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Dreckiges Glück

20 Minuten lang werden wir mit Zuckerfußball verwöhnt. Dann zeigt das Team seine hässliche Seite und siegt per Traumtor.

© effzeh.com

Es war dreckig, es war hässlich, es war kalt. Und doch hat der FC gewonnen. Zwar letztendlich nicht ganz unverdient, aber mit einer großen Portion Glück und einem Traumschuss in der Nachspielzeit.

Angesichts der bisherigen Erfahrungen in dieser Saison klingt das arg merkwürdig. Schlecht gespielt, glücklich gewonnen: Das ist doch nicht die Mannschaft, die in dieser Saison größtenteils auf dem Platz stand und sich wieder und wieder durch dämliche Gegentore kurz vor Schluss um die eigenen Lorbeeren brachte? Doch, das scheint sie zu sein. Dieses Team hat wohl auch eine andere Seite.

Ausgangslage

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Wenn die Bayern in der vorherigen Saison die beste Wintervorbereitung aller Zeiten hatten, dann war das beim Effzeh wohl in dieser Winterpause der Fall. Das Trainingslager lief perfekt, die Spieler lobten Bedingungen und Teamgeist. Die Vorbereitungsspiele wurden allesamt erfolgreich bestritten, sogar den amtierenden Deutschen Meister konnte man im RheinEnergie Stadion schlagen. Eigentlich herrschte also Euphorie allenthalben, insbesondere weil die Truppe seit dem vierten Spieltag zuhause unbesiegt war und auch die letzen sieben Spiele in Liga zwei nicht verloren gegangen waren.

Doch auch die Mannen aus dem Erzgebirge hatten die letzten vier Spiele nicht mehr verloren, feierten zum Rückrundenauftakt, der ja dank dieser komischen neuen Regelung schon im letzten Jahr vor der Winterpause stattfand, am 17. und 18. Spieltag jeweils starke 3:0-Siege.

Auch wenn sich beim Effzeh in der Vorbereitung insbesondere die Youngster Yabo sowie Schnellhardt in den Vordergrund gespielt hatten und mit Maierhofer sowie „Nennt mich einfach Bruno“ noch zwei Neuzugänge präsentiert wurden, stand gegen „Wismut“ eine altbewährte Mannschaft auf dem Feld, frei von den vier vorher genannten Spielern. Ujah begann also wieder alleine in der Spitze, Jajalo bildete mit Matuschyk die Schaltzentrale in der Mitte. Hector erhielt den Vorzug vor Christian Eichner und in der offensiven Dreierreihe starteten Clemens, Royer sowie Bröker.

Bei Aue stand Kevin Pezzoni erstmals in der Anfangself und wurde von den Kölner Fans das gesamte Spiel über mit Pfiffen begleitet. Ob das jetzt sein musste bei einem Spieler, der von eigenen Fans schon bedroht wurde und eher durch schlimme Fehler als durch mieses Verhalten gegenüber dem Verein aufgefallen ist, sei einmal dahingestellt.

Spielverlauf

Es war gerade einmal eine Minute gespielt, als der FC sich den ersten schlimmen Ballverlust leistete und ein Erzgebirgler kurz vorm Strafraum zu Fall gebracht wurde. Gefährliche Freistoßposition. Das ging ja gut los. Doch alles halb so wild, der FC überlebte die erste brenzlige Szene und zeigte im Anschluss daran die vielleicht stärksten 10 Minuten der Saison. Bereits in der vierten Minute zappelte der Ball im Netz von Aues Torhüter Männel. Nach Clemens vorzüglich getretener Ecke kam Maroh gefährlich an den Ball, sein Kopfball wurde unhaltbar abgefälscht. Traumstart.

Anders als in vielen anderen Spielen blieb Stanis Truppe allerdings extrem druckvoll und drängte gleich auf den nächsten Treffer. Erst wurde Brecko nach einem schönen Alleingang kurz vor dem Torabschluss geblockt, nur zwei Minuten später bediente er mit einer flachen Flanke mustergültig Ujah, der aus sechs Metern allerdings Männel anschoss. Auch der Nachschuss vom freistehenden Jajalo fand nicht das Tor. Der FC stürmte aber unablässig weiter. Eine Royer-Flanke verpasste Ujah nur haarscharf, Matuschyk zeigte in guter Schussposition aus 20 Metern eindrucksvoll, dass er es anscheinend verlernt hat, richtig aufs Tor zu schießen. In der 15. Minute brachte Clemens eine weitere starke Hereingabe von rechts an den langen Pfosten, wo Royer aus vier Metern und spitzem Winkel an die Latte köpfte. Diese Riesenchance auf das 2:0 bedeutete gleichzeitig das Ende von jeglichem Spielfluss und Spielkultur auf dem Feld bis zur 90. Minute.

