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Arsenal-Experte Lee Hurley: “Die Europa League ist eine willkommene Abwechslung”

Foto: Julian Finney/Getty Images

Zu Gast beim Arsenal FC: Das hätten sich die Fans des 1. FC Köln lange nicht zu träumen gewagt. Ob das Gefühl auf der Gegenseite geteilt wird, fragen wir Arsenal-Fan Lee. 

Auf der einen Seite Arsenal FC – ein Schwergewicht des europäischen Fußballs, eigentlich Stammgast in der Champions League. Auf der anderen Seite der 1. FC Köln, nach einem Vierteljahrhundert schnödem Dahinvegetierens endlich zurück auf der großen internationalen Bühne. Ganz Köln ist schon völlig aus dem Häuschen, dass es wieder im Europapokal zur Sache geht. Doch wie sieht das eigentlich die Gegenseite? Wir sprachen mit “Daily Cannon”-Blogger Lee Hurley über den Trostpreis Europa League, Arsené Wenger und Lukas Podolski.

effzeh.com: Ein Europa-League-Spiel an einem Donnerstagabend ist garantiert kein Highlight für Arsenal-Fans – das Spiel gegen Köln hat mit Sicherheit nicht dieselbe Bedeutung, die es für uns hat. Freust du dich trotzdem darauf oder möchtest du die Gruppenphase nur hinter dich bekommen, um nächstes Jahr in der K.O.-Runde richtig loszulegen?

Lee Hurley: Um ehrlich zu sein freue ich mich auf das Spiel. Es ist ein ganz neuer Wettbewerb für uns und jeder denkt, dass wir gut abschneiden werden. Das ist ein Unterschied zur Champions League, wo das einzige, was von uns erwartet wurde, das Weiterkommen in der Gruppenphase und dann das Ausscheiden gegen Bayern München oder Barcelona war. Es ist darüber hinaus auch frustrierend, jedes Jahr aufs Neue von Mannschaften rausgeworfen zu werden, von denen unser Vorstand sagt, dass wir eigentlich mit ihnen konkurrieren. Die Europa League ist eine willkommene Abwechslung.

Die ewige Wenger-Frage: “Wechsel im Management notwendig”

effzeh.com: Wenger in, Wenger out – viel von dem, was man in Deutschland über Arsenal hört, hat mit der ewigen Frage über die Zukunft des Managers zu tun. Wie ist deine Meinung dazu? Ist er immer noch der richtige Mann für die Gunners?

Hurley: Nein. Ich liebe Arsène Wenger, aber er muss Arsenal jetzt verlassen. Es geht nicht darum, dass er den Job als Manager nicht mehr beherrscht, es geht einfach darum, dass er es bei Arsenal nicht mehr kann – es ist einfach fad geworden. Ich würde es natürlich gerne sehen, wenn er mich eines Besseren belehrt, aber das sage ich schon seit Jahren und die Dinge haben sich eben einfach nicht verändert. Generell ist Veränderung nur um der Veränderung willen selten gut, aber bei Arsenal braucht es einfach einen Wechsel im Management, um in die Erfolgsspur zurückzukehren.

Ich liebe Arsène Wenger, aber er muss Arsenal jetzt verlassen.

effzeh.com: Nach vielen Jahren Champions-League-Fußball muss Arsenal jetzt in der Europa League ran – die Erwartung ist dann auch, dass man den Wettbewerb auch gewinnt, wenn man denn schon teilnimmt. Wahr oder falsch?

Hurley: Ich denke, Arsenal ist aufgrund des Koeffizienten ein großer Favorit für den Gewinn des Wettbewerbs. Aber ich glaube nicht, dass man viele Arsenal-Fans findet, die zu weinen beginnen, wenn man aus dem Wettbewerb früh ausscheidet. Die Europa League wird in England einfach nicht ernstgenommen.

Die schwierige Beziehung zwischen den Arsenal-Fans und Sanchez

effzeh.com: Topspieler Alexis Sanchez hat kürzlich mehrfach den Wunsch geäußert, den Verein zu verlassen – was bedeutet das für die Beziehung zwischen ihm und den Fans? Wie sieht es da momentan aus?

Hurley: Alexis hat gemischte Reaktionen bekommen, als er am Wochenende gegen Bournemouth in der zweiten Halbzeit eingewechselt wurde. Es gab viele laute Buh-Rufe, die komplett nachvollziehbar waren. Alexis ist ein sehr talentierter Spieler, aber auch ein großes Baby – ein “manchild”, dem der persönliche Erfolg wichtiger ist als der des Teams. Ich hätte es gerne gesehen, wenn wir ihn in diesem Sommer verkauft hätten und das Geld dazu genutzt hätten, ihn mit einem Spieler zu ersetzen, der gerne im Verein ist und weiß, was es bedeutet, ein Teil des Teams zu sein. Wenn er jetzt wieder anfängt, Tore zu schießen, werden ihm viele verzeihen und ihren Ärger dann auf den Verein richten, wenn Sanchez im nächsten Sommer ablösefrei geht. Aber es wird auch viele geben, die nicht vergessen werden, wie er sich in den letzten Monaten benommen hat.

Foto: Julian Finney/Getty Images

effzeh.com: Was denkst du über die drei deutschen Spieler im Kader?

