Ein Gastbeitrag von Ruben Gerczikow
„Ich ben Grieche, Türke, Jude, Moslem un Buddhist,
mir all, mir sin nur Minsche, vür‘m Herjott simmer glich“
Die Stadt Köln und ihr Fussballclub sind bunt und multikulturell. Das Lied „Unsere Stammbaum“ von den Bläck Föös spiegelt das an Karneval, bei Heimspielen im Müngersdorfer Stadion und an jedem anderen Tag wider. Der Einsatz gegen Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus und jede andere Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gehört hier zum guten Ton. Ob Initiativen wie „Kein Veedel für Rassismus“, die Aktion „Arsch huh“ oder die Mobilisierung gegen den AfD-Parteitag 2017 in der Domstadt: Köln bleibt stabil!
Daher ist es nicht verwunderlich, dass die „Geißböcke“ stolz auf diese Multikulturalität sind und sie auch präsentieren möchten. Köln ist mehr als nur der Dom – daher ist die Entscheidung, auch die Silhouette einer Moschee auf das Auswärtstrikot zu nehmen, nur konsequent. Ein starkes Zeichen der Weltoffenheit und Toleranz seitens des Vereins. Dass diese Geste nicht allen gefällt, war vorhersehbar. Ein ehemaliges Mitglied verkündete seinen Frust und verabschiedete sich mit rassistischen und homophoben Worten aus unserer FC-Familie. Der Verein reagierte auf die Kündigung kreativ und stark. Ein Zeichen der Weltoffenheit gesetzt und einem rassistischen Fan die Tür gezeigt. Es könnte alles so einfach sein.
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Moschee ist das Kölner Aushängeschild der DITIB
Doch es handelt sich bei der abgebildeten Moschee nicht einfach um eine Silhouette einer Moschee. Es ist die DITIB-Zentralmoschee in Ehrenfeld. Seit ihrer Eröffnung 2018 dient sie als Aushängeschild der „Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion“, wie DITIB auf Deutsch heißt. Zur Eröffnung kam der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan höchstpersönlich nach Köln. Kein Wunder, schließlich steht DITIB unter der Kontrolle der staatlichen Religionsbehörde Diyanet und gilt weithin als verlängerter Arm Ankaras in Deutschland. Während Präsident Erdoğan die Eröffnung feierte, blieb die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) den Feierlichkeiten fern. Sie begründete ihre damalige Absage damit, dass es DITIB an „Respekt vor dem höchsten Amt, das die Kölnerinnen und Kölner zu vergeben haben“, mangelte.
Bei der Stellungnahme des 1. FC Köln wurde auf die FC-Charta verwiesen. Dort heißt es u.a. im zweiten Absatz „Unsere Werte – Levve und Levve Losse“ wie folgt: „Wir wollen Toleranz, Fairness, Offenheit und Respekt – immer und überall“. Ein FC-Fan äußerte seine Bedenken bezüglich DITIB, da diese in der Vergangenheit immer wieder durch Homophobie aufgefallen sein sollen. Das Social-Media Team der „Geißböcke“ antwortete wie folgt: „Wir haben darüber nachgedacht: Die Moschee steht symbolisch für die große türkische Community in Köln, in der sehr viele eingefleischte #effzeh-Fans gibt. Sie ist ein Teil der Kölner Skyline geworden. Das gilt unabhängig davon, wie man politisch zum Betreiber der Moschee steht.“
Die Moschee steht symbolisch für die große türkische Community in Köln, in der es sehr viele eingefleischte #effzeh-Fans gibt. Sie ist ein Teil der Kölner Skyline geworden. Das gilt unabhängig davon, wie man politisch zum Betreiber der Moschee steht.
