Steffen Baumgart kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus, als er auf den kommenden Gegner angesprochen wurde. “Der SC Freiburg ist einer der Vereine, die am konstantesten und solidesten arbeiten. Es ist einer der gesündesten Clubs in Deutschland”, lobt der Trainer des 1. FC Köln die Breisgauer, die am Samstag im Müngersdorfer Stadion zu Gast sein werden, komplett zurecht über den grünen Klee: “Jedes Jahr verbessern sie sich stetig weiter. Die Möglichkeiten, die sie mittlerweile haben, haben sie sich hart erarbeitet und dadurch verdient. Es gibt nicht eine Abteilung, in der es nicht gut läuft. Über die Jugendabteilung und die Frauenabteilung machen sie kontinuierlich gute Arbeit. Freiburg ist ein schönes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn kontinuierlich gearbeitet wird und der eingeschlagene Weg durchgezogen wird.“
Ein schönes Beispiel – oder eben eine Art Vorbild, wie seriöse, beharrliche Arbeit und eben nicht Luftschlösser von überdimensionierte Stadien oder Expansionen in ferne Länder zum Erfolg führt. Freiburg hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur zu einer festen Größe im Bundesliga-Zirkus entwickelt, sondern ist mittlerweile allem Understatement zum Trotz ein gestandener Europapokal-Kandidat geworden. Derzeit stehen die Breisgauer als Tabellenvierter sportlich hervorragend da und träumen berechtigt von der erstmaligen Teilnahme an der Champions League. Auch abseits des Rasens hat der Sport-Club keine rasante, aber dafür umso stetige wie nachhaltige Entwicklung durchgemacht. Ein neues Stadion, Investitionen in die Infrastruktur, die handelnden Personen langfristig gebunden: Sie machen viel richtig, da in dieser Universitätsstadt im Schwarzwald. Muss man (fast) neidlos festhalten.
Festhalten muss man auch: Allen Problemen zum Trotz wird es auch in der kommenden Saison ein Duell mit den Freiburgern geben. Der äußerst souveräne Klassenerhalt des 1. FC Köln – er ist auch angesichts der Umstände keine Selbstverständlichkeit. Den besten Torschützen Stunden vor dem ersten Spieltag verloren, dazu einen wichtigen Mittelfeldmann abgegeben und einen verletzt über die gesamte Saison vermisst: Personell haben die “Geißböcke” aus dem Spieljahr vermutlich das Optimum herausgeholt. Hätte es hier und dort besser laufen können? Sicherlich. Läuft alles in die richtige Richtung? Nicht immer, nicht bei jedem Thema. Wird das kommende Jahr schwierig? Ohja. Aber eine Saison ohne wirkliche Abstiegsangst (der FC stand im Verlauf des Jahres nie schlechter als Platz 13) – das ist schon eine Ansage. Genießen wir die abschließenden fünf Spiele, es ist etwas Besonderes.
Ausgangslage
Das Saisonziel “Klassenerhalt” konnte der 1. FC Köln am vergangenen Wochenende durch den Auswärtssieg bei der TSG Hoffenheim abhaken – zwar noch rechnerisch endgültig, doch bei zehn Punkten Vorsprung fünf Spieltage vor Schluss müsste schon eine Menge schieflaufen, damit die “Geißböcke” nicht ins fünfte Bundesliga-Jahr hintereinander gehen werden. Etwas, das der FC im Übrigen seit 1997 nicht mehr erreicht hat. Ein Nachlassen des Kölner Teams ist allerdings nicht zu erwarten, dafür allein steht schon Trainer-Irrwisch Steffen Baumgart. “Der Druck fällt nicht ab”, verkündete der FC-Coach auf der Pressekonferenz vor der Partie gegen Freiburg: “Wir wollen mit dem gleichen Feuer und dem Elan weiterspielen, wie es im Großteil der Saison der Fall war.”
“Der Druck fällt nicht ab. Wir wollen mit dem gleichen Feuer und dem Elan weiterspielen, wie es im Großteil der Saison der Fall war.”
Das wird auch nötig sein, will man am Samstagnachmittag im Müngersdorfer Stadion punkten. Denn mit dem SC Freiburg kommt eins der stabilsten Teams der Bundesliga nach Köln. Die Mannschaft von Trainer Christian Streich, derzeit als Tabellenvierter notiert, hat im Saisonendspurt historische Chance vor der Brust: Erstmals winkt den Breisgauern die Teilnahme an der Champions League, dazu steht der Sport-Club im Halbfinale des DFB-Pokals. Rosige Aussichten also für die Freiburgr, die allerdings ein knackiges Restprogramm in der Bundesliga zu bewältigen haben. Neben dem schwierigen Auswärtsspiel in Köln geht es für die Streich-Elf noch gegen RB Leipzig (H), den 1. FC Union Berlin (A), den VfL Wolfsburg (H) und Eintracht Frankfurt (A).
