Das Callcenter jubelte, tanzte und feierte. Nein, eigentlich eskalierte es. Kevin McKenna schien nicht aufhören zu können, seine Freude des 1. FC Köln über den 3:2-Sieg gegen Borussia Dortmund in den Himmel über Müngersdorf hinauszuschreien, zwei, drei andere taten es ihm nach, der gesamte Staff lag sich in den Armen – und mitten drin Trainer Steffen Baumgart. Ihre Mannschaft hatte es wieder einmal geschafft, hatte – against all odds – einen individuell besser aufgestellten Gegner besiegt und dabei nach Rückstand erneut ein Spiel gedreht. Deshalb feierten FC-Trainer Baumgart und seine Mitstreiter, ließen ihrer Freude noch geraume Zeit nach Schlusspfiff der Partie freien Lauf. Es ist nicht bekannt, ob dieser Überschwang der Gefühle am Abend noch dazu führte, dass das ein oder andere Kaltgetränk konsumiert wurde. Verdient gehabt hätten sie es allemal.
Mit ihnen waren 50 000 Zuschauer Zeuge geworden von einer Begegnung, die sich so sehr von so manchem Bundesligaspiel unterschied, von dem vielleicht das Ergebnis in Erinnerung bleibt, sonst jedoch kaum etwas. Nein, in Müngersdorf ging es rauf und runter, von einem Strafraum zum anderen, mit all dem, was ein Fußballerherz erfreut: Knallharte Torschüsse, gefährliche Flanken, Torwartparaden zum Zunge schnalzen, blitzschnelle Kombinationen und Zweikämpfe, in denen sich die beteiligten Spieler nichts, aber auch gar nichts schenkten.
Schwäbes Glanztaten verhindern höheren Rückstand
In einer verteilten Partie mit hohem Spieltempo dauerte es 30 Minuten bis zur ersten Großchance. Florian Kainz’ Schuss aus 12 Metern verfehlte das rechte Toreck des BVB nur um Zentimeter. Kaum eine Minute später war es dann soweit – allerdings auf der Gegenseite. Julian Brandt vollendete einen schnellen Gegenzug der Dortmunder zum 0:1. Ja, und danach folgten 15 Minuten, in denen die Kölner das Match hätten verlieren können, wäre da nicht ihr Keeper Marvin Schwäbe gewesen. Das sah auch Florian Kainz so: “Marvin hat uns nach dem 0:1 im Spiel gehalten,” sagte er nach der Partie. Karim Adeyemi und Donyell Malen brachte der Kölner Zerberus mit seinen Paraden schier zur Verzweiflung.
Ein ganz anderes Spiel sollte die Begegnung nach der Halbzeit werden. Die Kölner nahmen das Heft in die Hand, der BVB wirkte verunsichert. Florian Kainz (53.) und Steffen Tigges (56.) sorgten für eine schnelle 2:1-Führung, die Dejan Ljubicic nach Vorarbeit von Denis Huseinbasic durch einen wunderschönen Schrägschuss ins rechte Toreck auf 3:1 erhöhte (71). Durch eine abgefälschte Flanke des eingewechselten Tom Rothe konnte der BVB wiederum auf 2:3 verkürzen (78.) und läutete damit eine abwechslungsreiche Schlussphase mit Chancen auf beiden Seiten ein. Es blieb schließlich beim knappen Sieg für den Effzeh, und als Schiedsrichter Harm Osmers die Partie beendete, war dies der Startschuss für ausgelassene Kölner Feierlichkeiten.
Erkenntnisse: Die Wucht des Kollektivs
Den Hut muss man ziehen vor einer Mannschaft, die vor der Pause phasenweise deutlich unterlegen schien, vor allem in den ersten 20 Minuten von Halbzeit Zwo jedoch eine Intensität, Laufbereitschaft und Leidenschaft auf den Platz brachte, der der BVB nichts entgegenzusetzen wusste. Die fantastischen Paraden von Marvin Schwäbe, die nicht enden wollende Energie, mit der sich die Innenverteidiger Timo Hübers und Luca Kilian den Angriffen des BVB entgegenstemmte, die feine Schusstechnik von Dejan Ljubicic, die ungeheure Wucht des Kollektivs, all dies trug zum Erfolg bei.
“Das sind so besondere Momente. Wenn ich mit dem Fußballspielen aufhöre, werde ich mich daran erinnern”
(Dejan Ljubicic)
Und doch geriet der Sieg nach dem 3:1 noch einmal in Gefahr. Auch die Routine eines Jonas Hector, Florian Kainz und Ellyes Skhiri konnte nicht verhindern, dass die Dortmunder den Sieg noch einmal gehörig in Gefahr brachten. Dies blieb auch Steffen Baumgart nicht verborgen: “In den ersten 20 Minuten der zweiten Hälfte haben wir richtig stark gespielt und das Spiel gedreht, am Ende sind wir aber froh, dass wir den Sieg über die Ziellinie bekommen haben”, merkte er auf der PK nach dem Spiel an. Es war eine Partie, die man so schnell nicht vergessen wird und wohl kaum jemand drückte dies berührender aus als der Torschütze Dejan Ljubicic, als er gefragt wurde, was er nach seinem Treffer empfunden hatte: “Das sind so besondere Momente. Wenn ich mit dem Fußballspielen aufhöre, werde ich mich daran erinnern”, gestand er freimütig ein.
Ausblick: Zuerst Partizan, dann das Derby
Am nächsten Sonntag (15.30 Uhr) geht es zum Derby nach Mönchengladbach. Die Schützlinge von Trainer Daniel Farke mussten bei Werder Bremen eine herbe 1:5-Niederlage einstecken und werden sich rehabilitieren wollen. Ein Derbysieg gegen den 1. FC Köln würde mehr als nur Balsam auf die Wunden sein, die die Schlappe an der Weser verursacht hatte.
Steffen Baumgarts Team wird dies zu verhindern suchen. Die Erinnerung an die beiden Derbysiege aus der Vorsaison wird da wenig nützen, eher schon ein mögliches Erfolgserlebnis am Donnerstag im Heimspiel der Conference League gegen Partizan Belgrad. Doch zunächst wird wohl Regeneration ganz oben auf der Trainingsliste zu Wochenbeginn stehen. Körper und Geist die Möglichkeit zur Erholung bieten in Zeiten spannender Herausforderungen. Wie wird der 1. FC Köln letztere bewältigen? Man wird sehen.