“Iehrefeld, Raderthal, Nippes, Poll, Esch, Pesch un Kalk
Üvverall jitt et Fans vom FC Kölle.”
Üvverall ist in diesem Fall gute 8.000 Kilometer weit weg – oder 5.000 Meilen, wie es richtiger heißen sollte. Genau, es geht in die USA, beinahe bis an die Westküste, beinah bis nach Kanada. In den Bundesstaat Washington (nicht zu verwechseln mit der Stadt Washington, die nicht nur auf der anderen Seite des Kontinents liegt sondern auch, welch Überraschung, in einem anderen Staat. District of Columbia für die Lernwilligen), genauer gesagt nach Seattle, mit 600.000 Einwohnern die deutlich größte Stadt im nordwestlichsten Bundesstaat (wenn man Alaska nicht mitzählt). Seattle, die Stadt in der Boeing mal die Konzernzentrale hatte, wo heute noch Microsoft, Amazon und T-Mobile USA sitzen, die Stadt in der die Erfolgsgeschichte von Starbucks begonnen hat und wo die Space Needle steht. Sportlich bekannt für die mittlerweile verzogenen Seattle Supersonics (NBA), die Mariners (MLB) und die Seahawks (NFL). Sieht man vom Titel der Sonics ’79 ab, sportlich zwar immer mal ganz erfolgreich, jedoch nie an der Spitze.
Aber hier geht es nicht um Basketball, Baseball oder Football. Hier geht es um Fußball und auch den gibt es in Seattle. Seit 2009 gibt es den Seattle Sounders FC. Der Club, oder das Franchise, wie man richtigerweise sagen sollte, hat zwar auch noch keine Meisterschaft gewonnen, stand dafür seit der Gründung konsequent in jedem Pokalfinale. Bis auf das diesjährige auch erfolgreich. Aber was hierzulande reicht um endlich wieder Europapokal zu spielen, berechtigt bei der CONCACAF gar für die Champions League Qualifikation. Zugegeben, in Ermangelung einer Europa League bleiben nicht so viele Alternativen, aber egal. Seattle hat es jedenfalls nach allen Pokalsiegen durch die Qualifikation in die Gruppenphase geschafft. Beim zweiten Versuch sogar eine Runde weiter und aktuell sind sie Tabellenführer in ihrer Gruppe. Die Spiele der Sounders gehören zu den bestbesuchten in der Major League Soccer, man kann also behaupten, Fußball hat durchaus einen gewissen Status in der Region. Ein Schelm wer denkt, das liegt bloß an der Erfolglosigkeit der anderen Teams. Immerhin waren bereits in der ersten Saison alle Dauerkarten verkauft. So.
Warum ich das alles erzähle? Eigentlich nur um das bisschen Bildungsauftrag zu erfüllen, den ich mir selbst gegeben habe. Na gut, vielleicht auch, weil ich kürzlich einen der schönsten Artikel gelesen habe, in dem jemand beschreibt, wie er seine Liebe zum effzeh entdeckt hat. Dieser Artikel stammt von Randall und Randall wohnt in Seattle. So, Brücke geschlagen, alle an Board, dann kann es ja endlich losgehen.
effzeh.com: Hallo Randall. Könntest Du uns zum Start ein wenig von Dir erzählen?
Randall: Sicher. Ich bin 42 Jahre, Vater bald zweier Kinder aus Seattle. Ursprünglich stamme ich aus Michigan, wo ich auch studiert und ein Studienjahr in Wuppertal verbracht habe. Mittlerweile habe ich mich mit meiner Frau in ihrer Heimatstadt niedergelassen und arbeite als Redakteur für www.allrecipes.com.
effzeh.com: Bemerkt habe ich Dich vor kurzem bei Twitter (@geissbockUSA) aber besonders ist mir Dein Blog, in dem Du beschreibst, wie Du an den effzeh gekommen bist, im Kopf geblieben. Gibt es für unsere Leser eine Kurzfassung, bitte?
