Während einige Kölner Fans in London dabei sein konnten und aus erste Hand wussten, wie die Stimmung vor Ort ist, mussten viele zuhause bleiben – und die “BILD”-Berichterstattung über sich ergehen lassen. Mit ordentlichem Journalismus hatte die nichts mehr zu tun, findet unser Autor.
Donnerstagabend. Man sitzt erwartungsfroh vor dem Fernseher und wartet auf das erste Auftreten des effzeh auf internationaler Bühne. Tagsüber kamen gute Nachrichten, Bilder und Clips aus London, die einen zunächst einmal erfreuten. Fröhliche, enthusiastische effzeh-Fans entern London-City und irgendwie ist man stolz. Aber dann kommt der Medien-Hurrikan mit den vier großen Buchstaben im Internet über einen.
“Nacht der Schande” liest man plötzlich als Überschrift und im Text ist es auch nicht besser – es liest sich, als wären die Vandalen in London eingefallen. Randale, Blocksturm und Spielabbruch. Gierig wird die unpräzise, eilige Meldung des Sportmedien-Leitwolfes ohne Sinn und Verstand auch von anderen Medien willfährig übernommen. Zuhause macht sich da bald leichte Panik breit.
BILD und die “Nacht der Schande”
Sie ist also offenbar wieder da, die schwarze, böse Medienwelle mit dem Feindbild Fußballfans – offenbar ganz besonders gerne die vom effzeh. Zu dem Zeitpunkt waren keine genaueren Fakten bekannt, aber die vier großen Buchstaben köchelten sich schnell das Süppchen mit der Botschaft “effzeh-Fans = Chaos = Schande” zusammen. Und leider gab diese Interpretation den roten Faden für die kommenden Stunden vor. Wieder wurde der Großteil der effzeh-Fans in eine Ecke gedrängt, in die sie nicht gehörten – schon gar nicht an diesen Tag!
Foto: ADRIAN DENNIS/AFP/Getty Images
Ja, es gab eine Rangelei. Ja es wurden vier Fans in Gewahrsam genommen. Ja, es gab Beschädigungen. Ja, das ist überhaupt nicht cool. Aber geschätzte 20.000 effzeh-Fans gaben ein Statement für eine lebendige, fröhliche Fankultur ab. So, wie das beim Fußball sein sollte. Die Business-Fußball-Vertreter bei “BILD”, denen Fankultur ohnehin gegen den Strich geht, betreiben in Sachen Fußballfans trotzdem weiterhin ihren lächerlichen Kampagnenjournalismus!
Wo war die Faktensuche? Wo eine differenzierte Darstellung? Wo wurde die Organisation von Arsenal hinterfragt? Nirgendwo. Klar, schließlich war der Titel “Nacht der Schande” schon gefunden, bevor man bei “BILD” überhaupt wusste, was abgeht. Bild dir deine Meinung – mag sie noch so falsch sein.
Purer Kampagnenjournalismus bei BILD
Und das war die eigentliche Schande in dieser Nacht: Der Verrat an den Fakten und an einer Fankultur, die nicht die Grundlage hat, nur Tickets, Abos und Shirts zu konsumieren und dann die Klappe zu halten. Zur Ehrenrettung der Medien haben nach und nach dann aber doch noch eine Reihe von Medien differenziert und kritisch berichtet – die erste Interpretation, von “BILD” kreiert, blieb dennoch.
Die vier großen Buchstaben sollten sich langsam mal fragen, ob sie sich irgendwann einmal wie vernünftige Journalisten aufführen wollen oder ob sie doch lieber stur weiter die Speichellecker und PR-Ottos derer sein wollen, die im Fußball vor allem die Möglichkeit sehen, viel Geld zu machen. Getreu dem zur englischen Fankultur mittlerweile leider passenden Motto: “Bitte verlassen Sie das Stadium durch den Fanshop”.