Ein Wiedersehen mit dem Ex, ein weiteres Endspiel für die Aufholjagd: Das Heimspiel gegen Borussia Dortmund ist für den 1. FC Köln enorm wichtig. Mit BVB-Blogger David Theis sprechen wir über die Partie.
Nach drei Partien ist der 1. FC Köln wieder in Schlagdistanz zum Relegationsplatz – trotz des verpassten vierten Erfolgs in Serie gegen den FC Augsburg. Die Aufholjagd im Abstiegskampf möchten die “Geißböcke” gegen Borussia Dortmund fortsetzen, ist der BVB um den ehemaligen effzeh-Coach Peter Stöger doch zuletzt ins Schlingern geraten. Vor dem Heimspiel am Freitagabend sprechen wir mit BVB-Blogger David Theis, der unter anderem für neunzigplus.de schreibt, über das Wechseltheater um Pierre-Emerick Aubameyang, den Absturz der Borussia nach sensationellem Saisonstart sowie die Gegenwart und etwaige Zukunft mit Peter Stöger als Dortmunder Trainer.
Die sportliche Situation lässt bei Borussia Dortmund zu wünschen übrig – und jetzt haut auch noch Top-Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang ab. Unangenehme Zeiten beim BVB oder irren wir uns da?
Ihr irrt euch leider nicht. Der BVB wirkt derzeit wie ein leck geschlagenes Schiff. Kaum ist ein Loch gestopft, dringt an anderer Stelle noch mehr Wasser ein. Für den Club kann es nach dem Chaos des vergangenen Dreivierteljahres nur noch darum gehen, die Monate bis zum Sommer einigermaßen unbeschadet zu überstehen.
Das Wechseltheater um Aubameyang hat für ordentlich Unruhe rund um den Verein gesorgt. Ist das auch ein Grund für den eher schleppenden Start ins neue Jahr?
Ich befürchte nicht. Dass Peter Stöger noch kein Pflichtspiel in Schwarzgelb verloren hat, ist ihm hoch anzurechnen. Aber die Defizite im Team sind so zahlreich, dass er sie nicht über Nacht wird beseitigen können. Das merkt man deutlich. Sein punktemäßig guter Start hat bei einigen Fans wohl wieder verfrühte Hoffnungen aufkeimen lassen. Aber wir sollten uns da nichts vormachen. Die sportliche Krise lag längst nicht nur an Peter Bosz – und schon gar nicht an Aubameyang.
Vor Aubameyang im Winter war Dembele im Sommer. Ihr habt ein Händchen für solche Charaktere, oder?
Der BVB hat den Anspruch, zu den Top-15-Vereinen in Europa zu gehören – kann sich die dafür nötigen Spieler aber eigentlich nicht leisten. Wenn dein Scouting dann einen Profi entdeckt, der finanziell noch erreichbar ist, stilistisch ins eigene Spiel passt und auch noch Entwicklungspotenzial hat… ich glaube, da kannst du einfach nicht immer sagen “Wir warten, bis wir einen finden, der genau so gut ist, aber charakterlich noch besser zu uns passt”. Zumal: Oft fällt es sicher schwer, das vorherzusehen. Mir persönlich wären mehr Łukasz Piszczeks und weniger Dembélés aber durchaus recht.
Dabei war im Hinspiel die schwarzgelbe Welt noch in allerbester Ordnung: Unter Peter Bosz spielte der BVB furios auf und gab uns ordentlich auf den Deckel. Was zur Hölle ist danach bitteschön in Dortmund passiert?
Ich glaube, dass es verschiedene Probleme gab, die alle gleichzeitig zutage getreten sind. Vor allem aber war der frühe Bosz-BVB auch schon nicht so gut, wie es die Ergebnisse aussehen ließen: Er hat sehr luftig verteidigt und hatte Probleme in der Raumbesetzung. Mit den ersten Negativerlebnissen kam dann ein mentaler Bruch dazu. Anders kann ich es mir auch nicht erklären.
