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Vorspiel

DFB-Pokal-Spiel gegen die VSG Altglienicke: Aufgalopp ins Ungewisse für den 1. FC Köln

In der ersten Pokalrunde spielt der 1. FC Köln nach Tausch des Heimrechts in Müngersdorf gegen die VSG Altglienicke. Es wird der Auftakt in eine Saison mit vielen Fragezeichen.

Foto: Sascha Steinbach/Pool via Getty Images

Untersucht man die Vereinsbiographie der Volkssport Gemeinschaft Altglienicke, dann erblickt man die klassische Biographie eines Amateurteams in der ersten Pokalrunde. Nach dem zweiten Weltkrieg im Jahr 1946 als Nachfolger diverser Sportmannschaften gegründet, fristete die Fußballabteilung jahrelang ein Dasein in den Niederungen des DDR-Fußballs. Nach der Wiedervereinigung pendelten die Berliner anschließend lange Jahre zwischen Kreisliga und Bezirksliga, bevor sie 2010 in die Landesliga aufstiegen und damit die erfolgreichste Zeit der Vereinsgeschichte einläutetem. Mittlerweile spielt die VSG in der Regionalliga und gilt als Aufstiegsanwärter für die dritte Liga, was Altglienicke hinter Union und Hertha zur dritten Kraft der Hauptstadt machen würde. Diese Ambitionen unterstrichen hat der Gewinn des Berliner Landespokals vor einigen Wochen, der zur Teilnahme an der ersten Runde des DFB-Pokals berechtigt.

In normalen Zeiten würde sich die VSG Altglienicke nun dieses Wochenende auf ein Heimspiel im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark freuen und auch die Auswärtsfahrer*innen aus Köln könnten „ihre“ Elf in einem klassischen Erstrunden-Amateurstadion anfeuern und davon träumen, die Pokalsaison sowohl in Berlin zu starten als auch im kommenden Mai zu beenden. Doch nach wie vor ist wenig normal im Profifußball: Auch im September 2020 grassiert Covid-19 in Deutschland und lässt es nicht zu, dass Profifußball wieder in vollen Stadien gespielt werden kann. Es ist derzeit auch nicht absehbar, wann wieder ausverkaufte Stadien als elementarer Teil des Sports zugelassen werden können. Nicht attraktiver macht das Pokalspiel zusätzlich der Fakt, dass der 1. FC Köln und die VSG Altglienicke das Heimrecht getauscht haben.

Good Cop und Bad Cop auf der Pressekonferenz

„Wir konnten schon ein paar Wettkampfspiele vom Gegner sehen, sie sind ein Aufstiegskandidat. Das ist vom Niveau eine Drittliga-Mannschaft“, mahnte FC-Trainer Markus Gisdol zwar auf der Spieltagspressekonferenz, doch ein Heimspiel gegen einen Viertligisten darf für einen Bundesligisten auch unter den gegebenen Umständen eigentlich zu keiner Zeit ein Problem darstellen. Auf Neuzugänge muss der gebürtige Baden-Württemberger jedoch nach dem nicht bestandenen Medizincheck von Streli Mamba und dem positiven Corona-Test von Dimitrios Limnios weiterhin verzichten. Lediglich Ron-Robert Zieler wird am Samstag auf der Bank Platz nehmen und bereitstehen, sollte sich Timo Horn verletzen.

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Die Diskussionen und teilweise etwas absurden Wasserstandsmeldungen rund um mögliche Neuzugänge sowie die abgesagte Generalprobe bestimmten in den letzten Tagen und Wochen Gemüter und Schlagzeilen rund um das Geißbockheim. Die Vorbereitung war alles andere als frei von Problemen, vom peinlichen Ende der vergangenen Saison ganz zu schweigen. Ein wenig Zuversicht wollte man im pandemiegeplagten Verein allerdings wohl dennoch ausstrahlen, ohne jedoch die Probleme zu verschweigen – das Ergebnis war der Klassiker “Good Cop, Bad Cop”.

