Am 14.November beginnt die Abstellperiode für die Weltmeisterschaft in Katar, die europäischen Profiligen pausieren dank der Skandal-WM von Mitte November bis in den Januar und passten ihren Rahmenspielkalender für diese Saison entsprechend an. So stauchte die Bundesliga auf Grund des Event in der arabischen Wüste das Herbstprogramm zusammen und presst 15 Spieltage bis Mitte November durch. Die UEFA bewies noch weniger Flexibilität, die Gruppenphasen der drei europäischen Wettbewerbe werden schlicht statt Mitte Dezember bereits Mitte November fertig ausgespielt sein.
Es braucht folglich nicht viel um zu erahnen, dass anstrengende Wochen vor dem 1. FC Köln liegen, der bekanntlich in der UEFA Conference League antreten wird. Nur eine Länderspielpause im September sorgt für ein spielfreies Wochenende und nötige mentale und physische Erholung von den hoffentlich magischen europäischen Nächten. Und die zweite Runde des DFB-Pokals Mitte Oktober dafür, dass die Geißböcke nach dem Ausscheiden in Regensburg wenigstens einmal unter der Woche durchatmen können. Ansonsten? Englische Wochen all the way.
Von Ausflüchten und übervollen Rahmenspielkalendern wenig wissen wollte FC-Coach Steffen Baumgart allerdings auf der Spieltagspressekonferenz vor dem Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg: „Wir sollten aufhören, die ganze Zeit darüber zu jammern, wie hoch die Belastung ist. Wir haben uns das erarbeitet und das ist auch etwas Positives” so der 50-jährige, der in den letzten Wochen allerdings auch schon das ein oder andere Mal nach Spielen betonte, wie platt seine Mannschaft am Ende eines Spiels gewesen sei.
„Wir haben als Trainer-Team noch nicht die Erfahrung, um genau zu sagen, was das richtige ist“
Trotz des positiven Ansatzes von Baumgart gibt es nach sieben gespielten Pflichtspielen ein paar Anzeichen, dass die Kölner diese Saison eventuell nicht ganz so erfolgreich sein werden wie in der abgelaufenen Spielzeit: Denn Markenzeichen und Erfolgsrezept der Geißböcke waren damals neben den überragenden Modeste und Schwäbe sowie einer Spielidee mit Flankenfokus vor allem die Laufbereitschaft und Intensität in jedem Spiel über notfalls 90+x Minuten. „Wenn es euch weh tut, sehr gut, dann tut es dem Gegner auch weh“, so das Baumgartsche Credo seit seinem ersten Tag im Amt.
Dies wird zumindest in dieser Hinrunde bis November aber in dieser Einfachheit so nicht funktionieren. Der 1. FC Köln muss dank der Conference League mit seinen Kräften haushalten und Ruhepausen in sein Spiel einbauen. Dies ist bekannterweise nicht Baumgart-Stil, dennoch konnte man gegen Stuttgart schon beobachten, dass die Mannschaft nicht die vollen 90 Minuten komplett durchzog, sondern das Spiel auch mal zu beruhigen versuchte. So richtig gut funktionierte dies nicht, auch weil die Schwaben — wie schon die Schalker am ersten Spieltag — sehr offensiv und druckvoll gegen die Rheinländer begannen.
“Bisher standen fast alle Gegner gegen uns tief und da ist es dann manchmal auch schwer. Es gibt da aber nicht die eine Lösung, sondern du musst dir das hart erarbeiten.”
Neben einem zwangsläufig etwas geänderten Spielstil wird das Trainerteam der Kölner in den kommenden Wochen vor allem über die Rotation versuchen, frisch zu bleiben. Auch dies ließ sich in den ersten Wochen der Saison rund um die Spiele der Conference League Play-Off gegen Fehervar bereits beobachten. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Der 1. FC Köln ist nicht Bayern München oder Borussia Dortmund, gerade nach den Verletzungen von Mark Uth, Benno Schmitz, Jeff Chabot und Mathias Olesen ist die Personaldecke dünn geworden. „Wir haben als Trainer-Team noch nicht die Erfahrung, um genau zu sagen, was das richtige ist“ deutete Steffen Baumgart zuletzt einen Lernprozess bei Rotation und Spielgestaltung auch beim Trainerteam an. Dass zusätzlich in diesem Jahr alles noch kompakter ist, macht den Lernprozess nicht einfacher.
Darüberhinaus deutet sich neben der Herausforderung der richtigen Belastungssteuerung allerdings auch ein Stürmerproblem bei den Geißböcken an: Keiner der neuen oder alten Angreifer hat bislang angedeutet, dass er den nach Dortmund abgewanderten Modeste adäquat ersetzen wird können. Florian Dietz fehlen trotz seiner Tore gegen Fehervar und Frankfurt noch einige Prozent, um in der Bundesliga zu bestehen (Baumgart: „Im Sechzehner fehlt mir aktuell der letzte Tick“), Steffen Tigges („kann langfristig eine Alternative sein“) ist nach langer Verletzungspause immer noch nicht ganz da, wo er sein will und Sargis Adamyan konnte bislang seine Klasse überhaupt noch nicht zeigen.