Der BVB-Kader hat sicher immer noch Qualität, aber ihm gehen gewisse Fähigkeiten eher ab: Schnelligkeit, Kraft und Aggressivität sind da unter anderem zu nennen. Alles Dinge, die für Peter Bosz’ Fußball essenziell wichtig sind. Das hat beinahe jeder gewusst, der sein Ajax-Team im Vorjahr hat spielen sehen. Leider wurde ausgerechnet unser Management von Bosz’ Stil völlig überrascht.
Nach dem starken Saisonstart ging es rapide bergab, Peter Bosz musste gehen. War er einfach nicht der richtige Mann für die Aufgabe bei der Borussia? Oder woran scheiterte es aus deiner Sicht?
Der BVB-Kader hat sicher immer noch Qualität, aber ihm gehen gewisse Fähigkeiten eher ab, als andere. Schnelligkeit, Kraft und Aggressivität sind da unter anderem zu nennen. Alles Dinge, die für Peter Bosz’ Fußball essenziell wichtig sind. Das hat beinahe jeder gewusst, der sein Ajax-Team im Vorjahr hat spielen sehen. Leider wurde ausgerechnet unser Management von Bosz’ Stil völlig überrascht. Insofern war es für mich eine Mischung aus der falschen Trainerwahl (für die Bosz natürlich nichts kann) und falschen Transfers.
Viele außerhalb Dortmunds haben überhaupt nicht verstanden, warum es mit Tuchel nicht weiterging. Schließlich war der BVB unter ihm doch recht erfolgreich, wenngleich es atmosphärisch ordentlich knirschte. War es im Rückblick die falsche Entscheidung?
Sportlich ganz sicher. An einen so hochklassigen Trainer wird der BVB für lange Zeit nicht mehr herankommen. Das Sportliche ist aber nicht alles. In Dortmund wird seit Monaten allerhand schmutzige Wäsche über Tuchel und seine Beziehung zu Team und Management gewaschen – zum Teil von den BVB-Verantwortlichen selbst. Unabhängig davon, wie viel Wahres an einer Geschichte sein kann, die nur die Sichtweise von einer der beiden Streitparteien enthält: Wenn man hintenrum so übereinander redet, kann man nicht mehr professionell zusammenarbeiten. Insofern sind die Fehler schon vor der Trennungsentscheidung passiert. Und sie waren gravierend.
Welche waren das aus deiner Sicht?
Der Verein hatte keine klare Linie. So hat man beispielsweise im Streit zwischen Chefscout Sven Mislintat und Tuchel mit einer halbgaren Lösung letztlich beide vor den Kopf gestoßen und somit mehr Unruhe, als Frieden gestiftet. Zudem wusste man ja, dass Tuchel ein schwieriger Charakter sein kann – hat aber wohl versucht, ihn ein Stück weit an dem BVB anzupassen. Wie gut das funktioniert hat, wissen wir ja nun alle.
Ich bin mir ganz sicher, dass der Mordanschlag auf das BVB-Team manche Spieler noch sehr beeinflusst. Niemand kann sich auf so etwas vorbereiten oder es einfach so abstreifen. Kein Soldat, kein Polizist – und erst recht kein Fußballprofi.
Was bei der Betrachtung der Dortmunder Probleme häufig zu kurz kommt oder gar nicht erwähnt wird, ist der Terroranschlag auf die Mannschaft im April. Hast du das Gefühl, dass da etwas Unangenehmes verdrängt wird, das aber dennoch die Leistung beeinflusst? Solch ein Attentat stecken junge Menschen für gewöhnlich ja nicht einfach so weg.
Ja, es scheint, als sei diese schlimme Sache einfach in einem Urwald aus BREAKING NEWS untergegangen. Ich bin mir sogar ganz sicher, dass das manche Spieler noch sehr beeinflusst. Niemand kann sich auf so etwas vorbereiten oder es einfach so abstreifen. Kein Soldat, kein Polizist – und erst recht kein Fußballprofi.
Aktuell wird der BVB von unserem ehemaligen Chefcoach Peter Stöger trainiert. Hatte es dich überrascht, dass die Borussia auf ihn, der nur kurz zuvor beim Bundesliga-Schlusslicht gefeuert wurde, gesetzt hat?
