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Meinung

Airbag Schmadtke

Von Null auf Hundert in neun Wochen. Jörg Schmadtke ist gerade noch in der Eingewöhnungsphase beim FC und doch hat er schon einiges bewirkt.

© effzeh.com
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Von Null auf Hundert  in neun Wochen. Jörg Schmadtke ist gerade noch in der Eingewöhnungsphase beim 1.FC Köln und doch hat er schon einiges bewirkt. Ein Kommentar zu der Zuneigung zu einem Düsseldorfer. Schämen muss man sich da nicht.

Ich bin ja so einer, der findet immer alles super, was der FC macht. Ich will immer daran glauben, dass die Leute, die gerade da am Ruder sind, Ahnung haben und immer das Beste für den Verein wollen. Hey, ich bin Fan – ich muss das denken, ansonsten würde ich auf der Stelle tot umfallen.
Seit etlichen Jahren glaube ich an das Gute im effzeh. Als Finke kam, war ich positiv überrascht und durchaus gewillt, Sympathien für diesen Lehrer zu empfinden. Als Solbacken kam, war ich der Erste, der sich ein „Meister Propper“ Avatar  in jede Sozialen Netzwerken dieser Welt aneignete. Stani war für mich eh der Beste, auch wenn ich sein Trainertalent jetzt nicht so herausragend fand, selbst Daums Rückkehr fand ich messias-like und gesellte mich zu seinen Jüngern. Ja, auch Overaths Wahl zum Präsidenten 2004 fand ich äußerst sexy. Damals war ich davon überzeugt, dass wir über Jahre hinaus nun den Beckenbauers Bayern Paroli bieten würden. Es fehlte nur ein Harald Konopka, wahlweise Bernd Culmann oder Gerd Strack als Manager.

Nichts war‘s mit all dem. Zum heulen, aber wem erzähl ich das?

Eine neue Ära

Nun gibt’s eine weitere Ära FC  mit völlig anderen Kandidaten. Natürlich liebe ich unseren Vorstand und natürlich liebe ich alle, die für diesen großartigsten Klub der Welt arbeiten. Das letzte Jahr rund um den glorreichsten Verein der Welt war angenehm ruhig. Das Wort des Jahres war „Umbruch“.
Jetzt, bei Jörg Schmadtke,  musste ich allerdings schlucken. Ein Düsseldorfer als Sportchef oder neudeutsch: Geschäftsführer Sport? Wir haben doch schon einen Schwaben als Finanzchef oder neudeutsch: Geschäftsführer Finanzen, warum nun einer aus der verbotenen Stadt? Ich weiß es nicht, vor allem weil ich Schmadtke in Interviews, zu Zeiten bei Hannover 96, immer ziemlich blöd fand. Ich fand ihn wirklich nicht sehr sympathisch – wahrscheinlich ist das aber eher meinem Desinteresse gegenüber dem niedersächsischen Verein geschuldet, als dem Typ Schmadtke an sich. Seine Qualifikationen als Sichter und Manager  waren mir da völlig egal. Wer Düsseldorfer ist und für Aachen und Hannover gearbeitet hat, ist erstmal raus bei mir. Also so ganz raus. Ähnlich wie Klaus Allofs seit Wolfsburg ganz raus ist. Ist einfach so. So ist es einfach!

Das Sympathie-Fass bringen seine Spielerstationen auch nicht gerade zum überlaufen, auch wenn er seine Tätigkeiten bei Bayer Leverkusen und Borussia Mönchengladbach mit dem Satz rechtfertigte:“ Da habe ich ja nur Geld verdient“. Die Fans beim Mitglieder-Stammtisch vor rund drei Wochen fanden es komisch.

Neun Wochen im Amt

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Schmadtke ist nun ca. neun Wochen beim FC.  Laut seinen eigenen Aussagen braucht er zwölf Wochen, um den Verein und seine Strukturen kennenzulernen. Respekt Jörg, was Du in den schmalen Wochen beim FC geleistet hast. Selten ist ein Mensch in meiner Sympathie-Skala so schnell hoch geschnellt wie der neue Sportchef meines Herzensklub.  Schmadtke hat den gesamten FC jetzt schon erneuert.

