Armin Veh war sauer. Er trat nach dem 2:1 gegen den FC Ingolstadt vor die Presse und ließ Dampf ab. Sein Ziel: Ein von den Vereinsmitgliedern demokratisch gewählter Mann, der jahrelang die Mitglieder vertreten hat. “Wir haben schon genügend Leute im Mitgliederrat sitzen, die Vollamateure sind und meinen, den Verein übernehmen zu können. Der mit dem Doppelnamen ist unerträglich” keifte Veh über Stefan Müller-Römer.
Fünf Monate später zeterte Veh erneut über einen demokratisch legitimierten Vereinsvertreter. Dieses Mal attackierte er den Präsidenten des 1. FC Köln. “Deshalb gibt es immer noch ein Problem innerhalb des Vereins, das hat was mit Vertrauen zu tun. Und das ist irreparabel.” Damit nicht genug: “Bei allem anderen wird es irgendwann Konsequenzen geben.” Damit zog Veh eine Linie, von der er nicht mehr zurückweichen kann. Die verschiedenen Akteure beim effzeh reagierten darauf bislang unterschiedlich.
FC-Innenleben: Spinner ist isoliert, die Vizes unkollegial
Werner Spinner äußerte sich bislang nicht öffentlich zu Vehs Angriff. Er dürfte diesen jedoch kaum unbeantwortet lassen. Ein Treffen mit seinen Vizepräsidenten und den Geschäftsführern ließ er am Dienstagabend grundlos platzen, innerhalb des Vereins ist er isoliert. Um Armin Veh zu entlassen, benötigt Spinner eine Mehrheit im Gemeinsamen Ausschuss. Diese ist jedoch nicht absehbar. Weder Markus Ritterbach und Toni Schumacher noch die Mitgliederräte Stefan Müller-Römer und Carsten Wettich oder die Aufsichts- und Beiratsvorsitzenden Lionel Souque und Karl-Ludwig Kley sind eindeutig auf Spinners Seite. Ihr Problem: Spinner ist unberechenbar. Von einer Versöhnung mit Armin Veh bis zu einem Rücktritt mit zahllosen Kollateralschäden ist alles denkbar. Als sicher gilt derzeit nur eins: Dass Werner Spinner nicht noch einmal als Präsident kandidieren wird.
Foto: Sebastian Bahr
Die Vizepräsidenten ließen Veh die Attacke auf ihren Kollegen durchgehen. Toni Schumacher sagte der “Deutschen Presseagentur” einen Tag nach Vehs Ausfall: “In erster Linie [geht es um] den Aufstieg des 1. FC Köln . Das haben wir unseren Mitgliedern ja auch versprochen. Da werden wir alles andere hinten anstellen und Ruhe im Verein bewahren.” Auf dem FC-Wagen am Rosenmontagszug lachten Veh und Schumacher zudem herzlich miteinander. Auch Vehs Kostümwahl als“Schwarzes Schaf” schien für Schumacher unproblematisch zu sein. All das deutet nicht darauf hin, dass Schumacher Vehs Angriff unkollegial oder vereinsschädigend fand. Was Markus Ritterbach darüber denkt, ist bislang unbekannt. Beide würden einen Rückzug Spinners jedoch wahrscheinlich begrüßen, da ihr Verhältnis als zerrüttet gilt.
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Aus dem Mitglieder- und Aufsichts- sowie aus dem Beirat drang bisher nichts nach außen. Die Telefondrähte der Beteiligten laufen hinter verschlossenen Türen jedoch heiß. Keiner von ihnen dürfte Vehs Attacke befürworten – ob sie seine Entlassung absegnen würden, ist aber unwahrscheinlich. Allerdings würden Souque und Kley in ihren Unternehmen einen Schritt wie den von Veh höchstwahrscheinlich mit einer fristlosen Entlassung quittieren. Und wenn Spinner hinschmeißt? Der Mitgliederrat müsste in diesem Falle ein kommissarisches Vorstandsmitglied benennen, das allerdings nur für ein halbes Jahr im Amt wäre.
Keine Beeinträchtigung dürfte die aktuelle Lage für die Suche nach einem neuen Vorstand darstellen. Es ist anzunehmen, dass der Mitgliederrat professionell seine Hausaufgaben gemacht hat und auf die meisten Szenarien vorbereitet ist – im Gegensatz zum Präsidium. Die jahrelangen Versuche von Vorstand und Geschäftsführung, ausgerechnet den Mitgliederrat als unseriösen Ursprung aller Unruhe im Verein zu diffamieren, haben sich nun endgültig als unbegründet erwiesen.
Die Medien: In Lager geteilt
Die Kölner Presse mischt bei den Kämpfen um die Deutungshoheit eifrig mit. Wer die Artikel genau liest, wird schnell wissen, welche Medien auf wessen Seite stehen – oder von wem sie ihre Informationen zugesteckt bekommen. Exemplarisch stehen dafür drei Medien: Der “Kölner Stadt-Anzeiger”, der “kicker” und der “Express”. Wer wissen möchte, was das Lager des Präsidenten zu den aktuellen Vorgängen denkt, sollte den “KStA” lesen.