Gisdol lobt, Heldt mahnt

Der Trainer übernahm dabei die Rolle des guten Bullen, verbreitete Zuversicht, lobte das Team erst allgemein („Die Mannschaft hat ein großes Pensum absolviert, großes, großes Lob an die Jungs“) und verteilte anschließend ganz viel Lob an einzelne Spieler. Zuerst traf es Timo Horn („trainiert und spielt auf hohem Niveau, absolut bemerkenswert“), danach Jannes Horn („hat mich positiv überrascht, sehr positiver Eindruck“), Rafael Czichos („wächst in seine Führungsrolle hinein, die wir erwarten“), Jonas Hector („unser bester Spieler in der Vorbereitung“) und Jan Thielmann („sehe Schritte nach vorne“), bevor er Elvis Rexhbecaj („positive Entwicklung, tolle Vorbereitung“) ausführlich, ungewohnt und für ihn beinahe überschwänglich lobte.

Foto: Kirchner/Christopher Neundorf/Imago Images

Manager Horst Heldt saß während der Lobeshymnen neben dem Trainer und spielte anschließend den Bad Cop, der sich auch selber gewissenhaft in die Pflicht nimmt: „Wir brauchen für die Liga eine konkurrenzfähige Mannschaft. Wir haben eine gute Vorbereitung absolviert, aber wir müssen die Qualität im Kader steigern“, mahnte er in dem Wissen, dass Dimitrios Limnios nach seiner überstandenen Corona-Infektion der erste Neuzugang mit Startelf-Ambitionen sein wird. Doch weitere müssen folgen, das weiß Heldt auch: „Das reicht nicht, da muss noch was kommen.“

Die Zwickmühle namens Cordoba

Probleme und offene Baustellen gibt es allerdings nicht nur bei den Zugängen. Einer der wenigen Spieler, der Geld in die klammen Kassen spülen könnte, wäre Jhon Cordoba. Der Twist dabei: Der Vertrag des Kolumbianers läuft kommenden Sommer aus, den 27-Jährigen ablösefrei zu verlieren können sich die „Geißböcke“ eigentlich nicht leisten. Von einer Vertragsverlängerung ist man allerdings ein ganzes Stück entfernt, ein Wechsel darf darum nicht ausgeschlossen werden. „Es bleibt eine offene Frage, wie es mit ihm weitergeht. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu beantworten. […] Er ist eine wichtige Säule. Ein Fenster schließt sich an einem bestimmten Zeitpunkt, wir bewegen uns daher in einem luftleeren Raum, alles ist möglich” sendete Heldt entsprechend Signale an mögliche Interessenten.

Ein Verkauf wäre allerdings in der derzeitigen Situation erstmal nicht besonders klug. Denn dem FC gehen schlicht und ergreifend die Stürmer aus. Simon Terodde ist nach Hamburg gewechselt und Anthony Modeste laboriert weiterhin an einer Verletzung. Wann er zurückkehren kann, ist derzeit nicht absehbar. Der einzige Stürmer mit Bundesligaformat ist damit Stand heute der Kolumbianer. Ihn ohne Ersatz zu verkaufen würde bedeuten, die Chancen auf den Klassenerhalt erheblich zu verringern.

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Für den Pflichtspielstart gegen die Amateure aus Berlin indes sollte die Cordoba-Frage noch weniger ein Problem sein, doch spätestens eine Woche später zum Ligaauftakt zuhause gegen Hoffenheim wird es ernst. Dies gilt nicht nur wegen der Klasse des Gegners, sondern wegen des Geschehens auf den Tribünen: Der FC plant mit bis zu 10.000 Zuschauer*innen. Die 300 zugelassenen Fans am Samstag sollten damit ebenso wie der Gegner nur der Prolog in eine ungewisse Saison voller schwerer Etappen und Episoden sein – auf und neben dem Feld.

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