Der Profi-Fußball liegt dem Staat auch keineswegs auf der Tasche. Alleine die Vereine der 1. und 2. Bundesliga zahlen weit über eine Milliarde Euro jährlich an Steuern und Abgaben. Nimmt man den ganzen mittelbaren Wirtschaftsbetrieb rund um den Fußball hinzu, liegt dieser Betrag sicherlich zwischen vier und fünf Milliarden Euro.
effzeh.com : Schauen wir nach Bremen. Der dortige Senat möchte gerne die DFL an den entstehenden Kosten von Polizeieinsätzen bei Ligaspielen beteiligen. Halten Sie dieses Vorhaben für rechtlich umsetzbar?
Bosbach: Interessant an den Bremer Plänen ist zunächst, dass der Senat des Stadtstaates den eigenen Verein, den Sympathieträger Werder Bremen schonen und stattdessen die Liga zur Kasse bitten möchte. Sie werden viele Juristen finden, die dieses Vorhaben mit guten rechtlichen und sogar verfassungsrechtlichen Argumenten ablehnen. Aber es wird sicherlich auch genügend Juristen geben, die darlegen könnten, dass die Bremer Pläne nicht verfassungswidrig sind. Ich persönlich halte die Pläne für rechtlich zumindest stark fragwürdig und sportpolitisch verfehlt. Die Vereine tragen für die Sicherheit in den Stadien selber und einschließlich der Zugangskontrolle nicht nur die Verantwortung, sie tragen auch zu 100% die Kosten.
Es geht ausdrücklich – und ausschließlich – um die Gewährleistung der Sicherheit im öffentlichen Raum, also auf den Anreisewegen, auf Straßen und Plätzen. Dies ist eine klassische Aufgabe des Staates. Der Staat reklamiert für sich das Gewaltmonopol und deshalb obliegt ihm auch die Aufgabe der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit. Und diese Sicherheit ist grundsätzlich vom Steuerzahler zu finanzieren. Der Profi-Fußball liegt dem Staat auch keineswegs auf der Tasche. Alleine die Vereine der 1. und 2. Bundesliga zahlen weit über eine Milliarde Euro jährlich an Steuern und Abgaben. Nimmt man den ganzen mittelbaren Wirtschaftsbetrieb rund um den Fußball hinzu, liegt dieser Betrag sicherlich zwischen vier und fünf Milliarden Euro. Auch bei der Mehrzahl der Besucher in den Stadien dürfte es sich um brave Steuerzahler handeln, die mit ihrem Steueraufkommen zur Finanzierung der Sicherheit beitragen.
Dies bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass es keine Kostenerstattungspflicht für Polizeieinsätze geben darf beziehungsweise geben kann. In Anspruch genommen werden aber regelmäßig nur sogenannte Störer, also solche Personen, die sich rechtswidrig verhalten und durch ihr Verhalten Polizeieinsätze notwendig machen. Die Veranstaltung eines Fußballspiels ist jedoch rechtmäßig, nicht rechtswidrig. Von einem Fußballspiel selber geht auch keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus.
effzeh.com: Richten wir den Blick nun auf den effzeh. Wie bekannt wurde, hat die Polizei in Zusammenarbeit mit dem effzeh bereits in der vergangenen Saison das Polizeiaufgebot bei manchen Spielen stark reduziert – mit Erfolg. Wieso sollte das in der ersten Liga und bei anderen NRW-Vereinen nicht auch funktionieren?
Bosbach: Eben! Wenn die Polizei doch in Zusammenarbeit mit dem Verein bereits in der vergangenen Saison das Polizeiaufgebot bei manchen Spielen stark reduziert hat, dann gibt es doch bei den jetzt bekannt gewordenen Plänen darum, das schon jetzt stark reduzierte Polizeiaufgebot noch weiter stark zu reduzieren – und deshalb erstaunt es mich, dass bei der starken Reduzierung eines stark reduzierten Polizeiaufgebotes keine Schutzlücken zu befürchten sein sollen. Soweit erinnerlich, hat es noch vor wenigen Monaten in der Kölner Innenstadt – weitab vom Stadion – anlässlich eines Freundschaftsspiels eine gewaltsame Auseinandersetzung mit teils schweren Folgen gegeben – unmittelbar betroffen war auch ein Teil des Publikums, der mit dieser Auseinandersetzung überhaupt nichts zu tun hatte.