Was die beiden Teams nämlich danach anboten, war selbst für die zweite Liga auf unterstem Niveau. Schreckliche Fehlpässe reiten sich an Querschläger und Bogenlampen. Insbesondere beim Effzeh stimmten die Laufwege überhaupt nicht mehr. Aus heiterem Himmel gelang gar nichts mehr. Lediglich Clemens konnte gegen Ende der ersten Hälfte mit einem sehenswerten Freistoß auf sich aufmerksam machen. Ansonsten fand Stanis Team aber keinerlei Zugriff mehr in der Offensive und präsentierte sich defensiv nicht wirklich souverän, auch wenn der Druck des FC Erzgebirge wirklich minimal ausfiel.

Trotzdem kam es dann, wie es kommen musste. Aue schritt mit mehr Selbstbewusstsein aus der Umkleide. Es war nicht so, dass die Sachsen das Tor des FC nun unter Belagerung nahmen, doch hier und da gelang ein halber Torschuss, immer wieder blitzte etwas Gefahr auf, was vor allem auch von schläfrigem Kölner Defensivverhalten herrührte. Timo Horn erhielt immer mehr Bälle. Selbst als er sehenswert mit einem Haken einen Erzgebirgler aussteigen ließ, war das erste, was Maroh einfiel, den Pass direkt wieder auf Horn zurückzuspielen. Bezeichnend.

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In der 70. Minute wechselte Stanislawski doppelt. Lehmann und Maierhofer kamen für Jajalo und Royer. Was auch immer sich Stani damit erhoffte, so wirklich verständlich waren die Wechsel nicht. Während Maierhofer ein gutes Debüt gab, war Lehmann fortan ein ständiger Unruheherd im Spiel der Kölner. Dazu aber später mehr. Nur 10 Minuten nach den Einwechslungen stand dann Kevin Pezzoni, ja ausgerechnet Kevin Pezzoni, völlig frei im Kölner Strafraum und schob den Ball zum Ausgleich ein. So viel Schläfrigkeit und Passivität wird eben irgendwann bestraft.

Das rappelte die Mannschaft aber wenigstens wieder etwas auf. Maierhofer packte aus dem Nichts eine Fackel aus, doch sein Flachschuss aus 18 Metern parierte Männel mit einem glänzenden Reflex. Als eigentlich schon alle Zuschauer in der zweiten Minute der Nachspielzeit ihre Sitzkissen eingepackt, die Jacke zugeknöpft und das Parkticket aus der Tasche geholt hatten, rannte Stefan Maierhofer erst rigoros Anthony Ujah über den Haufen mit der Absicht seinem Mitspieler Christian Clemens Platz zu verschaffen. Der nahm von der rechten Strafraumecke Maß und zimmerte den Ball mit rechts in den Winkel. Ein unglaubliches Tor. Die Jacken wurden wieder aufgerissen, die Sitzkissen flogen durch die Luft und auf dem Platz brachen alle Dämme. Im gesamten Innenbereich liefen sich Betreuer, Verantwortliche und Spieler in die Arme. Der bis dato unglaublich kleinliche Schiedsrichter Tobias Stieler pfiff das Spiel zwar noch einmal an, doch nur wenige Sekunden später war auch schon wieder Ende.

Spieler im Fokus

Christian Clemens: Was für ein toller Start in die zweite Saisonhälfte! Clemens hatte zu Beginn der Hinrunde noch mit einer Verletzung zu kämpfen, nun ist er gleich voll da. Clemens war heute der einzige Spieler auf dem Feld, der Spielwitz verströmte. Auch wenn ihm nicht immer alles gelang, so war in den meisten seiner Aktionen deutlich mehr Präzision als bei seinen Mitspieler. Trat starke Standards und spielte teils schöne Pässe. Das Tor zum Abschluss war der absolute Wahnsinn.

Stefan Maierhofer: Ein wirklich gelungener Einstand. Ging in den 20 Minuten, die er auf dem Feld gestanden hat in gefühlte 50 Kopfballduelle und gewann jedes mit sehr fairen Mitteln. War stark mit dem Rücken zum Tor und zeigte ungeahnte Schussgewalt. Mit dem Ball am Fuß wirkt er zwar sehr behäbig, präsentierte sich aber ungemein ballsicher.

Matthias Lehmann: Sechs Pässe, drei Fehlpässe. Eigentlich noch eine freundliche Statistik für Lehmann, der wohl nach seiner Einwechslung für Stabilität sorgen sollte. Das Gegenteil war der Fall. Eine grauenvolle Vorstellung. Wer gehofft hatte, dass Lehmann seine in dieser Saison noch nicht vorhandene Form vielleicht nach der Winterpause gefunden hätte, der sah sich getäuscht.

