Vier Heimsiege in Serie, fünf Erfolge aus den letzten sechs Partien, sechs Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge: Es sind diese Zahlen, die die derzeit gelöste Stimmung rund um den 1. FC Köln erklären. Doch es ist mehr als nur ein stumpfer Blick auf kalte Zahlen, der die Sonne über dem Geißbockheim zumindest in den kölschen Herzen scheinen lässt. Es ist vor allem der Eindruck auf dem Platz, den die „Geißböcke“ in der jüngsten Vergangenheit unter dem neuen Trainer Markus Gisdol hinterlassen. Kämpferisch, voller Leidenschaft, als Einheit auftretend: Das sind die Eigenschaften, die die FC-Fans abseits vom reinen Ergebnis letztlich sehen wollen – auch am Sonntag im rheinischen Derby bei Borussia Mönchengladbach.
Ein Duell, dessen Wichtigkeit für den eigenen Verein und die eigenen Anhänger die Beteiligten nicht müde werden zu betonen. Ein Duell allerdings auch, bei dem eine Seite meist nur vor der Begegnung in den Gazetten mit dem notwendigen Engagement glänzt. Im Hinspiel gegen die „Fohlen“ vom Niederrhein glänzte das FC-Team auf dem Rasen dagegen lediglich mit vornehmer Zurückhaltung. Gegen die robuste Offensive der Gäste fand die Mannschaft des damaligen Trainers Achim Beierlorzer kein Mittel, das spielstarke Zentrum der Borussen hatte gegen überforderte Kölner nahezu völlig freie Hand. Der Eindruck der Wehrlosigkeit, ausgerechnet im Derby vor den eigenen Fans, machte sich wieder einmal breit.
Der neue 1. FC Köln ist aggressiv und konsequent
Dass der 1. FC Köln zu Beginn des Jahres 2020 nur noch wenig mit dieser blutleeren Vorstellung zu tun hat, zeigte vor allem der Auftritt gegen den SC Freiburg. Nach schwachem Beginn kämpfte sich das Team um Kapitän Jonas Hector wie schon im Heimspiel gegen Wolfsburg mit zunehmender Spieldauer in die Partie und kaufte dem Gegner durch aggressives Anlaufen und konsequenter Zweikampfführung den Schneid ab. 54 Prozent der direkten Duelle entschieden die „Geißböcke“ über die gesamten 90 Minuten für sich – ein starker Wert gegen die eigentlich als ziemlich durchsetzungsfähig bekannten Freiburger. Besonders bissig zeigte sich der FC im Zentrum, wo insbesondere die Mittelfeldreihe nicht nur läuferisch überzeugen konnte.
Das ist ein Punkt, der für die brisante Begegnung mit dem rheinischen Rivalen Mut macht. Der 1. FC Köln hat unter Markus Gisdol eine stabile Achse eingespielt, die dagegenzuhalten versteht. Anders als noch zu Beginn der Saison sind Automatismen vorhanden, die gegen eine Spitzenmannschaft vom Kaliber Mönchengladbachs überlebenswichtig sein werden. Und die entsprechenden Spieler haben sich im Sog des Aufschwungs aus ihrer eigenen Formkrise gezogen: Zwischen den Pfosten zeigte Timo Horn gegen Freiburg einmal mehr, dass er den „Geißböcken“ im Abstiegskampf ein adäquater Rückhalt sein kann. Schon bei den Heimsiegen gegen Wolfsburg und Bremen hatte der FC-Keeper seine Aufwärtstendenz mit wichtigen Paraden unterstrichen, die dem Aufsteiger teils sogar die Punkte rettete.
Die “Geißböcke” haben eine stabile Achse
Vor ihm entwickelt sich Sebastiaan Bornauw immer mehr zu einem Fels in der Brandung. Der Belgier, gegen Saisonbeginn noch mit dem einen oder anderen Wackler, ist ein wichtiger Faktor des Kölner Aufschwungs – mit seiner kompromisslosen Art in der Abwehr, mit seiner Torgefahr bei eigenen Standards. Das 1:0 gegen Freiburg war bereits das vierte Saisontor des 1,91-Meter-Hünen – nur Frankfurts Hinteregger ist als Verteidiger noch torgefährlicher. Darüber hinaus ergänzt sich Bornauw mit Nebenmann Czichos und bildet ein mehr als nur Bundesliga-taugliches Defensivzentrum. Auch vor der Abwehr zeigt sich der FC gerüstet für die anstehenden Aufgaben im Abstiegskampf: Jonas Hector und Ellyes Skhiri sind im „Motorraum“ lauf- und spielstark unterwegs und nehmen allein dadurch sehr viel Druck von der eigenen Abwehrkette.