Randall: Bevor ich nach Deutschland gekommen bin, dachte ich Fußball sei ein Mädchensport, weil es in meinem Heimatort nur ein Mädchenteam gab (mittlerweile gibt es auch eins für Jungs). Mein sportliches Interesse lag bei Baseball, American Football, Eishockey und Basketball. Ich wusste nicht einmal, dass es Fußballligen gibt. Während meiner Zeit in Wuppertal hat mich ein Freund zu ein paar Spielen mitgenommen (BVB gegen Bayer04 und Wattenscheid gegen die Bayern), damit war der Anfang getan. Allerdings gab es in den 90ern kaum Berichterstattung zum Thema Fußball in den Staaten, so dass das Interesse wieder einschlief.
Vor ein paar Jahren habe ich herausgefunden, dass GolTV, ein amerikanischer Sportsender, Bundesligaspiele überträgt, die ich teils aus sportlichem Interesse, teils aus nostalgischen Gründen an die Zeit in Deutschland angesehen habe. Ein bestimmtes Team habe ich da allerdings noch nicht verfolgt.
An einem Spieltag in der Saison 2010/11 wachte mein Sohn so früh morgens auf, dass ich mich mit ihm, dem Schlaf seiner Mutter zuliebe, ins Wohnzimmer gesetzt habe. Es war tatsächlich so früh, dass ich trotz neun Stunden Zeitunterschied das erste Live-Spiel im Fernsehen sah. Ich weiß nicht mehr, gegen wen der effzeh damals gespielt hat, aber als der Kommentator für die Hymne seine Berichterstattung unterbrach, fesselte mich die Stimmung und die Atmosphäre. Besonders haben mir die Spieler Geromel, Podolski und Matuschyk durch ihre Spielweise gefallen, auch die Stadt selbst hatte ich noch in guter Erinnerung. Und so kam es, dass ich durch dieses Spiel meine Liebe zum effzeh entdeckt habe.
effzeh.com: Wie schwer hast Du es in den USA dem effzeh und den Spielen zu folgen? Liest Du viele deutsche Blogs und Artikel?
Randall: Dank dem Internet ist es nicht zu schwer die Geschehnisse zu verfolgen. Da das erst meine zweite Saison als wirklicher Fan ist, entdecke ich regelmäßig neue Quellen, wie auch effzeh.com. Meine noch rudimentär vorhandenen Deutschkenntnisse werden stetig besser, es fällt aber noch schwer alles zu verarbeiten.
Außerdem habe ich FC.TV am Tag vor dem ersten Spieltag bestellt, so dass ich die Spiele in guter Qualität und voller Länge zumindest als re-live angucken kann. Glücklicherweise ist es hier in Seattle noch sehr früh morgens, wenn der effzeh spielt, so dass ich es auch schaffe mich nicht bei Facebook und Twitter zu informieren, bevor ich das Spiel gucken kann. Wobei ich sehr gerne die Spiele auch live sähe. Der effzeh hat mich nun mal in seinen Bann gezogen.
effzeh.com: Was sollte man Deiner Meinung nach in puncto Berichterstattung verbessern, so dass Du nicht einer von wenigen Fans aus Amerika bleibst?
Randall:In Amerika werden weniger einzelne Clubs als die ganzen Ligen vermarktet und leider, so sieht es zumindest aktuell aus, wird es hier in Zukunft eher weniger Bundesliga geben. Die drei wöchentlich im Stream von ESPN abrufbaren Bundesligaspiele scheinen diese Saison nicht mehr stattzufinden, zumindest bisher nicht. GolTV hat zwar auf vier bis fünf Spiele pro Woche erhöht, jedoch ist der Sender im Kabelnetz bei kaum einem Anbieter erhältlich und über Satellit soll er bald nicht mehr im Sport- sondern nur noch im Spanischpaket verfügbar sein.
Es gab ohnehin nie viel Berichterstattung für die Bundesliga, diese jetzt noch herunterzufahren wird es selbst für die großen Clubs schwierig machen, großes Interesse unter den fußballbegeisterten Amerikanern zu wecken.