Hurley: Ich liebe Mesut Özil über alles und kann nicht verstehen, wieso Medien und Experten so dumm sind, wenn es um seinen Spielstil geht. Naja, ich verstehe es schon – “Leidenschaft” und “Herz” werden höher eingestuft als Talent und alles andere. Wenn Özil wie ein kopfloses Huhn herumrennen würde und gleichzeitig weniger effektiv auf dem Platz wäre, würde wesentlich besser über ihn berichtet werden, als es seit seiner Ankunft bei Arsenal der Fall war. Was Mustafi betrifft: Ich bin auch ein großer Fan von ihm und kann nicht verstehen, warum es so viele Gerüchte darüber gibt, dass Arsène Wenger ihn nicht schätzt. Bezüglich Mertesacker: Der “BFG” ist ein Spieler mit Kultstatus im Klub. Er ist durch und durch Arsenal und wird dafür geliebt. Er ist ein weiterer Spieler, der nicht ernst genommen wird, nur weil er bei Arsenal spielt.

Auf der nächsten Seite: Hurley über Podolski, die Bundesliga und Stehplätze.

effzeh.com: Ein Spieler, der für beide Vereine spielte, ist Lukas Podolski, Kölns größtes Idol. Was ist deine beste Erinnerung an seine Zeit in London?

Hurley: Das müssen seine Tore gegen Tottenham gewesen sein. Podolski als Typ ist überragend witzig. Trotzdem war der Spielertyp nie so richtig etwas für mich. Klar, er hat einen guten Abschluss, aber sein Beitrag zur Mannschaftsleistung ließ viel zu wünschen übrig. Deswegen wird er von Arsenal-Fans auch nicht so wertgeschätzt wie von Köln-Fans.

effzeh.com: Weißt du sonst irgendetwas über den effzeh abseits von Podolski? Wie wird der Verein in Großbritannien wahrgenommen?

Hurley: Ich muss ganz ehrlich sein: Ich weiß brutal wenig und das ist in der Öffentlichkeit hier wahrscheinlich dasselbe. Mainstream-Fußball in England ist sehr auf sich selbst bezogen und wenn es dann schon einmal etwas über Mannschaften aus anderen Ligen berichtet wird, dann über die besten Drei oder Vier – das war’s.

Podolski jubelt über eines seiner Tore gegen Arsenal | Foto: EMMANUEL DUNAND/AFP/Getty Images

Der Gruppensieg ist für Arsenal keine Selbstverständlichkeit

effzeh.com: Mit Borisov, Belgrad und dem effzeh in einer Gruppe – was ist deine Prognose für Arsenal in der Gruppenphase der Europa League? Oder anders gefragt: Wer wird Zweiter hinter den Gunners?

Hurley: Anzunehmen, dass Arsenal die Gruppe gewinnt, ist verrückt. Wir werden das wahrscheinlich schon tun, aber wir haben es hier mit einer Mannschaft zu tun, die sich regelmäßig selbst in den Fuß schießt – viel wird also davon abhängen, ob die Mannschaft es auf die Reihe bekommt, wenn die Spiele anstehen. Das heißt, dass Arsène Wenger sehr wahrscheinlich viele junge Spieler und Reservisten (und Alexis!) einsetzen wird und das bedeutet, dass wir wahrscheinlich etwas mehr Einsatz sehen würden. Die beste Elf hat leider die schlechte Angewohnheit, Spiele so anzugehen, als hätte sie bereits alles gewonnen, als wäre alles eine Selbstverständlichkeit – gerade bei Auswärtsspielen. Ich würde gerne den 1. FC Köln als einen der Klubs sehen, der weiterkommt, aber wer es dann tatsächlich schafft – keine Ahnung!

Unsere Abwehrspieler haben die Angewohnheit, in der gegnerischen Hälfte herumzuwandern und die Hälfte des Spielfeldes komplett unbewacht zu lassen.

effzeh.com: Beide Klubs haben kürzlich Scouting-Informationen ausgetauscht und deswegen können wir ja auch mal nachfragen, wie man das Team von Arsenal momentan am besten schlagen kann.

Hurley: Das ist einfach: tief verteidigen mit zwei Ketten und uns dann im Konter vor Probleme stellen. Es ist eine garantierte Möglichkeit, Arsenal zu schlagen, wenn man schnelle und eiskalte Stürmer hat, das wurde oft unter Beweis gestellt. Unsere Abwehrspieler haben die Angewohnheit, in der gegnerischen Hälfte herumzuwandern und die Hälfte des Spielfeldes komplett unbewacht zu lassen.

Highbury: “Ein Jahrhundert voller Erinnerungen”

effzeh.com: Fans aus der Bundesliga und speziell aus Köln sind bekannt für ihre Leidenschaft und großartige Unterstützung. Die Atmosphäre in Premier-League-Stadien ist definitiv anders als im Rest von Europa und wie du weißt, gibt es keine Stehtribünen in England mehr. Vermisst du das? Wird es sie eines Tages vielleicht doch wieder geben?

Hurley: Es gibt Initiativen, die sich um die Wiedereinführung des “safe standing” kümmern, aber bis das wieder passiert, gehen mindestens fünf weitere Jahre ins Land. Ich bin selbst auf Stehplatz-Tribünen groß geworden und habe es geliebt – aber ich bin auch relativ klein, deswegen war es immer schwierig, das eigentliche Spiel zu sehen. Aus persönlichen Gründen bin ich daher bei diesem Thema etwas zwiegespalten!

effzeh.com: Vermisst du Highbury nach all den Jahren?

Hurley: Es ist schwierig, Highbury nicht zu vermissen. Es war ein ikonisches Stadion, durchtränkt mit Geschichte. Das Emirates ist mitterweile mehr zu unseren Zuhause geworden, als es noch am Anfang war – direkt nach der Eröffnung als Beton-Muschel. Kein neues Stadion kann es jemals mit dem Alten aufnehmen, mit dem alle bei Arsenal fast ein Jahrhundert an Erinnerungen verbinden.

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