71 Tage nach dem Klassenerhalt durch den 5:1-Erfolg im Rückspiel der Relegation gegen Holstein Kiel beginnt für den 1. FC Köln die Saison 2021/22 in Jena mit der ersten Runde des DFB-Pokalwettbewerbs. Viel hat sich seitdem im direkten Umfeld um die Mannschaft getan: Der Trainer heißt nicht mehr Friedhelm Funkel, sondern Steffen Baumgart. Der Torwarttrainer ist nicht mehr Andreas Menger, sondern Uwe Gospodarek. Und auch der Geschäftsführer Sport heißt nicht mehr Horst Heldt, seine Aufgaben teilen sich Jörg Jakobs, Thomas Kessler und Lukas Berg, während im Hintergrund im Laufe der Saison ein neuer Geschäftsführer gefunden werden soll.
An Ansprechpartnern in der täglichen Arbeit ist für die Profis neben Physiotherapeuten und Athletik-Coaches vor allem Andre Pawlak übrig geblieben. Der gebürtige Gelsenkirchener coachte die zweite Mannschaft unter Markus Anfang 2018/19, bevor er die Profis im Mai den letzten Schritt zum Aufstieg begleitete und in den folgenden Jahren unter Achim Beierlorzer, Markus Gisdol und Friedhelm Funkel als Co-Trainer arbeitete. Er kennt das Auf und Ab der launischen Diva vom Rhein folglich und kann die Mannschaft einschätzen, weiß, wozu sie im Stande ist und wo sie ihre Limitierungen hat.
Baumgart ist von seinem Ansatz überzeugt
In der zweiten Reihe steht er nicht im Fokus von Öffentlichkeit und Presse, jedoch darf man annehmen, dass Pawlak mit Chefcoach Baumgart hinsichtlich der Herangehensweise an die Saison die Köpfe zusammengesteckt und besprochen haben, inwieweit der Baumgart-Fußball bereits mit dem ersten Pflichtspiel umgesetzt werden kann und wo noch Kompromisse eingegangen werden müssen. Denn dass der Kader nicht dem Idealbild des neuen Trainers entspricht, sollte allen klar sein. Kader werden nicht auf Knopfdruck zurechtgeschnitzt, sondern benötigen einige Transferperioden, um Wunschvorstellungen zu umsetzen zu können. Zumal, wenn man keinen Geldspeicher sein Eigen nennt.
Interessant wird in den kommenden Wochen und beginnend in Jena zu sehen sein, wie diese Transformationsphase aussieht, wo die Rädchen bereits früh in der Saison ineinander greifen, wo entsprechend nicht und welche Umstellungen Baumgart angeht, wenn die Saison Fahrt aufnimmt. Auf der ersten hybriden Pressekonferenz des Vereins zum Pokalspiel in Jena gab sich der 49-jährige Chefcoach allerdings erstmal zuversichtlich, dass sein Kader den Herausforderungen der Saison und seinem fußballerischen Ansatz gewachsen ist, wollte sich auf die Diskussion um die Schwächen des Kaders nicht wirklich einlassen und versuchte sich an einem Perspektivwechsel.
„Wir haben eine sehr gute Qualität“
– Steffen Baumgart auf die Frage nach seiner Offensive
So beschrieb seine fußballerische Herangehensweise vor allem im Kontrast zu seinem Vorgänger: „Das, wie Fußball gespielt wurde, hat ja nichts mit dem zu tun, wie ich mir Fußball vorstelle. Man hat ja, glaube ich, im letzten Jahr eher eine defensive Herangehensweise gehabt. Was ist passiert? Man hat 60 Gegentore gekriegt und hat knapp über 30 geschossen“, so Baumgart. Anschließend ergänzte er, dass seine Mannschaft Waffen besäße, die Sie bislang noch nicht für sich entdeckt habe. Zum Beispiel die Standardstärke, für die man sich aber auch in die entsprechenden Situationen bringen muss.