Nein. Denn der BVB hatte dem Vernehmen nach ja gar keinen Plan B zu Peter Bosz. Stöger ist dem Club dann quasi in den Schoß gefallen. Die Probleme des Effzeh würde ich dem Ex-Coach (ähnlich wie beim BVB) nur zum Teil anlasten wollen. Stöger ist in der aktuellen Situation geradezu ein Glücksfall für den BVB.
Wie schlägt sich der Österreicher denn bei Euch? Ist er schon sportlich und von der Mentalität her in Dortmund angekommen?
Sportlich wird er es wie gesagt schwierig für ihn. Aber bislang hat er das im Rahmen der Möglichkeiten ganz gut gemacht – auch wenn wir BVB-Fans gerne nach zwei gewonnenen Spielen gleich wieder unsere Ansprüche in den Himmel schrauben und dem rasanten Fußball der Klopp-Ära hinterher weinen. Mental passt er perfekt nach Dortmund. Authentisch und grundsympathisch. Sowas kommt an.
Bislang hat Peter Stöger es im Rahmen der Möglichkeiten ganz gut gemacht – auch wenn wir BVB-Fans gerne nach zwei gewonnenen Spielen gleich wieder unsere Ansprüche in den Himmel schrauben und dem rasanten Fußball der Klopp-Ära hinterher weinen. Mental passt er perfekt nach Dortmund. Authentisch und grundsympathisch. Sowas kommt an.
Glaubst du an eine Zusammenarbeit über den Sommer hinaus?
Nein. Ich glaube, der BVB hat sich in den Kopf gesetzt, einen kreativeren, offensiveren Fußball zu spielen, als Stöger ihn bevorzugt. Daher wird, glaube ich auch, der Trainer dem großen Umbruch im Sommer zum Opfer fallen.
Für beide Teams wird es eine ganz wichtige Partie: Der BVB will endlich in die Erfolgsspur zurückfinden, für den effzeh geht es darum, die Aufholjagd am Leben zu erhalten. Was für ein Spiel erwartest du am Freitagabend unter Flutlicht?
Ich erwarte einen ängstlichen BVB, der das Spiel wieder recht statisch und breit aufzubauen versucht. Auch der effzeh wird vermutlich nicht zu sehr ins Risiko gehen, weil sie wissen, dass ein guter Konter derzeit gegen den BVB reichen kann. Beide Clubs fehlen zudem wichtige Spieler. Ich sag mal: Wird vermutlich ein klassisches Freitagabend-Spiel.
Unter dem neuen Trainer Stefan Ruthenbeck hat der effzeh angefangen richtig zu punkten und darf sogar wieder vom Klassenerhalt träumen. Glaubst du, dass der BVB auch in der kommenden Saison in Müngersdorf gastieren wird?
Ja. Der effzeh-Kader ist eigentlich zu gut für einen Abstiegsplatz und eine Bundesliga ohne Köln macht ungefähr so viel Spaß wie lauwarmes Altbier. Ich akzeptiere keinen Abstieg des 1. FC Köln.
Der effzeh-Kader ist eigentlich zu gut für einen Abstiegsplatz und eine Bundesliga ohne Köln macht ungefähr so viel Spaß wie lauwarmes Altbier. Ich akzeptiere keinen Abstieg des 1. FC Köln.
Wie hast du überhaupt diesen beispiellosen Absturz der „Geißböcke“ erlebt? Hatte sich das für dich angedeutet oder kam es von außen betrachtet völlig überraschend?
Ehrlich gesagt: Ich hatte so meine Bedenken, als man Modeste abgegeben und nur Córdoba dazugeholt hat. Für eine Doppelbelastung durch die Europa League war der Kader zu dünn besetzt. Der Nürnberg-Effekt, wenn man so will.
Zum Abschluss: Rut-wieß oder schwatzgelb – wer darf nach 90 Minuten jubeln? Dein Tipp, bitte!
Ich hab so ein Gefühl, dass wir ein Unentschieden sehen werden, das keinem so wirklich weiterhilft.