Ich bestreite ja keineswegs, dass das Konzept funktionieren “kann”, ob es tatsächlich funktioniert, wird die Praxis zeigen müssen. Jedenfalls übernehmen die Vereine und die Fans jetzt noch mehr Verantwortung als zuvor und ich kann nur hoffen, dass alle Beteiligten dieser Verantwortung auch gerecht werden. Wenn nicht, habe ich eine ziemlich präzise Vorstellung davon, welche Debatten wir anschließend haben werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich bis jetzt kein Innenminister eines anderen Bundeslandes mit einem Fußballklub der 1. oder 2. Bundesliga der aktuellen Erlasslage in NRW angeschlossen hat. Vermutlich will man zunächst einmal die Erfahrungen hier abwarten.
Positiv überrascht war ich vor allen Dingen über die sehr konstruktiven Beiträge, obwohl die Diskussionen nicht immer harmonisch, sondern teilweise auch kontrovers gewesen sind. Aber genau so müssen Debatten ja auch sein! In der AG Fankultur versammeln sich ja nicht Spitzendiplomaten des Auswärtigen Dienstes, hier versammeln sich diejenigen, die sich mit ganzer Leidenschaft für den 1. FC Köln einsetzen und die sich zu 100% mit dem Verein identifizieren.
effzeh.com: Sie gelten als jemand, der gerne unbequeme Wahrheiten vertritt. Was ist die unbequeme Wahrheit über die Fans des effzeh (oder gar Fans im Allgemeinen)?
Bosbach: Bei dem Begriff “die Fans” bin ich ebenso zurückhaltend wie bei dem Begriff “Populismus”. Es gibt nicht “die Fans”, es gibt auch nicht “die Menschen” – es gibt solche und solche. Es gibt den Durchschnittsfan wie mich, der mit ganzer Leidenschaft die FC-Hymne mitsingt und seinen Verein 90 Minuten anfeuert, aber keinen Sinn darin sieht, die Anhänger der gegnerischen Mannschaft mit wilden Schmähgesängen zu überziehen. Es gibt den Fußballfan, der nicht nur 90 Minuten, sondern sieben Tage in der Woche und 24 Stunden am Tag mit ganzer Leidenschaft für den Verein arbeitet und gegebenenfalls auch mit dem Verein leidet. Das sind die Fans, denen wir in erster Linie wunderschöne Choreografien und die fantastische Stimmung im Stadion verdanken. Es gibt allerdings auch einige wenige, die eigentlich keine echten Fußballfans sind, sondern für die Fußballspiele lediglich Anlass sind Randale zu machen und die vermutlich überhaupt nicht merken, wie sehr sie damit dem eigenen Verein schaden. Dem 1. FC Köln ginge es heute wirtschaftlich besser, wenn man nicht Teil-Ausschlüsse des Publikums oder Geldbußen für Ausschreitungen hätte hinnehmen müssen.
effzeh.com: Als Teil der AG Fankultur und als persönlicher Berater des effzeh-Präsidiums haben Sie viele Facetten der effzeh-Fanszene kennengelernt. Was hat sie am meisten überrascht?
Bosbach: Leider kann ich in der AG Fankultur des 1. FC Köln nicht so intensiv mitarbeiten, wie ich das gerne tun würde, zumal ich wirklich positiv überrascht bin und mehr positive als negative Erfahrungen gemacht habe. Zunächst hatte ich das Gefühl, dass mich einige aus der Szene mit, naja, spitzen Fingern anfassen oder etwas schräg ansehen. Aber damit können wir Politiker gut umgehen, so etwas ist uns ja nicht ganz fremd. Positiv überrascht war ich vor allen Dingen über die sehr vielen sehr nachdenklichen, aber auch sehr konstruktiven Beiträge, obwohl die Diskussionen nicht immer harmonisch, sondern teilweise auch kontrovers gewesen sind. Aber genau so müssen Debatten ja auch sein! In der AG Fankultur versammeln sich ja nicht Spitzendiplomaten des Auswärtigen Dienstes, hier versammeln sich diejenigen, die sich mit ganzer Leidenschaft für den 1. FC Köln einsetzen und die sich zu 100% mit dem Verein identifizieren.