Im Klartext soll das heißen: Meine Vorgänger hatten ihren Ansatz, meiner ist allerdings anders und es bringt nichts, die vermeintlichen Schwächen aus der vergangenen Saison in diese Saison transferieren zu wollen, weil die Spieler in dieser Saison ihre Rollen und Positionen sehr anders interpretieren werden und die bisherigen Schablonen nicht passen. Ob die Realität dieser durchaus selbstbewussten Herangehensweise standhalten wird, muss die Zukunft zeigen. Der Trainer zumindest glaubt daran, dass unter ihm die Mannschaft besser ist als die Summe der einzelnen Teile und die Taktik die Mannschaft aktiv besser macht. Beim 1. FC Köln haben Trainer mit dieser Herangehensweise in der jüngeren Vergangenheit bislang nicht wirklich Erfolg gehabt. Sowohl Baumgart in Paderborn als auch andere Beispiele in der Liga zeigen jedoch, dass dies leibhaftig nicht immer so sein muss.
Baumgart fordert „Spaß an dem Wettbewerb“ und „nach Berlin“
Vollkommen klar ist, dass der Baumgart’sche Spielstil nicht funktioniert, wenn er nur 60 Minuten gespielt wird und man die restlichen 30 Minuten im bester Gisdol-Manier den Ball hinten raus pöhlt und den Bus vor dem eigenen Tor parkt. Ebenso ist es nicht überraschend, dass Baumgart ein Typ ist, der den Pokal und das damit einhergehende „Siegen oder fliegen“ sehr schätzt. Vergangene Saison erreichte er mit Paderborn das Achtelfinale, wo man beim späteren Sieger Borussia Dortmund nach einem tollen Spiel und einem umstrittenen Haaland-Tor 2:3 nach Verlängerung unterlag. In der Runde zuvor besiegte man den Erstligisten Union Berlin an der Alten Försterei.
In der Saison davor war für Paderborn bereits in der zweiten Runde Schluss, allerdings in Leverkusen. Und in den ersten beiden Saisons unter Baumgart erreichte Paderborn jeweils die Runde der letzten Acht, wo man dann am HSV respektive den Bayern scheiterte, bis dahin jedoch auch höherklassige Gegner ausschaltete. Der 1. FC Köln, für den in den letzten Jahren immer relativ früh Schluss war und wo nicht selten klassentiefere Gegner zum Stolperstein wurden, würde die Bilanz der Paderborner unter Baumgart wohl unterschreiben und darf hoffen, dass der Rostocker Trainer in Köln vielleicht sogar irgendwie das Endspiel in Berlin erreicht. Am Willen soll es jedenfalls nicht mehr scheitern.
Doch dafür muss ein Schritt nach dem anderen getan werden, am Sonntag ist mit dem FC Carl Zeiss Jena ein Viertligist aus Thüringen der erste Kontrahent. Jenas Cheftrainer Dirk Kunert wird seine Mannschaft mit Sicherheit defensiv einstellen, auf Kontergelegenheiten lauern und auf den ersten Pokalsieg seit 2015 hoffen, als der FCC den HSV im heimischen Ernst-Abbe-Sportfeld mit 3:2 schlug. Der Kölner Trainer auf der anderen Seite wird die beste Elf auf den Platz schicken, Experimente in einem Pflichtspiel wird es wenig überraschend nicht geben.
Im Kölner Tor allerdings wird Marvin Schwäbe stehen, das Trainerteam hat in Absprache mit den Torhütern entschieden die Nummer Zwei im Pokal das Tor hüten zu lassen. “Timo wird die Nummer eins für die Saison sein“, stellte der FC-Trainer jedoch zugleich unmissverständlich klar. Diskussionen im diskussionsfreudigen rheinischen Umfeld wird es rund um die Torhüterposition also vermutlich erstmal weniger geben. Der 1. FC Köln bietet vor dem Saisonstart aber auch genug andere Diskussionspunkte. Etwas, das sich aller Voraussicht nach auch so schnell nicht ändern wird.