Gastbeitrag von Oliver Z. Weber
Sind es Worte und Sprache, die unsere Realität prägen? Oder ist es genau umgekehrt: Die Realität ist einfach da und man braucht Sprache und Worte, um sie adäquat darzustellen? Es ist ein bisschen wie das Henne-Ei-Dilemma. So richtig werden wir es nie wissen. Auch nicht, nachdem sich Philosophen, Sprachforschende und andere Denker seit Äonen damit befasst haben. Und – wie wir täglich sehen – jeder Mensch so seine eigene Realität hat, die er mehr oder weniger überzeugend in Worte kleidet.
Auf den 1. FC Köln heruntergebrochen, stelle ich mir in den letzten Wochen eine analoge Frage: Ist der FC wirklich so schlecht, wie er sich darstellt? Ist er am Ende so schlecht, weil er sich selbst so sieht? Wäre er „in Wirklichkeit“ nicht zumindest ein Quäntchen stärker, vielleicht das entscheidende? Würde man mit mehr nach außen und innen getragenem Selbstbewusstsein mehr erreichen? Man kennt ja die Rede von der self-fulfilling prophecy, die das Negative wie Positive geradewohl magisch beschwören kann.
Der Sound des Negativen
Klingt so: Wir sind nun einmal schlecht, wir haben keinen Stürmer, sind verletzungsgeschwächt, wir können auch einen Aufsteiger nicht einfach so besiegen und so weiter und so fort. Die Ergebnisse sind entsprechend. Was aber wäre, wenn man diese Rede einfach mal umkehrt: Wir können mehr als das! Wir könnten ein, zwei Plätze höher stehen, wenn wir mehr investieren. Wir dürfen nicht so ängstlich sein! Die Jungs schaffen das! Da brodelt was, wartet mal ab…
https://twitter.com/fckoeln/status/1363172886555619329
Sicher, man kann Tore und Erfolge nicht einfach herbeireden. Man kann aber auch ohne erkennbares Offensivkonzept keine Torchancen erspielen. Sind jedoch ein bisschen mehr Selbstbewusstsein, ein bisschen mehr Wir-sind-immer-noch-der-1.-verdammte-Fußballclub-Köln, ein Hauch mehr (ich traue mich es kaum auszusprechen) Wir schaffen das so schlimm? Würden alle über Horst Heldt und Co herfallen, wenn man die Dinge nicht so schwarzmalen würde?
Die Minimalerwartung war noch nie so groß
Müßig, sicherlich. Aber wir haben uns daran gewöhnt. So sehr, dass wir eine unnötige Niederlage gar nicht mehr betrauern, sondern lapidar abnicken. Es befremdet daher, dass Sportchef Horst Heldt eine angebliche Erwartungshaltung in Medien und Umfeld moniert, die ich beim besten Willen nicht erkennen kann! Im Gegenteil. Schon im müden und frustrierend zähen Ausklang der Vorsaison wurde einem gesagt, es ginge nicht besser. Der fixe Klassenerhalt am 32. Spieltag sei das Maximum, das drin schien. Auch in der laufenden Bundesligarunde ginge es um nichts als Platz 15, und das bis zum Schluss.
Foto: Frederic Scheidemann/Getty Images
So sei es eben, mehr dürfe man nicht erwarten. Vielleicht nicht. Niemand sollte was gegen eine passende Selbsteinschätzung haben. Aber nochmal: Darf es nicht ein bisschen mehr sein? Medial lässt man den FC weitgehend in Ruhe. Das ständige Scheitern an sich selbst ist lange nicht mehr so interessant. Es gibt ja Schalke, es gibt den Phönix aus Mainz, den Underdog aus Bielefeld (sogar die waren erstaunt, dass der FC gegen sie gewann. So weit ist es schon!) und einen strauchelnden so genannten Big City Club. Da wirkt der effzeh fast provinziell langweilig und kann in Ruhe sein Ding machen.