Und davor haben sich die „Geißböcke“ im Winter jemanden ins Team geholt, der den Unterschied ausmachen kann. Mark Uth ist nicht nur aufgrund seiner drei Torbeteiligungen in drei Spielen perfekt eingeschlagen, die Leihgabe des FC Schalke 04 ist besonders dank seiner Sonderrolle im Kölner Spiel so wertvoll. Als hängende Spitze besetzt der FC-Rückkehrer die Räume zwischen der gegnerischen Abwehrreihe und dem gegnerischen Mittelfeld, präsentiert sich dort stets anspielbar und spielfreudig. Als Relaisstation in der eher kick-and-rush-lastigen Herangehensweise von Markus Gisdol ist Uth somit unverzichtbar – der Kölner Kreativkopf ist verantwortlich für das Einsetzen des vorne unermüdlichen ackernden Prellbocks Jhon Cordoba sowie der nachrückenden Außenspieler.
Die Standards als Schlüssel
Besonders gegen die passsicheren und pressingresistenten „Fohlen“, die im Hinspiel ihre Überzahl im Zentrum nahezu perfekt ausspielten, kommt Uth daher wieder eine besondere Doppelrolle zu: Gegen den Ball ist angesichts der spielstarken Gladbacher Sechser die notwendige Aggressivität gefordert, im Umschaltspiel dann seine Dynamik, seine Kreativität und Spielintelligenz. Gelingt es dem Aufsteiger am Sonntag, die Mitte dicht zu bekommen, dann hätten die „Geißböcke“ eine weitere Schwäche zu einer Stärke gemacht. Das gelang den Kölnern in dieser Saison schon bei den Standardsituationen: Vor dem vergangenen Abstieg noch ein ausgemachtes Handicap, schlägt der FC vermehrt nach ruhenden Bällen zu. Der Führungstreffer gegen Freiburg war bereits das zehnte Tor in Anschluss an einen Eckball – das ist Bundesliga-Bestwert!
Nun gilt es, diese Qualitäten, die durch die Uth-Leihe nochmals ausgebaut wurde, gegen die beste Defensive in Deutschland unter Beweis zu stellen. Erst 23 Tore haben die „Fohlen“ kassiert, haben mit Yann Sommer einen hervorragenden Torwart zwischen den Pfosten stehen und sind dazu gerade im Spiel ohne Ball extrem organisiert unterwegs. Umso wichtiger könnten Standardsituationen werden, um das Spiel zu den eigenen Gunsten zu entscheiden. Zwar ist nicht nur der FC stark beim ruhenden Ball (Gladbach mit den ligaweit meisten Toren nach Freistößen), doch gerade als Außenseiter in einem direkten Duell könnte es den „Geißböcken“ gelingen, gerade solche Momente zu nutzen, um das Glück einmal mehr auf ihre Seite zu ziehen. Schon in den vergangenen zwei Heimspiele waren es Standardsituationen, die den Dosenöffner für den Aufsteiger gaben.
Das Spielglück auf die eigene Seite zwingen
Auch das ist ein Unterschied zur erfolglosen Phase, der nicht zu unterschätzen ist: Der FC schafft es, sich für seinen Aufwand zu belohnen. Und wird für seine Fehler, die immer noch reichlich vorhanden sind, nicht bestraft. Spielglück, diese mystische Ex-Post-Erklärung, ist den „Geißböcken“ bei ihrer Erfolgsserie hold gewesen. Das wird es vermutlich ebenso am kommenden Sonntag brauchen, wenn das rheinische Derby auf dem Programm steht. Denn selbst im so emotionsarmen Hinspiel hätte es der FC beinahe geschafft, die Dinge zu seinen Gunsten zu drehen: Nach zahlreichen Möglichkeiten, die Mönchengladbach fahrlässig liegen ließ, war es Sommer, der mit drei Paraden den glücklichen und unverdienten Ausgleich des Aufsteigers verhinderte. Das zeigt: Chancenlos geht der 1. FC Köln, zumal nun mit breiter Brust, beileibe nicht.