Viel ist wieder geredet worden rund um den effzeh in der Derbywoche. Neben der Diskussion um Kaugummis und Ticketpreise ging fast ein wenig unter, dass die Geißböcke am Sonntag im Heimspiel gegen Bayer Leverkusen den Klassenerhalt dann wohl auch rechnerisch perfekt machen können. Dass das gegen Roger Schmidts Pressingmonster keine leichte Aufgabe sein wird, überrascht nicht. Gerade wenn man sich die bisherige Bilanz des effzeh in der Rückrunde anschaut, fällt auf, dass in den Duellen gegen Mannschaften aus dem oberen Tabellendrittel bisher nicht viel zu holen war – ganz im Gegensatz zur Hinrunde, als man mit Siegen in Schalke und Leverkusen (Maroh!) aufhorchte und die Fans von einer Platzierung im einstelligen Tabellenbereich träumen ließ. Das ist zwar immer noch nicht ausgeschlossen, jedoch konnte man in der Rückrunde nur gegen den Tabellenvorletzten und -letzten gewinnen. Dementsprechend wäre am Sonntag die ideale Möglichkeit, nach zuletzt eigentlich ganz ordentlichen Spielen dreifach zu punkten und mit 36 Punkten das Abstiegsgespenst endgültig zu vertreiben.
Leverkusen berappelt sich nach Schwächephase
Zählt man das verlorene Heimspiel gegen den FC Bayern dazu, zeigte der effzeh in den letzten drei Spielen durchweg ordentliche Auftritte. In Hannover gewann man mit einer extrem nüchternen und unspektakulären Herangehensweise mit 2:0, gegen die Über-Bayern kratzte man lange Zeit am Ausgleichstreffer und das Unentschieden in Hoffenheim kam eigentlich nur aufgrund eigener Unzulänglichkeiten zustande, obwohl deutlich mehr drin gewesen war. Das Spiel gegen die Werkself wird dennoch zu einer ordentlichen Prüfung für den effzeh.
Nach einer kleineren zwischenzeitlichen Schwächephase, als einige Leistungsträger ausfielen und die Mannschaft frei nach Klaas Heufer-Umlauf “die PS nicht auf die Straße bringen konnte”, rutschte die Werkself aufgrund von drei Niederlagen in Folge in der Tabelle ein wenig ab. Der Wendepunkt in dieser Entwicklung scheint wohl das 3:3 in Augsburg gewesen zu sein, als man nach zwischenzeitlichem 0:3-Rückstand noch einen Punkt ergatterte. Im Anschluss daran brachten ein Arbeitssieg gegen den HSV und zwei souveräne Siege gegen Stuttgart und Wolfsburg die Mannschaft vom Autobahnkreuz wieder in Schlagdistanz zu einer direkten Qualifikation für die Champions League. Die personelle Misere manifestierte sich in den Ausfällen von Bender und Toprak, welche lange Zeit nicht zur Verfügung standen. Zwar ist Bender wieder einigermaßen fit, sein Kapitän Toprak fehlt allerdings weiter in der Innenverteidigung. Auch auf der Position des rechten Verteidigers musste Schmidt in letzter Zeit improvisieren, da Roberto Hilbert ausfällt. Dass es für eine Mannschaft mit argen personellen Sorgen in der entscheidende Phase den vielfach zitierten Turnaround gibt, kann natürlich noch einmal extra Kräfte freisetzen. Insbesondere die enge Tabellensituation verdammt Bayer eigentlich dazu, das Spiel in Köln zu gewinnen und sich in eine gute Ausgangsposition für die letzten Spiele zu bringen.
Was kann man von Leverkusen erwarten?