Erstmals seit verdammt langer Zeit habe ich den Eindruck, dass das Geißbockheim kein Ponyhof mehr ist, wo jeder machen kann, was er will. Geht es um den Club, ist Schmadtke der Erste, der sein Gesicht hinhält.
Dabei verzichtet der neue Mann fürs Sportliche auf Phrasen, auch das „Schönreden“ findet der gebürtige Düsseldorfer albern. Für Medienvertreter ist er die erste Ansprechperson, selbst beim hauseigenen Sender werden nach dem Spiel Schmadtke Interviews hochgejazzt, noch vor der Analyse des Trainers Stöger. Beim FC-Stammtisch von Ralf Friedrichs oder auch in der interaktiven Sky Show „SL!“ wurde Schmadtke als eigentlicher Königstransfer des FC gehandelt.  Zu einem Zeitpunkt, wo er transfertechnisch gesehen noch nicht viel gezaubert hatte.  Dabei mag Schmadtke den Personen Kult gar nicht, wie er zu Beginn seiner Amtszeit in der Pressekonferenz betonte:“ „Wir haben einen Vorstand, ein Trainer-Team, Alex Wehrle, Jörg Jakobs und nun mich. Ich mag es nicht, wenn ein Einzelner in den Vordergrund geschoben wird. Ich bin kein Heilsbringer und keine Aufstiegsgarantie.“ Solide halt, wie Schmadtke selbst. Seriös, nah am Geschehen und fernab von Selbstgefälligkeit grummelt der „Neue“ seine Einschätzungen in die Mikrofone. Manchmal denkt man, die Journalisten erstarren vor Ehrfurcht wenn der Kölner Geschäftsführer seine Statements diktiert. „Natürlich schmeichelt es einem, wenn man Lob bekommt. Aber ich mag Übertreibungen nicht. Ich bin nicht der 1. FC Köln. Dieser Verein hat eine Struktur, die gut ist. Und ich bin ein Teil davon, mehr nicht. “

Als nach nur drei Spieltagen der effzeh mit drei Punkten und mehr oder weniger bescheidenen Leistungen auftrat, nahm der Geschäftsführer Sport kein Blatt vor den Mund.
„Wir können festhalten, dass es höheren Ansprüchen nicht genügt, und da brauchen wir uns auch über andere Dinge als zweite Liga nicht zu unterhalten“, stellte er nach Paderborn  klar und fügte hinzu: „Ich mache mich hier nicht selber zum Kasper, indem ich vom Aufstieg rede und dann so eine Leistung dabei herauskommt.“ Die BILD würde nun ein „RUUUUUUUUUUUUUUUUUMS“ dahintersetzen. Ich tendiere hier zu einem „Tschaka“. Endlich jemand, der kein Blatt vor dem Mund nimmt und die Dinge auch mal benennt. Damit kann man doch was anfangen. Bei Stanislawski hatte das „Schema EFF“ sich ja ausgelutscht nach einiger Zeit. Sein Algorithmus der Kritik war zu schnell, zu einfach durchschaubar: Nach guten Leistungen gab es erst mal „brutal“ Kritik, nach schlechten Leistung gab es die Streicheleinheit, wie sensationell mal das Spiel angegangen sei. Das soll keine Kritik am Führungsstil Stanislawski sein, ich will damit nur zum Ausdruck bringen, dass gewisse Schemata oft auch kontraproduktiv wirken können.

Bei Schmadtke, der ja kein Trainer wie Stanislawski ist, aber dennoch sehr nah an der Mannschaft dran, verhält sich das anders. Er spricht dann nach einer mäßigen Leistung gegen Sandhausen nicht alles schlecht, da er eine Verbesserung erkannt haben will. Das ist pädagogisch absolut richtig. „Am Ende hätte man natürlich das noch besser spielen können aber insgesamt bin ich zufrieden mit den Dingen, die die Mannschaft heute an den Tag gelegt hat und das hat nicht ausschließlich was mit dem Ergebnis zu tun.“ Einen schlechten Schüler prügelt man nicht zur Aufgabe, sondern streut Lob ein. Das hört sich alles sehr beknackt an, ist aber Tatsache. Jörg Schmadtke scheint das sehr wohl dosieren zu können, und ich bin davon überzeugt, dass in der Kombination mit Peter Stöger sich die Mannschaft so auch weiterentwickeln kann.  Zumal er ja beim Sandhausen Sieg auch alles korrekt analysiert hat. Während die Mehrheit der Fans mit der Mannschaftsleistung alles andere als zufrieden war, erkannte Schmadtke die Schwierigkeit einer solchen Partie. Zum Aufschreiben: Sandhausen zerlegte zwei Wochen später mit der selben Taktik  die Münchener Löwen.