Ich für meinen Teil werde weiter über den effzeh schreiben, in der Hoffnung mehr Menschen zu begeistern. Die meisten Fußballinteressierten aus Seattle sind dem heimischen Verein jedoch näher. Zusätzlich vielleicht noch ein Club aus der Premier League und einer der beiden Großen aus der Primera Division, das war es dann aber auch. Die Bundesliga findet hier bisher kaum statt und man hat nicht das Gefühl, dass die Liga und Vereine das ändern wollen. Aber die wenigen, die sich um den deutschen Fußball kümmern, versuchen das so sehr und lautstark wie möglich zu tun.
effzeh.com: Klingt als wärst Du trotzdem recht gut informiert, wie die Spiele gelaufen sind. Hast Du aus dem aktuellen Kader bereits einen Lieblingsspieler? Ist Dir jemand besonders aufgefallen?
Randall: Adam Matuschyk ist für mich immer noch ein herausragender Spieler. Er spielt mit Aggressivität und Einsatz, so, wie ich mir das wünsche, auch wenn es nicht immer gutgeht. In ihm haben wir einen sehr guten Spieler, der durch diesen Einsatz Defizite in puncto Erfahrung und Qualität wettmacht. Außerdem halte ich viel von Christian Clemens, der bislang zwar noch nicht so gut in die Saison gefunden hat, aber zum Führungsspieler für die Offensive werden kann und sollte.
Darüber hinaus hat sich mir noch keiner der Spieler besonders aufgedrängt. Einzig auf die Entwicklung von Timo Horn und Daniel Royer bin ich gespannt. Talentiert und vielversprechend wirken die beiden auf mich, ob sie konstant Leistung bringen können bleibt abzuwarten.
In der Vorbereitung habe ich verstärkt auch Chong Tese geachtet, der sich meiner Meinung nach allerdings kaum weiterentwickelt hat. Ich hoffe er kriegt die Kurve noch oder Ishak beziehungsweise einer der beiden Neuen lässt Stanislawski keine Chance, was diese Position angeht.
effzeh.com: Nach allem, was Du bisher gesehen hast, was fehlt im Team?
Randall: Ganz offensichtlich fehlt es der Mannschaft an einem Knipser. In allen Bereichen außer beim Torschießen und bei schnellen Innenverteidigern zur Kontervermeidung funktioniert die Mannschaft meiner Meinung nach sehr gut. Leider ist es diese Saison schon häufiger so gewesen, dass das über 90 Minuten bessere Team am Ende leer ausging. Das ist etwas, was es im amerikanischen Sport nicht gibt, hier gewinnt der Bessere beinahe immer (und spielt nicht Unentschieden!).
Aber ist es nicht das, was den Reiz ausmacht?
effzeh.com: Wie schätzt Du die beiden Verstärkungen ein, die kurz vor Ende der Transferphase noch geholt wurden?
Randall: Sascha Bigalke ist mir vom Pokalspiel gegen Unterhaching in Erinnerung geblieben. Ich habe zwar nur das eine Spiel von ihm gesehen, aber was ich gesehen habe, erinnerte mich von der Spielanlage an Shinji Kagawa. Er war der herausragende Spieler bei der Spielvereinigung und ich bin froh ihn in Köln zu wissen. Von Anthony Ujah habe ich kurz vor Spielbeginn am Freitag das erste Mal gehört.
Die bisherigen Spiele aber auch die Abgänge im Sommer haben das deutliche Gefühl hinterlassen, dass der effzeh etwas für die Offensive tun musste. Natürlich möchte ich, dass Ishak und Przybylko zu Stammspielern herangezogen werden, jedoch nicht auf Kosten des generellen Erfolgs des Teams. Etwas mehr Qualität, auch um intern den Druck zu erhöhen, kann da nicht schaden. Klar, der Verein ist finanziell nicht sonderlich gut aufgestellt und man hat sich jetzt darauf verständigt ein junges Team aufzubauen. Aber ein so großer Verein wie der effzeh sollte den Neuanfang und gleichzeitig eine Position vorne in der Tabelle anpeilen können.
effzeh.com: Und wo findet sich der effzeh am Saisonende wieder?
Randall: Wie ich schon in meiner Saisonvorschau für „Bundesliga Fanatic“ geschrieben habe, rechne ich mit dem dritten Platz und 63 Punkten. Auch wenn ich mittlerweile ein paar Bedenken diesbezüglich habe, will ich daran festhalten. Es ist noch zu früh um negative Stimmung zu haben.
