Als der Rasen voller ekstatischer Fans war, reichte es mir. Zehntausende bejubelten den Aufstieg des 1. FC Köln, als hätte dieser gerade per Kraftakt den Einzug in den Europapokal geschafft. Toni Schumacher lachte ins “Sky”-Mikrofon, die Spieler mischten vor den Fans mit, nachdem sie die “Meisterschale” überreicht bekamen. Die Fans zerpflückten den Rasen, um ihr Stück mitzunehmen, einige demontierten sogar die Tore. Euphorisch zückten viele ihr Handy, um diese eigentlich gar nicht so historischen Momente bildlich festzuhalten. Ich nicht. Ich stand wie angewurzelt auf meinem Tribünenplatz und starrte ungläubig auf das Feld. Ich fragte mich unaufhörlich, was diese Ekstase rechtfertigte. Denn für mich lief dieser Aufstieg so emotionslos ab wie keiner der fünf in der Vereinsgeschichte zuvor.
Die Umstände vermiesen die Stimmung – eigentlich
Zum besseren Verständnis: Der effzeh stieg auf, weil er für einen Zweitligisten absurd viel Geld investieren konnte. Er erkaufte sich den Aufstieg teuer und beschnitt sich damit massiv den finanziellen Spielraum für die nächsten Jahre. Die sportlichen Leistungen blieben dabei zwar ausreichend, aber eben auch dürftig. Ein Trainer wurde mit hoher Abfindung entlassen, der Präsident sogar rausgemobbt. Einer der Geschäftsführer offenbarte Unkenntnis über die Vereinsstrukturen und wirkte gleichzeitig inkompetent in seinem Aufgabenfeld. Die Spieler präsentierten sich teilweise großkotzig und stellten in Interviews und auf dem Platz gerne auch mal deplatzierte Überheblichkeit zur Schau. Die Vizepräsidenten betrieben derweil im Stillen ihren Wahlkampf und ließen den Geschäftsführern freie Hand.
Doch nichts davon beeinträchtigte die Feierei. Und ich fragte mich: Ignorieren die Platzstürmer von heute diese Umstände? Blenden sie sie vielleicht nur besser aus als ich? Oder interessieren sie sich überhaupt nicht dafür?
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Fans und Club suchen nach Selbstinszenierung
Sicher bin ich mir nur in einem: Viele Fans bedienten mit der merkwürdigen Feierei eine Sucht nach gemeinsam ausgelebter guter Laune. Dafür kamen sie schließlich ins Stadion. Dass dieser Tag, dieses letzte Heimspiel, mit dem Aufstieg verbunden war und womöglich keine Jubelszenen, mit denen sie ihre Instagram-Story füllen können, liefern würde, war für sie keine Option. Also erzwangen sie die Bilder. Die 3:5-Niederlage spielte dabei keine Rolle. Der Wunsch bestand für viele am Sonntag offenbar weniger darin, einen Sieg der Mannschaft zu sehen, sondern sich als Teilnehmer der “typisch kölschen” Aufstiegsfeier zu inszenieren.
Dem 1. FC Köln gefiel das. Wahrscheinlich. Ernsthafte Versuche, einen sogenannten Platzsturm zu verhindern, gab es nämlich nicht. Ich hatte sogar den Eindruck, dass der Club die vermeintlich euphorischen Szenen provozieren wollte und die Fans freiwillig auf den Rasen laufen ließ. Schließlich lassen sich Jubelszenen ausgezeichnet vermarkten – nach innen und außen.
Nach außen zeigen sie, welch tolle Emotionen und Szenen bei einem Stadionbesuch entstehen können. Nach innen signalisieren sie hohe Zufriedenheit im Umfeld, ermöglichen das Ausblenden von Kritik und wirken wie eine Bestätigung dafür, dass das Marketing die Fans hypnotisieren kann. Seit Jahren schlägt der Club mit Werbekampagnen auf seine Anhänger ein wie ein Schmied auf seinen Amboss. Deswegen war die 3:5-Pleite am Ende sogar ein Erfolg – im Marketingjargon gesprochen: “Unsere Fans feiern trotz Niederlage ausgelassen! Sie sind die Besten der Welt!”
Die Feier war befremdlich
Und genau hier stimmt etwas nicht. Mich befremdete dieses Geschehen. Die Jubelstürme passten nicht zum Bild, das der Verein abgibt. Das Gesamtbild wirkte erzwungen, mochten sich die Beteiligten noch so viel Mühe geben. Und deswegen war die Feier auch beendet, als alle ihre Bilder und Videos im Kasten hatten. Stück für Stück entwickelt sich der 1. FC Köln zu einem Kunstprodukt. Denn die Szenen, die Bilder und Videos waren kaum das Resultat großer Freude über den Aufstieg. Sie sind für den Club und viele Fans zum Selbstzweck geworden. “Aufstieg in Müngersdorf – wir waren dabei!” Das ist alles. Das ist die narzisstische Botschaft, die ausgesendet wurde.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Jeder kann seine Feste feiern, wie sie fallen – in Köln ja sowieso. Ich kann und will auch niemandem vorschreiben, wie er sich wann beim effzeh zu verhalten hat, ich bin ja schließlich nicht Markus Ritterbach. Aber ich halte es für gefährlich, dass es im Verein und seinem Umfeld wichtiger zu sein scheint, schöne Bilder zu produzieren, als die Saison zu hinterfragen und zu analysieren, damit der Club womöglich nie wieder aufsteigen muss, sondern dauerhaft in der Bundesliga überleben kann. Spöttisch könnte man sagen: Immerhin hier gehen Spieler, Fans, Angestellte und Vereinsvertreter Hand in Hand. Nur wohin sie gehen, das weiß ich nicht. Mir wird bei dem Gedanken daran jedoch mulmig zumute.