“Nach zwei Siegen träumt der gemeine effzeh-Fan von der Champions League” – wer dieses Klischee trotz zahlreicher Enttäuschungen, Fehlplanungen und Abstiegen in den letzten 20 Jahren noch für aktuell hält, der hatte in der vergangenen Woche seine reine Freude an den Berichten über den glorreichen effzeh. Da wurde der Rechenschieber ausgepackt, um zu erklären, wie unsere Jungs mit dem Geißbock auf der Brust noch auf das internationale Parkett zurückkehren könnten. Über Mainz in die Europa League nach Baku? Offentlich sahen vor allem die Kölner Medien kein Problem in all ihren Rechenexempeln.
Im Gästeblock in Mainz (und den knapp 200 Ultras, die auf der Gegengeraden ihr größtenteils lautstarkes Unwesen trieben) wehte dagegen ein anderer Wind: Zwar wurde schon vor dem Spiel vom schellenden Telefon in Kopenhagen gesungen, dem einwöchigen Handstand in Teneriffa gehuldigt und die Fahrt nach Mailand (oder war es doch Nippes?), die eines Tages für den effzeh wieder anstehen wird, kund getan. Doch so richtig ernst meinte das zumindest in meiner Nähe niemand. Im Gegenteil: Viel zu früh, bloß nicht. Erstmals seit 1992 einstellig, erstmals in diesem Jahrtausend endlich wieder über 40 Punkte – das wäre es doch. Der von der „Königsklasse“ träumende effzeh-Fan (selbst wenn: Was wäre daran schlimm?) als Yeti der Fußball-Bundesliga? Wie wundervoll geerdet!
Da war dann auch die Niederlage in Mainz kein Weltuntergang, auch wenn die Konkurrenz um das europäische Geschäft natürlich astrein so spielten, wie es der effzeh gebraucht hätte. Aber zum einen hatten die rot-weißen Götter auf feindlichem Fassenachts-Gebiet in der Liga noch nie etwas Zählbares geholt (noch kein Sieg in einem Ligaspiel in Mainz!). Das Einzige, was wir Kölner mitnehmen konnten, war der Tinnitus dank des Autoscooter-Ansagers von der Dorfkirmes am Mikrofon und den Eindruck, dass dieses XXL-Möbelhaus in der Pampa der Vorhof zur Hölle sein muss: Klatschpappen-Alarm hoch zehn, „Danke-Bitte“-Driss und Narrhallamarsch. Des Weiteren ersparte uns das Vergeigen bester Tormöglichkeiten eine verrückte Woche, in der wir uns alle mööd über Europa schwaade, um es mit hochgesteckten Hoffnungen dann doch ordentlich zu versemmelt. Denn es bleibt dabei: Der effzeh hat noch selten die Chance verpasst, eine Chance zu verpassen!
Ausgangslage
Die Rettung war den Schützlingen von Peter Stöger in beeindruckender Manier gelungen: Die einst so heimschwachen „Geißböcke“ schlugen ein erschreckend schwaches Schalke und sind damit auch rechnerisch durch. Das gesteckte Saisonziel von Platz 15 allerdings, so schrieben einige Spötter, sei allerdings krachend verfehlt worden. Ein Skandal, an dem wohl auch Andrea Merkel nichts mehr zu ändern vermag.
Für die Mainzer Gastgeber war die Situation dagegen so wie für uns vergangene Woche: Der Klassenerhalt war de facto kaum noch gefährdet, allerdings fehlte für die rechnerische Planungssicherheit noch ein kleine Achtungserfolg. Dass dieser gegen den glorreiche effzeh eingeplant war, machte Nullfünf-Trainer Martin Schmidt vor der Partie deutlich. „Wir wollen Köln aus dem Stadion jagen“, kündigte der Schweizer an. Na dann: Waidmanns heil!