Dies muss nicht so bleiben, jeder der drei könnte sich noch als zuverlässiger Knipser entpuppen, die Rückkehr von Mark Uth dürfte zusätzlich für Kreativität vorne sorgen. Doch wie kommen die Kölner zum Torerfolg, wenn keiner der drei Stürmer zündet und sich die Verletzung von Uth weiter hinzieht?
Der 1. FC Köln hat sich Offensiv noch nicht gefunden
Eine vielversprechende kollektiv stabil funkionierende Offensive hat die Mannschaft in dieser Saison jedenfalls noch nicht gezeigt. Dass es alleine der bekannte Flankenfokus der letzten Saison nur mit Dietz anstatt Modeste richten wird, darf man jedenfalls bezweifeln. Das Trainerteam wird sich etwas einfallen lassen, Auftritte bei Frankfurt und gegen Stuttgart waren allerdings offensiv äußerst blass bis ernüchternd. „Bisher standen fast alle Gegner gegen uns tief und da ist es dann manchmal auch schwer“, wog Baumgart vor dem Spiel gegen Wolfsburg ab, will aber auch eine verbesserte Offensive in Niedersachen bei einem Gegner sehen, der sich nicht hinten reinstellen wird: „Es wäre schön, wenn wir uns die ein oder andere Torchance mehr erarbeiten.“
Wie also wird in dieser Saison die Balance zwischen Offensive und Defensive aussehen? Wieviel investiert die Mannschaft vorne, um ein Tor zu schießen? Wie hoch werden die Risiken in der Konterabsicherung sein müssen? Was macht der Flankenfokus oder entwickelt sich die Offensive im zweiten Jahr doch entscheidend weiter? Oder löst sich die Offensivschwäche in Wohlgefallen auf, wenn man gegen Gegner spielt, die sich nicht hinten reinstellen und Mark Uth zurückkehrt?
All dies sind Fragen, die in Wolfsburg mit auf dem Platz stehen werden. Zeit um Dinge geduldig im Training einzustudieren gibt es jedenfalls nicht, die Spiele bis November kommen ab sofort im Stakkato-Takt. Es ist eine bislang unbekannte Herausforderung für das Trainerteam der Geißböcke, die sich letzte Saison allerdings auch schon öfter als Problemlöser bewiesen haben. Eine Wiederholung der 2017er Saison, wo man nach dem Einzug in den Europapokal erbarmungslos abschmierte, sollte man deswegen allerdings nicht befürchten. Eine Saison, wo es durchaus allerdings an irgendeinem Punkt auch mal einen nervösen Blick nach unten geben könnte, ist nicht auszuschließen. Die bisherigen Auftritte geben wenig Anlass, anderes anzunehmen.
Gegner Wolfsburg kam nicht gut in die neue Saison
Dass der 1. FC Köln nicht der einzige Verein mit Problemen ist, zeigt der kommende Gegner. Lediglich zwei Punkte und ein Torverhältnis von 2:6 Toren weist die Tabelle für den VfL Wolfsburg nach dem vierten Spieltag aus. Ohne Zweifel: Der VfL ist unter Neucoach Nico Kovac nicht gut aus den Startblöcken gekommen, auch wenn in den ersten vier Spielen bereits Spiele gegen die Bayern und Leipzig auf dem Spielplan standen.
“Zwei Punkte sind zu wenig, damit sind wir nicht zufrieden“, erhöhte der ehemalige Kölner Manager und jetzige VfL-Geschäftsführer Jörg Schmadtke dennoch bereits den Druck auf Kovac. „Es bedarf ein bisschen Zeit, das war mir klar“, schränkte er zwar anschließend ein, dennoch darf sich die schlechte Vorsaison nicht wiederholen, ohne dass auch Schmadtke am Mittellandkanal in Frage gestellt wird.
Dies sollte Chancen für die Kölner eröffnen. Die Intensität der Wolfsburger sollten die Kölner nach einer Woche ohne Pflichtspiel unter der Woche matchen können und darüber hinaus besser eingespielt sein als die “Wölfe”, die zuhause das Spiel machen müssen. Dennoch ist es eine der schwereren Auswärtsaufgaben für den 1. FC Köln vor dem kölschen Feiertag an der Côte d’Azur am kommenden Donnerstag. Nicht zu erwarten ist, dass Baumgart am Samstag Stammspieler für das Spiel in Frankreich schonen wird, die Fragen nach der richtigen Spielidee, dem zuverlässigen Stürmer und einer angemessenen Balance wird sich allerdings dennoch ebenfalls in der Gästeumkleide in Wolfsburg umziehen und wartet dringend auf Beantwortung.
So könnte der FC spielen
Schwäbe – Schindler, Kilian, Hübers, Pedersen – Skhiri, Hector – Thielmann, Ljubicic, Kainz – Tigges