“KStA”-Sportredakteur Christian Löer veröffentlichte gestern einen langen Artikel, in dem er die Verfehlungen Vehs aufzählte und ihm die Schuld für die (aus Vorstandssicht) desaströse Mitgliederversammlung zuschob. In einem weiteren Artikel empfahl der “KStA” dem Geschäftsführer Sport, er solle doch einfach persönliche Konsequenzen ziehen – und legte ihm somit einen Rücktritt nahe.
Wo der “kicker” steht, ist spätestens seit der Mitgliederversammlung klar: Dort bestätigte Toni Schumacher, dass der Journalist Frank Lußem ein guter Kumpel von ihm sei. Zum 65. Geburtstag von Schumacher führte Lußem nun ein dreiseitiges Interview mit dem Vizepräsidenten. Kritische Fragen waren Mangelware, das Interview dürfte allerdings auch bereits vor den Ereignissen vom Sonntag geführt worden sein. Dafür wandte sich Lußem nun am Sonntag gegen Spinner: “Der 70-Jährige ist mittlerweile zur großen Reizfigur innerhalb des Traditionsklubs geworden. Ein Mann, der polarisiert statt eint, dem Indiskretionen vorgeworfen werden und dessen Verhalten längst nicht mehr nur beim vorstandskritischen Mitgliederrat auf Unverständnis stößt” heißt es in Lußems Text. Der Vorwurf der Indiskretionen und Unruhestiftung ist erstaunlich, denn vor der Mitgliederversammlung hieß der “Spaltpilz” im Verein für Lußem noch Stefan Müller-Römer. Der Umschwung könnte darauf hindeuten, dass das Verhältnis zwischen Schumacher und Spinner zerrüttet ist, wobei die Verantwortung für die aktuelle Lage dem Präsidenten angelastet werden soll.
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Der “Express” positioniert sich derweil auf keiner Seite. Die Journalisten um Alexander Haubrichs scheinen das komplette Geschehen am Geißbockheim nur noch mit Kopfschütteln zur Kenntnis zu nehmen. Eine Parteiergreifung ist nicht erkennbar. Das überrascht, weil der “Express” noch vor einigen Jahren ungeniert Werbung für einzelne Spieler in Form von Homestorys und anderem machte. Jahrelang hockten die Reporter auf dem Schoß einzelner Spieler, am intensivsten auf dem von Milivoje Novakovic. Doch die Zeiten haben sich geändert: Von den gewinnorientierten Medien bietet der “Express” derzeit den neutralsten Überblick.
Der Ausblick: Eindeutige Verlierer sind nur die Mitglieder
Kurzfristig sind zahlreiche Folgen denkbar, deren Wahrscheinlichkeiten nicht abschätzbar sind. Radikale Wege (Spinner tritt zurück, Veh wird entlassen oder schmeißt hin) könnten sich ergeben, auch Kompromisse scheinen möglich (beide schließen einen Burgfrieden bis zum Saisonende, Veh entschuldigt sich oder wird abgemahnt, aber nicht entlassen). Denkbar ist auch, dass gar nichts passiert. Denn im Falle einer radikalen Option müssten die Verantwortlichen eine personelle Vakanz füllen, woran momentan kaum jemand Interesse hat. Vollständig aus dem Fokus rückte lediglich einer: Markus Anfang. Die drei Siege verschafften dem Trainer Luft, der Zwist zwischen Spinner und Veh ebenfalls. Die sportlichen Darbietungen verbesserten sich zwar nur bezüglich der Ergebnisse, aber das interessiert zur Zeit erstaunlich wenige Leute.
Foto: Simon Hofmann/Bongarts/Getty Images
In mittel- und langfristiger Hinsicht hat Veh dem ohnehin angeknockten Präsidenten vermutlich den vereinspolitischen Gnadenstoß versetzt. Spätestens jetzt ist Spinner ein Einzelkämpfer auf Abschiedstournee. Seine Vizepräsidenten und/oder Alexander Wehrle werden versuchen, sich staatsmännisch als Ruhestifter zu inszenieren, um die Gunst des Umfelds zu erlangen. Dabei kann der Inhalt von Vehs Vorstoß sie kaum überrascht haben. Wahrscheinlicher ist, dass sie auf diese Gelegenheit warteten, um Spinner nun abschießen zu können. Das unkollegiale Verhalten, das mindestens Ritterbach und Schumacher zeigten, ist ein klares Indiz dafür. In der Vergangenheit war Spinner für sie noch der schützenswerte Mann an der Vereinsspitze, jetzt soll er plötzlich der Sündenbock sein. Das passt nicht zusammen.
Verlierer in fast allen denkbaren Szenarien sind die Mitglieder, deren Verein durch intrigante Spielereien alter, eitler Männer in einen immer tieferen Dreck gezogen wird. Die Kernfrage “Wer ist gut und wer ist böse?” kann derzeit niemand mehr beantworten.