Personal
Schon vor der Begegnung stand fest: Peter Stöger wird Spieler eine Bewährungschance geben, die sonst nicht so sehr im Fokus standen. Heißt: Ersatztorwart Thomas Kessler erhält ebenso Einsatzzeit wie der scheidende Adam Matuschyk. Auch Leverkusen-Torschütze Bard Finne und Innenverteidiger Mergim Mavraj, der den von einer Gelbsperre bedrohten Kevin Wimmer in der Anfangself ersetzte, durften beginnen. Matthias Lehmann und Anthony Ujah waren dafür gar nicht erst im Kader. Taktisch veränderte sich wenig: Matuschyk agierte wie sonst Lehmann neben Kevin Vogt, Finne verstärkte den Angriff um den Zehner-Mittelstürmer-Hybriden Yuya Osako.
Bei Mainz 05 stand eine scheidende Vereinsinstitution im Fokus: Innenverteidiger Nikolce Noveski feierte nach elf Jahren bei den Rheinhessen seinen Abschied im Nullfünfer-Trikot vor den eigenen Fans, die ihn während des Spiels via Spruchbändern und Sprechchören bejubelten. Drei Änderungen zur Vorwoche nahm FSV-Coach Schmidt vor: Ja-Cheol Koo begann ebenso wie Landsmann Joo-Ho Park und Pablo de Blasis, dafür blieb für Stefan Bell, Christoph Moritz und Jairo Samperio zum Anpfiff ein Platz neben effzeh-Eigengewächs Christian Clemens auf der Bank.
Spielverlauf
Da für beide Mannschaft die große Spannung nicht vorhanden war, bahnte sich ein veritabler Sommerkick an, dem einzig und allein das sonnige Wetter zu fehlen schien. Es ging zwar hin und her, doch den Kontrahenten mangelte es offenbar an der nötigen Ernsthaftigkeit. Auch Pablo de Blasis war durch die sommerliche Anmutung derart beeindruckte, so dass der Mainzer eine astreine Schwalbe im Kölner Strafraum an den Tag legte. Schiedsrichter Günther Perl war wenig angetan und ließ weiterspielen (16.). Erst danach wurden die Teams zielstrebiger, insbesondere die japanischen Akteure auf dem Platz ließen aufhorchen: Nagasawas Versuch wurde abgeblockt (20.), kurz danach rutschte Okazaki im Kölner Sechzehner am Ball vorbei (24.). Nach einer halben Stunde kam dann Nagasawa einen Schritt zu spät bei Finnes Hereingabe.
Das wollte Yuya Osako nicht auf sich sitzen lassen: Nach Marcel Risses tollem Pass tauchte der Angreifer allein vor Mainz-Schlussmann Loris Karius auf, schob überlegt ein und durfte doch nicht jubeln. Das Schiedsrichter-Gespann entschied auf Abseits – eine Fehlentscheidung (34.)! Nur wenig später hatte Finne die Möglichkeit zur Kölner Führung, doch sein Schuss ging genau auf Karius, der auch danach den Rückstand zu verhindern wusste: Aus spitzem Winkel scheiterte Osako am stark reagierenden U21-Nationalkeeper (38.). Aber auch Mainz war nun offensiv präsent: Baumgartlinger prüfte Kessler mit einem tückischen Kopfballaufsetzer, doch der effzeh-Ersatzkeeper war auf der Hut und parierte stark (38.). Kurz vor dem Halbzeitpfiff köpfte Koo dann noch unbedrängt über den Kasten.
Nach dem Seitenwechsel machte es der Südkoreaner leider besser: Nach asiatischem Zusammenspiel von Park und Okazaki war es der Mittelfeldakteur, der frei vor Kessler zum Mainzer 1:0 einschoss. Es bewahrheitete sich zunehmend die alte Fußballweisheit: Wer seine Chancen vorne nicht nutzt, wird hinten bestraft. Nachdem Kessler gegen Okazaki das schnelle zweite Gegentor verhinderte, drehte der effzeh auf: Vogt versagten völlig frei vor Karius die Nerven (53.), zuvor hatte schon Finne das Mainzer Tor nur knapp verpasst. Der quirlige Norweger blieb ein steter Gefahrenherd: Nach etwas mehr als einer Stunde zwang er Karius zu einer weiteren Glanztat.