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So lief das letzte Aufeinandertreffen
Im Hinspiel bekam der 1. FC Köln beim SC Freiburg deutlich die Entwicklungsunterschiede zu spüren. Während die Breisgauer nach ihrem Europapokal-Auftritt frisch agierten, wirkten die “Geißböcke” gewaltig gestresst angesichts der internationalen Strapazen. Zwar hatten die Kölner bei ihrer Premiere im neuen Freiburger Stadion durchaus Möglichkeiten, doch am Ende stand ein verdienter 2:0-Heimsieg für die Mannschaft von Trainer Christian Streich (Tore: Jeong, Gregoritsch). Denkwürdig war auch das letzte Aufeinandertreffen im Müngersdorfer Stadion: Ohne ihren an COVID-19 erkrankten Coach Steffen Baumgart gewannen die “Geißböcke” gegen die Breisgauer mit 1:0, nach toller Vorlage von Jan Thielmann traf ein gewisser Anthony Modeste zum Sieg für die Gastgeber.
Schlüsselspieler
90 der letzten 450 Minuten stehen für Jonas Hector an, der am vergangenen Wochenende seinen Rücktritt zum Sommer angekündigt hatte. Doch nicht nur deshalb wird es am Samstagnachmittag in Müngersdorf auf den FC-Kapitän ankommen. Defensiv dürfte der ehemalige Nationalspieler gegen Ritsu Doan gefordert sein, den japanischen Dribbelkünstler unter Kontrolle zu halten. Dazu kommt der Ballsicherheit des Linksverteidigers gegen die aggressiv pressenden Freiburger eine enorme Bedeutung zu. Gelingt es dem FC, sich dem Dauerdruck der Gäste spielerisch entziehen zu können, wäre viel gewonnen. Dass Hector diese Situationen derart lösen kann, ist hinlänglich bekannt – es werden nochmals 90 Minuten, diesem Ausnahmespieler zuschauen zu dürfen.
“Ich freue mich auf das Duell. Das Stadion wird voll sein, unsere Jungs werden alles geben. Ich wünsche mir ein Spiel auf Augenhöhe.”
Dass Freiburg die gefährlichste Bundesliga-Mannschaft bei Standardsituationen ist und nach ruhendem Ball schon 18 Tore erzielen konnte, liegt vor allem an einem Namen: Vincenzo Grifo ist der Standard-König bei den Breisgauern und kann mit seinem überragenden rechten Fuß ein Spiel im Alleingang entscheiden. 13 Treffer erzielte der in Pforzheim geborene italienische Nationalspieler – und legte vier weitere auf. Doch nicht nur durch seine direkten Torbeteiligungen ist Grifo enorm wichtig für die Mannschaft von Trainer Christian Streich, der Offensivallrounder ist Dreh- und Angelpunkt des variablen Angriffsspiels der Freiburger. Mit seiner Spielintelligenz und seinen Qualitäten am Ball ist der 30-Jährige auf dem Weg nach vorn die treibende Kraft – und durchaus für den Geistesblitz zu haben, der das Spiel zugunsten der Breisgauer entscheidet.
#Streich: "Jonas Hector ist ein Sinnbild für den 1. FC Köln. Ich kenne ihn nicht persönlich, nur von den Kämpfen auf dem Platz. Wir waren damals auch mal dran, bevor er nach Köln ist. Super Fußballer, super Kapitän."
— SC Freiburg (@scfreiburg) April 27, 2023
Top-Fakt
Der 1. FC Köln ist seit vier Bundesliga-Spielen ungeschlagen (zwei Siege und zwei Remis), kann nun mit einer weiteren Partie ohne Niederlage den Rekord unter Steffen Baumgart einstellen – mit ihm blieben die “Geißböcke” maximal fünf Mal in Serie unbesiegt.
Das sagen die Trainer
Steffen Baumgart (1. FC Köln): „Der Gegner hat eine überragende Form. Ich wünsche mir ein Spiel auf Augenhöhe. Der SC spielt sehr effizient und hat sich in den vergangenen drei Jahren nochmal enorm weiterentwickelt. Ich freue mich auf das Duell. Das liegt auch viel an meinem Kollegen. Ich gehe davon aus, dass es nicht nur außen heiß zur Sache gehen wird, sondern auch auf dem Rasen. Das Stadion wird voll sein, unsere Jungs werden alles geben. Wir wollen gewinnen. Beide Mannschaften können guten Fußball spielen. Ich freue mich auf das Duell.“
Christian Streich (SC Freiburg): “Der FC lebt vor allem von seiner Mentalität. Es wird am Samstag laut und leidenschaftlich werden. Leidenschaft wird die Grundbedingung für ein gutes Spiel sein. Wir brauchen maximale Energie. Köln ist gesichert, sie können unbeschwert ins Spiel gehen. Sie suchen den offensiven Fußball. Da müssen wir Lösungen finden. Sie spielen anders als viele andere Mannschaften und sind damit erfolgreich, was mich freut. Ich könnte mir vorstellen, dass es ein attraktives Spiel wird am Samstag.”
“Der FC lebt vor allem von seiner Mentalität. Es wird am Samstag laut und leidenschaftlich werden.”
Schiedsrichter
Tobias Reichel (SR), Markus Schüller (SR-A. 1), Christian Bandurski (SR-A. 2), Patrick Alt (4. Offizieller), Daniel Schlager (VA), Dr. Henrik Bramlage (VA-A)
So könnte der FC spielen
Schwäbe – Schmitz, Hübers, Chabot, Hector – Martel, Skhiri – Ljubicic, Kainz, Maina – Selke