Langweilig wird es mit dem 1. FC Köln nicht. Das war vorhergesagt worden mit der Verpflichtung von Cheftrainer Steffen Baumgart und es bewahrheitet sich mehr und mehr. Spiele des FC werden zudem zu emotionalen Achterbahnfahrten. Fußball macht wieder Spaß — und das steht hier ganz bewusst nach einem Unentschieden gegen Nizza und dem Ausscheiden des glorreichen 1. FC Köln aus der Europa Conference League. Danke, FC. Danke an diese Mannschaft.
Es war bereits ein trauriges Gefühl im Herzen so mancher Kölner Anhänger, als Schiedsrichter Cesar Soto Grado zum Halbzeittee gebeten hatte. Die Mannschaft von Trainer Steffen Baumgart hatte sich sichtlich bemüht in den ersten 45 Minuten. Zunächst konnten die ballsicheren Franzosen immer wieder zu ihren Staffetten ansetzen und ließen das aggressive Anlaufen der FC-Offensive mit Steffen Tigges, Sargis Adamyan, Ondrej Duda, Florian Kainz und Denis Huseinbasic immer wieder ins Leere laufen. Dazu gesellten sich einige eigene Fehler im Spielaufbau. „Viel zu viele“, wie der als Kapitän aufgelaufene Florian Kainz nach dem Spiel bekennen würde. Doch dann fand sich der FC, zog ruhig und konzentriert sein Offensivspiel auf. Und eigentlich lag vor heimischer Kulisse gar der Führungstreffer in der Luft. Doch dann, der Doppelschlag von Nizza. Ja, teils unberechtigt anerkannt, aber eben dennoch ein Nackenschlag. Allem Einsatz zum Trotz sollte es nicht reichen.
Die Hoffnung
Oder doch? Der Gedanke an die vielen Rückstände in der aktuellen Spielzeit, die vielen Male, dass der FC doch noch hatte ausgleichen oder gar in Führung gehen können. Doch diesmal? Drei Tore wären notwendig. Trotzdem blitzte die Hoffnung auf beim Gedanken an die zweite Halbzeit: alles reinwerfen, alles nach vorne. Wieder einmal. Auf den Anpfiff der zweiten Halbzeit folgte dann aber viel mehr, die erste Viertelstunde war ein beispielloses, in dieser Form unerwartetes und berauschendes offensives Fest des Fußballs. Nizza wusste gar nicht mehr wohin mit sich. Erst scheiterte Sargis Adamyan noch am hervorragenden Nizza-Keeper Kasper Schmeichel (47.), dann traf Denis Huseinbasic (48.) zum Anschluss, nachdem er selbst den zweiten Ball nach einer Ecke festgemacht hatte. Über Kainz und Kristian Pedersen landete die Kugel im Strafraum wieder bei Huseinbasic und der vollzog den absoluten Euphorieschub. “Ich hatte echt das Gefühl, dass wir das wirklich noch schaffen können“, sagte Huseinbasic zu dieser Phase nach dem Spiel bei RTL.
Und so ging es allen Kölnern. Den 47.000 im Stadion und den 11 auf dem Rasen. Ondrej Duda traf nach Huseinbasic-Vorlage dann eine halbe Stunde vor Schluss zum 2:2, das Stadion bebte. Und eine Minute danach war die Sensation perfekt, das Wunder zum Greifen nah. Sargis Adamyan erzielte das 3:2. Doch die Freude wurde im Keim erstickt. Abseits. FC, was tust du nur mit unseren Gefühlen. Erst in der Folge konnte Nizza sich wieder einigermaßen zurechtfinden in diesem Spiel, das dann ausgeglichener wurde. Dennoch, mit weiteren Chancen, nicht zuletzt dem Kopfball von Benno Schmitz kurz vor dem Ende der Partie, wäre ein Heimsieg drin gewesen. Das Wunder war nicht weit entfernt. Am Ende jedoch jubelten die Franzosen, die sogar noch Gruppenerster wurden.
“Wir nehmen nur Positives mit, selbst mit den Fehlern. Wir hatten schon einige Fehler drin, das muss man sagen, das müssen wir auch besser machen, um gegen so eine Mannschaft zu bestehen“, bilanzierte Steffen Baumgart. Bemerkenswert nach dieser Achterbahnfahrt der Emotionen. Doch im Grunde genommen und bezogen auf die komplette Europapokal-Saison hat Baumgart natürlich recht. Die Enttäuschung nach diesem Spiel war dennoch allen Beteiligten ins Gesicht geschrieben. Florian Kainz sagte: „Im Endeffekt sind wir jetzt schon sehr enttäuscht. Wir haben heute am Ende die Chancen gehabt, das Spiel zu gewinnen.” Das Ausscheiden aus dem europäischen Wettbewerb sei ein trauriger Moment. „Für uns schade, für die Fans schade, für den Verein schade.” Und einer der Spieler der bisherigen Saison, Denis Huseinbasic, sagte: “Wir haben ‘ne klasse zweite Halbzeit gespielt, zwei Tore geschossen und sind traurig, dass wir es nicht geschafft haben.”
Was bleibt
Doch Trainer Steffen Baumgart verspürte bereits kurz nach dem 2:2 „trotz des Rausfliegens eine hohe Zufriedenheit.” Und auch Sportchef Christian Keller lächelte bereits kurz nach Abpfiff. Kein Wunder. Ein Kingsley Schindler, bereits als Fehleinkauf abgestempelt, liefert in dieser Saison immer wieder solide Leistungen ab, der junge Nikola Soldo, 21 Jahre alt, ist eine echte Alternative für die Stammformation, Kristian Pedersen, der im vergangenen Jahr noch in der zweiten englischen Liga kickte, bringt sich offensiv immer mehr ein, konnte gegen Nizza eine Vorlage verbuchen, die Geschichte von Denis Huseinbasic, der aus der vierten Liga in Offenbach an den Rhein kam, verzaubert ohnehin alle…und das sind nur einige der Personalien, die es zu nennen gilt. Mathias Olesen und Jan Thielmann kehren in diesen Tagen zurück, Thielmann bereits in den letzten fünf Minuten dieses Spiels inklusive Abschlusschance zum Sieg.
Der 1. FC Köln entwickelt sich und seine Spieler. Und das ist in dieser Phase des Vereins von unschätzbarem Wert. Dass dabei sogar etliche Verletzungen einigermaßen kompensiert werden, ist eigentlich nicht weniger als eine Sensation. Keller und Baumgart werden das einzuordnen wissen. Und das Ausscheiden aus der Europa Conference League in wenigen Tagen abhaken. „Wir müssen damit leben, dass wir keine Jungs haben, die abgebrüht, abgezockt sind. So weit sind wir noch nicht“ sagte Baumgart. Der Unterschied zu den cleveren Franzosen war an einigen Stellen in dieser Hinsicht zu sehen – und dennoch, der Fußball, den diese Kölner Mannschaft in der zweiten Halbzeit zelebrierte, war Balsam für die Seele. Er stimmt optimistisch für den weiteren Verlauf dieser besonderen Bundesliga-Saison. Noch drei Spiele bis zur WM-Pause — und danach wird dieser Effzeh wieder angreifen, mit vollem Einsatz, alles nach vorne. Vielleicht kommt am Ende ja das nächste große Abenteuer dabei heraus.