Entschlossenheit und Konzentration war zu lesen in den Gesichtern der Bayern, als sie kurz vor 15 Uhr den Rasen des Müngersdorfer Stadions betraten. Egal, ob man bei ihrem Aufwärmprogramm Miene und Körpersprache des Mannschaftskapitäns Manuel Neuer betrachtete, von Joshua Kimmich oder von Torjäger Robert Lewandowski: Sie waren gekommen, um ein Statement abzugeben. Gegenüber Borussia Dortmund, dem ärgsten Verfolger, gegenüber dem bisher erstaunlich starken 1. FC Köln und auch gegenüber den Zweiflern, die nach der Heimpleite gegen Borussia Mönchengladbach glaubten, sich wieder etwas vorwagen zu können. Und ein solches Statement war dieser 4:0-Sieg bei heimstarken Kölnern, keine Frage. Und ja, der Sieg hätte sogar noch höher ausfallen können, vielleicht müssen. Aber eines ist seit diesem Spieltag klar: Die Meisterschale, die wird in München bleiben. Vor allem dann, wenn die Bayern das spielen, was sie können, und das war am Samstagnachmittag in Müngersdorf der Fall.
Mutiger Beginn gegen eiskalte Bayern
Der 1. FC Köln begann mutig, presste hoch und ging aggressiv in die Zweikämpfe, musste aber nach einem Fehler von Ondrej Duda im Mittelfeld das frühe 0:1 durch Robert Lewandowski hinnehmen. Die “Geißböcke” spielten weiter munter mit, ohne allerdings zu wirklich hochkarätigen Torchancen zu kommen. Die hatten die Bayern und eine davon nutzte Corentin Tolisso mit einem wunderschönen Schuss in den linken Torwinkel (25.). Kurz flammte Hoffnung auf, als Mark Uth den vermeintlichen Anschlusstreffer erzielt hatte, dem aber korrekterweise wegen einer Abseitsstellung des Torschützen die Anerkennung versagt wurde. Marvin Schwäbes Glanzparade gegen Thomas Müller verhinderte einen höheren Rückstand, bevor Schiedsrichter Tobias Welz zum Pausentee bat.
Nach der Pause verfehlte Jonas Hectors Kopfball das Bayern-Tor nur knapp, auf der Gegenseite rettete Schwäbe erneut großartig gegen Lewandowski (51.). Die Kölner eröffneten den Gästen nun größere Räume, was die Offensivkünstler um Lewandowski, Müller und Serge Gnabry dankbar annahmen und die Abwehrspieler des FC mitunter abschüttelten wie lästige Fliegen. Lewandowski gewann das Privatduell gegen Schwäbe zum zweiten Mal (62.) und traf mit einer exakten Kopie dieses Treffers schließlich zum 4:0-Endstand (74.). Ein Ehrentreffer der Kölner wäre durchaus verdient gewesen, doch Timo Hübers’ Kopfball landete nur an der Latte (72.). Der Schlusspfiff sah Trainer Julian Nagelsmann und Sportdirektor Hasan Salihamidžić einander freudig die Hände reichen, hatten sie doch eine ausgezeichnete Leistung ihres Teams gesehen.
Erkenntnisse: Es bleibt viel zu tun – auch perspektivisch
Wie vorher befürchtet werden musste, führten zwei Faktoren dazu, dass die Bayern am Samstag in Müngersdorf eine eindrucksvolle Demonstration ihrer Klasse ablieferten: Die personelle Situation hatte sich gegenüber dem vergangenen Wochenende erheblich verbessert und der Rekordmeister war nach der Heimpleite gegen die Gladbacher mit Wut im Bauch angereist. Ihr Sieg machte die Schwächen von Baumgarts Team wie unter einem Brennglas sichtbar: Der Mannschaft fehlt Tempo, und zwar sind hier nicht nur ein oder zwei Spieler zu nennen, sondern fast das gesamte Team. Sie verliert die meisten der 50/50-Zweikämpfe, weil die Gegner einfach spritziger, antrittsschneller und tempostärker sind. Egal welche Mannschaftsteile im Sommer mit Transfers verstärkt werden, Schnelligkeit sollte bei den jeweiligen Spielerprofilen ganz weit oben stehen.
“Trotzdem bin ich mit den Jungs nicht unzufrieden, weil sie bis zum Schluss Gas gegeben haben und weiter nach vorne gespielt haben.”
Was war gut? Nicht besonders viel. Dass die Mannschaft auch nach einem deutlichen 0:4-Rückstand gekämpft und weiter nach vorne gespielt hat. Das sah auch Steffen Baumgart so: “Trotzdem bin ich mit den Jungs nicht unzufrieden, weil sie bis zum Schluss Gas gegeben haben und weiter nach vorne gespielt haben,” lobte er sein Team. Gut war auch Marvin Schwäbe, dessen aktives Torwartspiel dem FC guttut und der genau der mitspielende Torhüter ist, denn das “System Baumgart” benötigt. Und Jonas Hector, der spielerisch wohl der einzige war, der mit den Bayern mithalten konnte, der aber zudem noch kämpferisch voranging und keinen einzigen Ball verloren gab.
Ausblick: Besuch von der Waterkant
Bereits am Dienstag geht es weiter, wenn es im DFB-Pokal um 18.30 Uhr gegen den Hamburger SV geht. Die Hanseaten sind mittlerweile in der 2. Liga regelrecht heimisch geworden, kommen allerdings mit einem durchaus respektabel besetzten Kader nach Köln, angefangen bei Torwart Daniel Heuer Fernandes, über die torgefährlichen Mittelfeldspieler Sonny Kittel und Ludovit Reis bis zu Torjäger Robert Glatzel. Diese Akteure und mit ihnen das ganze Team wollen in der Partie beweisen, dass sie sich durchaus mit einem Erstligavertreter messen und ihn vielleicht auch in diesem einen Spiel schlagen können.
Trainer Steffen Baumgart wird die Köpfe wieder aufrichten müssen bei seinen Spielern, muss sie davon überzeugen, dass eine Niederlage gegen die Bayern kein Beinbruch ist, dass man andererseits aber aus dieser Schlappe lernen muss. Auch der HSV kann Fußball spielen. Gibt man ihm die Räume, vermag er das sogar sehr gut. Es bleibt zu hoffen, dass die Botschaft verinnerlicht wird und alle Akkus wieder aufgeladen sind, wenn es am Dienstag nicht nur um den zu erhoffenden sportlichen Erfolg geht, sondern ein Einzug in das Pokal-Viertelfinale wie “Pennies from heaven” wären, die die leere Vereinskasse klingeln lassen würden. In Zeiten wie diesen – wichtiger denn je.