Pech hatte der effzeh wieder einmal mit den Schiedsrichter-Entscheidungen: Der einköpfbereite Maroh wurde von Geis gestoßen, doch Perl pfiff nicht. Durchaus umstritten – groß war die Aufregung beim effzeh-Abwehrchef! Zuvor hatte sich schon Risse bitterlich beklagt, als ihm der Unparteiische zurecht einen möglichen Handelfmeter versagte. Die Entscheidung fiel dann in der 83. Minute auf der anderen Seite: Der eingewechselte Jairo staubte zum 2:0 ab, nachdem Kessler einen Bengtsson-Schuss in die Mitte abwehren konnte. Narrhalla-Marsch, Abmarsch!
Spieler im Fokus
Thomas Kessler Zeigte über große Teile des Spiels, dass auf ihn Verlass ist, wenn er gebraucht wird. Parierte stark gegen Baumgartlinger (38.) und Okazaki (50.). Zeigte allerdings auch, welcher Qualitätsunterschied zwischen ihm und Stammkraft Timo Horn liegt: Beim 0:2 sieht Kessler nicht glücklich aus, das Spiel mit dem Ball wird auch nicht mehr unbedingt sein Freund werden.
Adam Matuschyk Lieferte ein Spiegelbild seiner Kölner Zeit ab. Immer wieder mit großartigen Ansätze, taktisch blitzsauber, mitunter spielerisch leicht und elegant, aber auch phlegmatische Phasen ohne Präsenz und größerem Engagement. Geriet gegen das Mainzer Vollgas-Pressing häufiger unter Druck, ohne immer Lösungen anbieten zu können. Es war allerdings in einer hin- und herwogenden Partie auch nicht gerade einfach für einen defensiven Mittelfeldspieler!
Bard Finne Bewies, dass er in der Bundesliga definitiv eine Alternative ist. Ist zwar weder im Dribbling noch im Sprint oder der körperlichen Präsenz herausragend, hat aber brillante Laufwege und erarbeitet sich seine Freiräume. Muss daraus aber noch mehr machen – wirkte vor dem Tor erneut unglücklich. Legt der junge Norweger das noch ab, kann er zu einem wichtigen Faktor werden!
Fazit
Angesichts der Großchancen, die der effzeh leichtfertig liegen ließ oder aber der großartig aufgelegte Karius vereitelte, wäre ein Punktgewinn durchaus verdient gewesen. Die Stöger-Elf präsentierte sich zwar im Sommerfußball-Modus ohne Ordnung und Zwänge wie noch in Augsburg oder Berlin, konnte aber gegen das starke Pressing der Mainzer auch in der Offensive durchaus Akzente setzen. Die Chancenverwertung war letztlich der entscheidende Faktor: Mainz machte aus wenig Zwingendem zwei Toren, während der effzeh es nicht verstand, seine klaren Offensivaktionen in Zählbares umzumünzen.
Ob sich aus dem Spiel um die Goldene Ananas, wie es in letzter (fehlender) Konsequenz häufig anmutete, etwas ableiten lässt, sei dahingestellt. Dass Stöger trotz der theoretischen Möglichkeit auf den Europapokal und der realistischen Aussicht auf den ersten einstelligen Tabellenplatz seit 1992 Spielern wie Kessler oder Matuschyk Einsatzzeiten gab, spricht nicht für fehlenden Ehrgeiz. Es spricht dafür, dass Stöger weiß, was der entscheidende Faktor in dieser Saison war: Eine funktionierende Truppe, die sich gegenseitig unterstützt. Das Dankeschön für einige Edelreservisten ist da durchaus angebracht!
Die Statistik des Spiels
FSV Mainz 05: Karius – Bengtsson, Bungert, Noveski (87. Allagui), Park – Geis, Baumgartlinger – de Blasis (73. Diaz), Malli, Koo (81. Jairo) – Okazaki
1. FC Köln: Kessler – Brecko (64. Deyverson), Maroh, Mavraj, Hector – Vogt, Matuschyk (75. Halfar) – Risse, Nagasawa (55. Svento) – Osako – Finne
Tore: 1:0 Koo (47.), 2:0 Jairo (83.)
Gelbe Karten: Noveski (28.), Vogt (59.), Deyverson (71.), Mavraj (84.)
Schiedsrichter: Günter Perl (Pullach)
Zuschauer: 34.000