Die Schwarz-Roten sind dabei wahrscheinlich die reinste Pressing- und Umschalt-Mannschaft der Bundesliga. Unter ihrem Trainer Roger Schmidt gibt es eigentlich keinen anderen Weg als den des brutalen und bedingungslosen Pressings, welches nur minimal auf einzelne Gegner angepasst wird. Leverkusens Spiel zeichnet sich durch ein enorm laufintensives und anspruchsvolles Pressing aus, was nach Ballgewinn in ein extrem vertikales Spiel in die offenen Räume des Gegners mündet. Die größten Probleme bekommt die Werkself bei tiefstehenden und passiven Gegnern, die mit viel Absicherung agieren und das Risiko scheuen. In diesem Zusammenhang fehlt es bisweilen an einem Plan B. Wie sagte Jürgen Klopp einst so schön: der beste Spielmacher nennt sich Gegenpressing. Auf Leverkusen trifft das nur manchmal zu, ansonsten steht mit Calhanoglu ein extrem passstarker und ballsicherer Zehner zur Verfügung, der den Ball ins letzte Drittel transportieren soll. Zusammen mit dem momentan noch verletzten Ömer Toprak gehört Calhanoglu auch zu den Schlüsselspielern bei Leverkusen. Das am häufigsten verwendete System ist ein 4-2-2-2, welches insbesondere in der Offensive durch enorme Variabilität bedingt ist. Durch die Vielzahl an unterschiedlichen Spielertypen, die Schmidt zur Verfügung stehen, ergeben sich interessante Konstellationen und Zusammenhänge.
Stefan Kießling ist ein sehr physisch spielender Zielspieler, der eine extrem hohe Arbeitsrate hat, allerdings weniger ins Kombinationsspiel eingebunden wird. Chicharito (auf die Bedeutung des Spitznamens wird an dieser Stelle bewusst nicht eingegangen) hingegen weicht vermehrt in seinem Spiel aus, um sich am Kombinationsspiel zu beteiligen oder sich in gute Abschlusspositionen zu bringen. Karim Bellarabi auf der rechten Seite ist ein sehr linearer Flügelspieler, der aufgrund seiner Dribbelstärke und Schnelligkeit enorm viele Aktionen schafft. In den letzten beiden Spielen machte mit Julian Brandt ein noch sehr junger, aber bereits sehr guter Spieler auf sich aufmerksam: sowohl gegen Stuttgart als auch gegen Wolfsburg konnte er sich in die Torschützenliste eintragen. Seine technische Stärke prädestinieren ihn dafür, auf einigen Positionen im Offensivbereich eingesetzt werden zu können.
Die Besetzung der Viererkette bereitete Roger Schmidt in letzter Zeit ein wenig mehr Kopfzerbrechen als seine Offensivabteilung: mit Tin Jedvaj wird momentan ein Spieler als rechter Verteidiger eingesetzt, der eigentlich als Innenverteidiger ausgebildet und geholt wurde. Dem jungen Kroaten ist in manchen Situationen anzumerken, dass dies nicht seine Idealposition ist. André Ramalho gibt momentan den Ersatz für Ömer Toprak und dem Brasilianer kam nicht unbedingt entgegen, dass Leverkusen vor einigen Wochen eine Schwächephase hatte. Seine Leistungen gegen Mainz und Bremen ließen einige Fragen offen, zuletzt konnte er sich allerdings stabilisieren. Die Rückkehr des langzeitverletzten Lars Bender gibt der Werkself allerdings wieder die Stabilität, die zwischenzeitlich etwas verloren ging. Durch sein enormes Laufpensum bringt der ehemalige Münchner Löwe Struktur in das Leverkusener Spiel, obwohl er fitnesstechnisch noch nicht bei 100 Prozent sein kann.
Was ist vom effzeh zu erwarten?
Wenn Mergim Mavraj nach seiner Erkrankung grünes Licht für einen Einsatz gibt, könnte es zu einer Rückkehr der Dreierkette kommen. Ansonsten ist erfreulich, dass Simon Zoller in Hoffenheim sein Comeback geben und gleich mit einem Tor krönen konnte. Dies erhöht die Optionen im Offensivbereich, lässt allerdings die Frage nach der Besetzung des zweiten Sechsers (Gerhardt oder Vogt) offen. Das Trio Zoller, Bittencourt und Modeste dürfte seinen Startplatz am Sonntag allerdings sicher haben. Es ist allerdings genauso vorstellbar, dass dieselbe Startelf aufläuft wie gegen Hoffenheim. Man merkt es bereits: nichts ist beständiger als der Wandel. Egal welche Aufstellung Stöger wählt, wir sind weit davon entfernt vor dem Spiel am Sonntag die Flatter zu bekommen.