Adam Matuschyk: Noch eine Fehlpassstatistik gefällig? Matuschyk spielte 11 Fehlpässen, die zweitmeisten aller FC-Spieler nach Jonas Hector. Außerdem gab der zentrale Mittelfeldspieler zwei Schüsse aufs Tor ab, die diesen Namen nicht annähernd verdient haben. Gewann zusätzlich dazu nur neun Zweikämpfe. Maierhofer gewann in 20 Minuten Spielzeit sieben Zweikämpfe. Als Stürmer.

Fazit
Hat das Team heute seinen Mister Hyde gezeigt? Schön anzusehen war dieses Spiel jedenfalls über den Großteil der Spielzeit nicht. Es war ein ganz und gar untypisches Match für diese Mannschaft, die zwar einen weiteren Lattentreffer verbuchte und damit die Tabellenführung in der Aluminiumtreffer-Statistik ausbaute, ansonsten aber eine große Portion Glück hatte. Man möchte fast sagen: Endlich einmal.

Es ist so etwas wie ein Ausgleich für die vielen unglücklich verschenkten Siege der Hinrunde. Und so unverdient ist der Sieg dann doch nicht, denn auch wenn das Team sich aus einem unempfindlichen Grund nach starker Anfangsphase auf der Führung ausruhte und prompt bestraft wurde, gewann der FC am Ende eben auch nicht durch irgendein Duseltor, sondern durch eine bärenstarke Einzelaktion. Wohl dem, der solche Spieler in den eigenen Reihen hat.

Trotzdem muss es diese Mannschaft noch lernen, eine Führung auch souverän zu verwalten. Es muss ja nicht immer schön sein und es spricht nichts dagegen, bei einer Führung auch einen Gang zurückzuschalten und den Gegner mal kommen zu lassen. Wenn man sich allerdings defensiv so viele kleinere Fehler erlaubt und statt Souveränität eher Passivität ausstrahlt, bringt man auch das schlechteste Zweitligateam wieder ins Spiel. Am Ende bleibt aber das positive Resultat, das eine Spitzenmannschaft auszeichnet: Wir können’s auch dreckig!

Stimmen zum Spiel

Stefan Maierhofer: „Ich glaube, wir haben zum richtigen Zeitpunkt das 2:1 gemacht, der Gegner konnte nicht mehr zurückschlagen und so bleiben die drei Punkte hier. Spaß beiseite: Wir haben in den ersten 20 Minuten richtig, richtig gut gespielt, uns dann in der zweiten Halbzeit aber irgendwie in der Kabine vergessen, das hat der Trainer auch gesagt. Im Endeffekt ist es aber wichtig, dass der Clemens nochmal einen auspackt und die drei Punkte hier bleiben. Ich durfte die Stimmung ja das erste Mal im FC-Trikot wahrnehmen und es ist schon ein besonderes Gefühl, wenn du das erste Mal rausgehst zum Aufwärmen und über 40.000 an einem Samstagnachmittag um 13 Uhr ist natürlich fantastisch. Beim zweiten Tor dachte ich nur: Leck mich am Arsch, der Clemens ist konditionell so stark, der macht in der 90. Minute noch so einen Vollsprint“

Christian Clemens: „Die erste Halbzeit war richtig gut, in der zweiten Halbzeit haben wir leider komplett nachgelassen. Am Ende haben wir gewonnen, das zählt. Wir haben uns in der Kabine vorgenommen, genau da weiterzumachen, wo wir vor allen Dingen in den ersten 20 Minuten aufgehört haben, aber woran es letztendlich lag, das werden wir jetzt analysieren und versuchen es in den nächsten Spielen besser zu machen.

Miso Brecko: „Es ist Wahnsinn. Wir spielen in den ersten 20 Minuten richtig gut, viele Chancen, 1:0, danach nehmen wir das Tempo etwas raus und kommen einfach nicht mehr zurück. Zweite Halbzeit war gar nichts mehr. Ein Riesenglück und Clemens sei Dank, dass wir das noch gewonnen haben. Wenn wir das Tempo rausnehmen, haben wir Probleme, wieder ran zu kommen und das müssen wir abstellen, um 90 Minuten lang mit gutem Tempo nach vorne zu spielen.“

1. FC Köln: Horn – Brecko, Mc Kenna, Maroh, Hector – Matuschyk – Bröker, Jajalo (68. Lehmann), Clemens, Royer (68. Maierhofer) – Ujah

Erzgebirge Aue: Männel – Schröder, Paulus, Pezzoni, Klingbeil – Höfler (73. König), Hensel (46. Wiegel) – Müller (46. Kastrati), Fink, Hochscheidt – Sylvestr

Tore: 1:0 Maroh (4.), 1:1 Pezzoni (79.), 2:1 Clemens (90. +1)

Gelbe Karten: Ujah – Hensel, Höfler, Pezzoni

Zuschauer: 41.800

Schiedsrichter: Tobias Stieler (Hamburg)

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