Erhöhter Pulsschlag

Trainer und Mannschaft haben nun einen starken Mann an der Front, der die Gefühlsschwingungen rund um Köln abwägen kann. Mit seinen Statements hält er dem Club den Rücken frei. Der Star ist der Geschäftsführer. Er diktiert den Rhythmus des Clubs.

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Er selbst hat  nun dazu beigetragen, dass dieser Rhythmus in den letzten Tagen mühelos der Love-Parade Konkurrenz machen könnte. Nach dem vorläufigen Höhepunkt dieser Saison, am vergangenen Sonntag gegen Aue und einem spielerisch überzeugenden FC, verkündete Schmadtke den Transfer von Patrick Helmes. Seitdem spielt die Stadt verrückt. Die Beats der letzten Tage rund um das Geißbockheim würden so manchen Raver an die Schmerzgrenzen bringen.
Seit Sonntag verging kein Tag ohne einen Helmes Artikel. Selbst wir von effzeh.com sprangen auf den Zug auf, wenn auch mit dem Versuch etwas differenzierter die Causa Helmes zu beleuchten.
Schmadtke betonte immer, nur dann noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv zu werden, wenn ein Spieler zu Verfügung stünde, der die Mannschaft auf Anhieb weiterhilft und auch ein Leader sein kann. Helmes entspricht genau diesem Profil. Der Stürmer  ist die erste fette Duftmarke eines Jörg Schmadtke. Mit Verhandlungsgeschick und dem Auge fürs Wesentliche, die Finanzen nicht außer Acht lassend, stemmte er in ein paar Tagen mit Hilfe von Klaus Allofs diesen Coup.
Auch wenn der Manager nicht viel von Rückholaktionen hält, wie er im Kölner Express zu Protokoll gab, so hätte er diesen Transfer nicht getätigt, wenn er nicht zu 100% von Helmes Qualitäten überzeugt wäre.
Schmadtke hat  die erste Euphorie-Rakete gezündet. Es bleibt abzuwarten, wie er damit umgeht. Vermutlich so sachlich wie immer. Denn während ganz Köln nun vom Marsch durch die Liga träumt, rattert es bei ihm schon wieder im Kopf, was man wohl wie noch verbessern könnte. Die Transferperiode ist zwar zu Ende, aber es sind ja auch erst neun Wochen vergangen.
Nach zwölf Wochen will er alle Strukturen des Vereins verinnerlicht haben. Gut möglich, dass sich am Apparat Geißbockheim noch etwas verändert.

Bester Manager nach Hoeneß

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Dem 1.FC Köln hat lange Zeit so ein Positivum wie Jög Schmadtke gefehlt. Ein Charakter, der ehrlich herüberkommt, sich nicht verstellt und den großen Zampano macht. Man kauft ihm ab, dass es ihm nur um die Sache geht, die ihm Spaß macht. Manchmal wirkt er grummelig, aber nie unfair.
Toni Schumacher stellte die These auf, dass Jörg Schmadtke nach Uli Hoeneß der zweitbeste Manager der Bundesliga ist. Eine gewagte Prognose. Jörg Schmadtke ist aber definitiv eine Bereicherung für den Club 1.FC Köln.  Seit seiner sportlichen Führung können sich die anderen Protagonisten auf ihre Arbeit konzentrieren. Hier werden vor allem Jörg Jakobs und Alexander Wehrle eine Zentnerlast abgenommen. Selbst der Vorstand rückt weiter in den Hintergrund (Was macht eigentlich der Tünn?). Der Fokus wird nun mehr auf das Sportliche gelegt  und weniger auf den „Chaos“-Club – da hilft ein unaufgeregter Charakter wie der des Ex-Hannoveraner sehr.

Spannend wird sein, wie sich Schmadtke bei Rückschlägen verhält, wie einer Niederlagen Serie.
Aber um ehrlich zu sein: Ich will es  gar nicht wissen!
Letztes Jahr war „Umbruch“, dieses ist ein „Aufbruch“ – wo es am Ende hingeht, steht in den Sternen, aber eines ist sehr sicher: Unser FC ist seit Jahren endlich mal wieder verdammt gut aufgestellt.

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