effzeh.com: Ihr Ruf als “Law&Order”-Politiker war auch bei den Fans ein Thema. Gerade auch im Umfeld zu Ihrer Einbindung durch Präsident Spinner. Wie sind sie in die Diskussionen mit den effzeh-Anhängern gegangen?
Bosbach: Ja klar – daraus hat man auch gar kein Geheimnis gemacht! Und das finde ich auch völlig in Ordnung. Mir ist es viel lieber, dass jemand auf mich zukommt und mir offen ins Gesicht sagt “hör mal, mit Deiner politischen Einstellung habe ich ein echtes Problem!”, als wenn hinter meinem Rücken getuschelt wird. Ich bin Mitglied im Verein für offene Aussprache und kann daher auch gut mit Kritik umgehen, jedenfalls dann, wenn sie konstruktiv ist. Richtig ist allerdings auch, dass ich mit dem Begriff “Law & Order” überhaupt kein Problem habe. “Recht & Gesetz” sind eine wichtige, unverzichtbare Basis für ein friedliches Zusammenleben der Menschen und wenn der Staat sich nicht um die Einhaltung von Recht und Gesetz bemüht – wer außer dem Staat könnte diese Aufgabe übernehmen?
Kein Scherz: Ich habe Claudia Roth bereits zum Spiel ihrer Mannschaft beim effzeh eingeladen und ich hoffe sehr, dass sie meine Einladung auch annimmt! Das wird dann mit Sicherheit eine lustige Partie, denn von Fußball hat Claudia Roth echt Ahnung. Jedenfalls mehr Ahnung als von der Politik.
effzeh.com: Viele Fans klagen über die Behandlung bei Spielen in der Fremde. Würden Sie eine Auswärtstour im Stile eines normalen Fans mal mitmachen? Oder haben Sie das vielleicht sogar bereits?
Bosbach: Sie sind aber lustig. Ich habe schon zig-Auswärtsspiele des 1. FC Köln als völlig normaler Fan besucht, mal mitten in einem Pulk von FC-Fans, mal mitten in einem Pulk von Anhängern der Heimmannschaft, siehe Schalke. Episode am Rande: Bei einem Auswärtsspiel hatte man mir einmal geraten, den FC-Schal lieber auszuziehen, das sei besser so… Ich habe den FC-Schal weiter getragen und anschließend unfreiwillig Bier von oben getrunken, aber da muss man halt durch.
effzeh.com: Zum Abschluss – Als Rheinländer, der den Großteil seiner Arbeitszeit in Berlin verbringt: Wie groß ist die Sehnsucht nach einem Pokalfinale mit effzeh-Beteiligung und die Chance Claudia Roth zum Fan des einzig wahren Deutschen Meisters zu überzeugen?
Bosbach: Lieber FC, ich bin schon 62 Jahre alt – wenn das mit dem Pokalfinale noch was werden soll, dann musst Du Dich schwer beeilen! Die Chance, Claudia Roth zum Fan des einzig wahren Deutschen Meisters zu überzeugen, ist wohl wesentlich geringer als eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene, denn Claudia Roth ist mit Leib und Seele Fan des FC Augsburg. Kein Scherz: Ich habe Claudia Roth bereits zum Spiel ihrer Mannschaft beim effzeh eingeladen und ich hoffe sehr, dass sie meine Einladung auch annimmt! Das wird dann mit Sicherheit eine lustige Partie, denn von Fußball hat Claudia Roth echt Ahnung. Jedenfalls mehr Ahnung als von der Politik. Wenn sie von der Politik so viel Ahnung hätte wie vom Fußball, wäre sie schon längst in meine Partei eingetreten.
effzeh.com: Herr Bosbach, wir danken Ihnen für das Gespräch!