— 1. FC Köln (@fckoeln) August 11, 2020
Eine Antwort, die durchaus sinnvoll ist und dennoch Fragen aufwirft. Die Moschee und ihr Betreiber sind nun mal nicht voneinander zu trennen. Auch wenn das Gotteshaus symbolisch für die türkische Community stehen soll, ist die türkische Community diverser als nur die regierungsnahe DITIB. Diese im Statement durchgeführte Verquickung macht den FC angreifbar, wie auch der gerade von rechtsaußen konzertiert geführte Shitstorm beweist. Statt um die rassistische und homophobe Nachricht und die starke Distanzierung des Vereins von solchem Gedankengut geht es zumeist um das Verhältnis des 1. FC Köln zur DITIB. Statt durch einen Hinweis auf das markante Gebäude, das Teil der Kölner Skyline im weitesten Sinne ist, ausschließlich ein Zeichen für die tolerante und vielfältige Stadtgesellschaft Köln zu setzen, befinden sich die „Geißböcke“ nun im Rechtfertigungsmodus für ihr Verhältnis zu einer umstrittenen religiösen Organisation.
Spionage-Tätigkeiten, Antisemitismus, anti-kurdische Ressentiments
Denn die DITIB musste sich in den vergangenen Jahren vielerlei Kritik erwehren: In Deutschland soll die AKP-regierte Türkei eben durch die DITIB Einfluss auf die hier lebenden Menschen mit türkischem Hintergrund nehmen. Laut „Reporter ohne Grenzen“ gehen Regierung und die Justiz in der Türkei seit Jahren rigoros gegen kritische Berichterstattung und die politische Opposition vor. Viele regierungskritische Journalistinnen und Journalisten wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Der prominenteste Fall wird die Inhaftierung des Türkei-Korrespondenten Deniz Yücel, der zuletzt in Abwesenheit mehr oder minder für die Ausübung seines Jobs verurteilt wurde, sein.
Auch für regierungskritische Türkinnen und Türken in Deutschland sollen DITIB und die AKP-Regierung eine Gefahr darstellen. Volker Beck, der ehemalige religionspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, übermittelte 2016 der Bundesstaatsanwaltschaft in Karlsruhe diverse Unterlagen, die DITIB-Imame in Verbindung mit Spionage-Tätigkeiten bringen sollen. Mutmaßlich sollen sie im Auftrag Ankaras gläubige Türkinnen und Türken in Deutschland bespitzelt haben. Laut dem „Spiegel“ hat der Verband die Vorwürfe von Volker Beck dementiert, kündigte damals jedoch eigene Untersuchungen an.
Im Bezug auf kulturelles Zusammenleben machte DITIB in der Vergangenheit negative Schlagzeilen. So berichtete die „Jüdische Allgemeine“ mehrmals von antisemitischen Vorfällen in DITIB-Moscheegemeinden. Zwar distanzierte sich der DITIB-Bundesverband von den getätigten Äußerungen, aber für den Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, handelt es sich hierbei jedoch nicht um Einzelfälle. Im Winter 2018 und im Herbst 2019 fanden türkische Militäroffensiven in der syrischen Stadt Afrîn und in der Region Rojava in Nordsyrien statt. Beide Regionen sind stark kurdisch geprägt. Wie die Schriftstellerin Ronya Othmann berichtet, soll es während den beiden Militäroffensiven zu Gebeten für den Krieg in diversen DITIB-Gemeinden gekommen sein.
Ein wichtiges Zeichen, doch ohne die komplett klare Positionierung
Nach den rassistischen und antisemitischen Anschlägen in Halle und Hanau ist das Zeichen des FC wichtiger denn je. Ein Zeichen für eine offene und tolerante Gesellschaft. Für Gedankengut, das dem widerspricht, ist in diesem Verein kein Platz. In Anbetracht der vielen Vorwürfe gegenüber dem religiösen Verband sollten die Verantwortlichen des 1.FC Köln allerdings noch einmal nachdenken, wie sie mit der Kritik an DITIB umgehen. In diese Zwickmühle hat sich der Verein zu Teilen mit seiner öffentlichen Kommunikation selbst mänovriert – eine klare Positionierung und ein Bekenntnis zur FC-Charta muss jedoch in alle Richtungen gelten!
Ruben Gerczikow ist nicht nur langjähriger und leidenschaftlicher Fan des 1. FC Köln, sondern auch politischer Aktivist und Vizepräsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) und der European Union of Jewish Students (EUJS).