Und wenn das Team einmal anfängt Tore zu schießen, kommt der Rest wie von selbst. Und am Ende lachen wir über die Panik der ersten Spieltage.
Hoffentlich…
effzeh.com: Vergangenen Freitag hat Kevin Pezzoni seinen Vertrag aufgelöst, weil er privat von ‚Fans‘ bedroht wurde.
Randall: Für mich sind das keine Fans. Sie schaden dem Verein anstatt ihn zu unterstützen. Wieder einmal sorgen einige wenige dafür, dass der Verein, weit über die Grenzen des Sports hinaus, in der Kritik steht.
Wahrscheinlich beglückwünschen die sich auch noch, dass sie ihren Willen bekommen haben. Dabei sollten sie ihre Energie lieber darauf verwenden, zu verstehen wie man den Verein wirklich unterstützt oder es ganz lassen. Es ist und bleibt jedem freigestellt, seine Meinung zu äußern, wenn ihm der Sinn danach steht auch, Spieler von der Tribüne aus auszupfeifen, auch wenn ich selbst kein Freund davon bin. Aber die Grenze, die hier überschritten wurde, geht weit über das hinaus, was einem Fußballspieler zugemutet werden darf. Das Wohl des Einzelnen zu bedrohen wegen einem Spiel? Auf keinen Fall!
effzeh.com: Du verfolgst die Geschehnisse um den Verein, wie viel hast Du vom Zwiespalt der Fangruppen und den Auswirkungen auf den Verein mitbekommen? Wie ist Deine, amerikanische Sichtweise auf die Situation?
Randall: Zugegebenermaßen habe ich nicht viel mitbekommen, bis auf die Szenen des letzten Spiels vergangene Saison, die mich sehr bedrückt haben.
Vor dem Start der MLS in Amerika, waren beinahe alle Nachrichten über Fußball die, in denen es um Ausschreitungen ging, was nicht gerade einen guten Ruf der Sportart gefördert hat. Vor meinem ersten Stadionbesuch im Westfalenstadion war ich tatsächlich ein wenig besorgt ob der erwarteten Kämpfe zwischen Hooligans, Flaschenwürfe etc.
Passiert ist davon nicht. Zumindest nicht, dass ich etwas mitbekommen hätte.
Ich habe zwar mittlerweile einiges über die Feindschaften verschiedener Fangruppen gelernt, allerdings interessiert mich das nicht. Auch hier in Seattle gibt es Fangruppen, die scheinbar mehr daran interessiert sind die beste Fangruppe zu sein als am Sport, also dem, was mich interessiert.
Auch die geographische Nähe ist hier einfach nicht so gegeben. Das nächste Team von Seattle aus ist in Portland, Oregon, und das ist immer noch gute drei Stunden Fahrt entfernt. Das Sportmarketing hier versucht diesen Spielen einen „Derby“-Stempel aufzudrücken, aber das wirkt sehr künstlich. Zumal diese Rivalität schwer zu verkaufen ist, wenn es die Teams teils vor zehn Jahren nicht einmal gab. Über die ‚Fans‘, die versuchen ihre Vorstellung von englischen Fußballfans umzusetzen möchte ich gar nicht erst anfangen.
Insgesamt finde ich, dass Tradition und Zusammenhalt etwas Gutes sind, die Sticheleien unter Rivalen eingeschlossen, allerdings nur solange es, wie hier in den Staaten, auf einer respektvollen und freundlichen Ebene passiert. Vielleicht sind Amerikaner da grundsätzlich nicht so verbissen, ich persönliche halte solche Konflikte für nicht wert sie ausarten zu lassen. Letztendlich sind wir alle nur Menschen und müssen nach dem Spiel wieder zusehen, unser Leben zu leben. Vielmehr sollte wir uns darüber freuen, dass es uns gut genug geht, unsere Sportbegeisterung auszuleben.
“Except those Leverkuseners! I hate them!
Just kidding.
Sort of…”
[Anm. d. Red.: Mir ist beim besten Willen keine adäquate Übersetzung dazu eingefallen.]
Das komplette Interview auf Englisch gibt es hier nachzulesen.