte, mal wieder ein ganzes Potpourri an Verzerrungen, Klischees und triefender Empörungssuppe – als wäre er nie weg gewesen. Aber – und das muss man ihm lassen – er liefert das Ganze schon mundgerecht im zweiten Satz. Geneigte Leser haben also immerhin die Chance, die Lektüre seines Machwerkes schon an dieser Stelle wieder aufzugeben – ein netter Zug.

Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images

„Ausnahmsweise aber wurden keine Böller und Rauchfackeln gezündet, auch der Gegner und seine Fans wurden nicht unflätig beschimpft, beleidigt und bedroht, sondern: Die Wilde Horde feierte Geburtstag“, fabuliert Wagner los. Und so nimmt das Unheil seinen Lauf. Denn bereits hier wird klar: Der Autor scheint vom 1. FC Köln und seinen Fans in den letzten 20 Jahren offenbar nur einen Vorfall mitbekommen zu haben – in welcher Parallelwelt auf der Kölner Südtribüne regelmäßig Böller und Rauchfackeln gezündet wurden und werden, erklärt uns Wagner jedenfalls nicht. So konstruiert der Autor sich hier bereits in der Einleitung eine Wirklichkeit, auf die er im weiteren Verlauf seines Textes Bezug nimmt, die aber trotzdem einfach nicht existiert.

Eine konstruierte Wirklichkeit

Keine Frage, die Historie der „Wilden Horde“ enthält mehr oder weniger einschlägige Tiefpunkte wie diverse Auseinandersetzungen mit der Polizei, der Platzsturm in Gladbach oder die wenig ruhmreiche Attacke von mittlerweile Ex-Mitgliedern der Gruppe auf einen Borussia-Fanbus. Und manche dieser Ereignisse haben es bildlich in die Choreo vom Samstag geschafft. Dass es hierbei aber weniger darum gehen könnte, sich selbst für diese Aktionen zu feiern, als um eine ehrliche Rückschau auf die letzten 20 Jahre, scheint für Wagner ausgeschlossen und für Stephan Seeger von der „Rheinischen Post“ mindestens zweifelhaft: „Allerdings wäre es wohl besser gewesen, die Kölner Ultras hätten auf die Details verzichtet anstatt sie zu verherrlichen – das jedenfalls könnte man beim Anblick der riesigen Blockfahne annehmen.“

Aber Tiefpunkte und Fehler gehören zu einer Historie nun einmal genauso dazu wie Höhepunkte und die Ideale unter deren Prämisse man die letzten 20 Jahre als Fangruppe gestaltet hat. Eine gute Rückschau konzentriert sich nicht nur aufs Positive, sondern liefert ein differenziertes Bild. Das sollte Journalismus übrigens auch tun.

Halbängstliche Heuchelei

Wagner scheint das jedoch genauso herzlich egal zu sein, wie den Bloggern von „Halbangst“. „Glückwunsch liebe #effzeh-Ultras. Deshalb werdet Ihr und Euer Club nie so richtig ernst genommen“, twitterte der BMG-F95-DEG-Mischmasch-Blog am Sonntag mit Bezug auf das Motiv vom Gladbach-Bus als hätten im Borussia-Block wie zum Beispiel vor dem damaligen Platzsturm niemals geschmacklose Plakate gehangen, auf denen sich die Gladbacher Fans für ihren Angriff auf die Südkurve und die damit verbundene schwere Körperverletzung an einem Kölner Fan gerühmt haben.

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Dass der 1. FC Köln während der Choreo auch noch passende Musik eingespielt hat, ist schließlich viel interessanter als eine differenzierte Berichterstattung. „Klub und Horde arbeiteten hier, so die verstörende Botschaft, Hand in Hand”, empört sich der Stadtanzeiger-Mann und auch Seeger pflichtet ihm bei: „Dass der Verein eine solche Choreo tatsächlich erlaubt hat, ist kaum vorstellbar.“ Wagners ewiger Vorwurf, die „Ultras“ würden vor allem immer nur „sich selbst feiern“, scheint auf so manchen Journalisten deutlich besser zuzutreffen als auf die „Wilde Horde“.

Vielleicht sind die Herrschaften aber auch nur ein bisschen beleidigt, schließlich musste der 1. FC Köln im Vorfeld eine Entscheidung treffen: Choreo und damit Vielfalt erlauben, oder schlechte Presse vermeiden. Der Club hat sich entschieden – für die Südkurve und die dazugehörige „Wilde Horde“, die ihn in den letzten 20 Jahren auch auswärts treu unterstützt hat und deren Geschichte weit mehr ist als eine „Chronologie von Straftaten und Vergehen“, wie Wagner sie betitelt. Und gegen diejenigen, die nur hervorgekrochen kommen, wenn es brennt. Und das alles kann man dann eigentlich nicht falsch finden.

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