Leev Lück,
so eine Länderspielpause mit einem anschließenden Spiel, das für mich nicht infrage kommt, kann mitunter durchaus etwas Feines sein. Wie manche meiner Freunde nutzte ich die Unterbrechung des Ligabetriebs zu einem Abstecher in das Ausland: Statt mich im nasskalten Köln über den stockenden Verkehr, den x-ten Bombenfund und natürlich den glorreichen 1. FC Köln zu ärgern, zog es meine Holde und mich in die Sonne. Eine Bedingung dabei: Das Smartphone bleibt im Hotelzimmer, über den FC wird nicht gesprochen. Wer mich kennt, weiß, wie unerhört diese Forderung ist, wie schwer mir das fällt – doch um des Haussegens willen stimmte ich am Morgen nach der bitteren Last-Minute-Niederlage gegen Hoffenheim zu.
Ich muss wohl unter Schock gestanden haben, als ich das tat. So verpasste ich die Trennung von Achim Beierlorzer, die offensichtlich während der Anreise in den Urlaubsort vonstatten ging. Ich verpasste die hitzigen Diskussionen in unserer Whatsapp-Gruppe zum FC (danke für die 1228 Nachrichten, Freunde!). Ich verpasste es, mir die Fortsetzung der schwankenden Leistungen unseres Torwarts mit anderen Mitteln anzuschauen und mich darüber aufzuregen. Ich verpasste Vorwürfe, die demokratischen Gremien des Clubs seien an der Misere Schuld. Ich verpasste die Nachfolgedebatten, die Pros und Contras zu den Herren Labbadia, Dardai, Heldt und Gisdol. Ich verpasste die Vorstellung des neuen Duos in der sportlichen Leitung der „Geißböcke“ – und die daraus resultierenden Kassandrarufe, wie schlimm es doch um diesen Club steht. Ich verpasste Antrittsreden, Abschiedsgrüße und sonstige Schmonzetten.
Die FC-Jugend macht einem noch Spaß!
Habe ich wirklich etwas verpasst? Ich denke nicht. Das Einzige, was ich verpasst habe, ist mir schlechte Laune zu verpassen. Denn derzeit ist es kein Spaß, FC-Fan zu sein. Nicht nur wegen der ständigen Niederlagen oder der blutleeren Derbyauftritte, nicht nur wegen des Abstiegskampfs oder des Trainerverschleißes, nicht nur wegen der internen Querelen oder der suboptimalen Außendarstellung. Sondern auch, weil mir die Hektik und Polemik, mit der zwischen FC-Fans erbittert über Themen gestritten wird, auf den Magen schlägt. Die Lagerbildung, die Schuldzuweisungen. Im Minutentakt neue Nachrichten, die die anderen in den Schatten stellen und in das eigene Schema gepresst werden. Nein, Spaß macht die schönste Nebensache der Welt derzeit nicht. Da tat ein Schritt zurück, eine kurzzeitige Entschleunigung, das Ausbrechen aus dem Hamsterrad der Fußballbranche sehr, sehr gut.
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Was im Übrigen auch sehr gut tut, ist ein Besuch bei Jugendspielen des 1. FC Köln. Statt nach Leipzig zu pilgern, um sich das Duell unserer rot-weißen Götter bei einer PR-Abteilung eines Brausekonzerns anzutun, führte mich mein erster Weg nach dem wohl verdienten Urlaub ans Geißbockheim. Wer sich zum Beispiel die äußerst erfolgreiche U19 anschaut, die derzeit in der U19-Bundesliga West an der Tabellenspitze thront, dem geht das Herz auf. Spielfreude, Kampfgeist, mannschaftliche Geschlossenheit: Die Jungs von Trainer Stefan Ruthenbeck machen einfach richtig Spaß, wie auch das 7:1 gegen Rot-Weiß Oberhausen bewies. Dazu das im Vergleich zu den Profis deutlich abgespeckte Rahmenprogramm: Keine Cheerleader, keine Gewinnspiele, kein Lieferservice für Essen. Und kein VAR. Einfach Fußball. Mit Bratwurst und manchmal mit Bier. Da ist der geneigte Fan dem Sport noch näher als in der Bundesliga.
Kreisliga-Fußball: Ein Downgrade, das sich lohnt
So auch in der Kreisliga: Ich kann jedem nur empfehlen, die Wochenenden auch wieder zu Abstechern bei den Vereinen aus eurer Umgebung zu nutzen. Wann habt ihr zum letzten Mal dem Veedelsclub aus der Nachbarschaft einen Besuch abgestattet? Das Downgrade vom Bundesliga-Stadion zum Ascheplatz ums Eck lohnt sich durchaus! So herzlich, wie ich an manchen Spielorten empfangen wurde, geht es nicht einmal auf den Familienfesten meiner Frau zur Sache. Kaffee hier, Stückchen Kuchen dort. Bisschen Bier, bisschen Bratwurst (oder sonstige äußerst ungesunde, aber wahrlich schmackhafte Verpflegung). Bisschen urigen Fußball, wenngleich qualitativ natürlich eher ausbaufähig. Bisschen Blutgrätschen, körperlich und auch verbal. Hier wird sich noch über jeden Gast gefreut, hier geht es auch noch offen und ehrlich zur Sache. Manchmal auch über die Grenze des Erträglichen hinaus, so ehrlich muss man sein.
In den letzten Wochen machten vermehrt Angriffe auf Schiedsrichter im Amateurbereich Schlagzeilen. Eine Unart, die beileibe nicht neu ist, aber mittlerweile um sich zu greifen scheint. Bei allem Verständnis für Emotionen im Fußball: So etwas gehört sich nicht. Der Schiedsrichter-Streik in Köln war deshalb richtig und wichtig. Es muss sich etwas ändern auf den Fußballplätzen in diesem Land. Und auch aus eigener Erfahrung im Kreisliga-Geschehen kann ich sagen: Es liegt an jedem einzelnen, dass diese Unsitte endlich eingedämmt wird. Es liegt an den Verbänden, solche Übeltäter schneller und länger aus dem Verkehr zu ziehen. Es liegt an den Vereinen, solchen Spielern keinen Unterschlupf zu bieten. Es liegt an den Mannschaftskollegen und an den Gegnern, an den Zuschauern und an den Verantwortlichen, diesem Treiben endlich Einhalt zu bieten. Und es liegt auch an den Herren Profis, die Woche für Woche ein fürchterliches Vorbild abgeben. Es wäre schön, wenn dort so durchgegriffen wird, wie es sich so oft gegen manchen Fan gewünscht wird.
Euer Jeff Jas
Einmal im Monat schreibt Jeff Jas an dieser Stelle über die groben Fouls und versteckten Nickligkeiten im Fußball, die Diskussionen auf dem Platz, an der Seitenlinie, in der Kabine, auf der Tribüne und an der Theke. Er fühlt sich überall zuhause, wo der Ball rollt: Vom Aschenplatz auf der Schäl Sick über das Müngersdorfer Stadion im Kölner Westen bis zu den Hochglanzarenen dieser Welt.