Es müsste ja alles nicht sein. Der Schreibtisch wäre leer, es gäbe keine Termine und schwupps, sähe die Woche “viel besser aus”. So stand es vor einigen Tagen im Kölner Stadtanzeiger. Aber weil Alexander Wehrle “lieber groß denkt als klein” (KStA-Autor Christian Löer) schultert er die Last eines möglichen Stadionausbaus und erschwert sich somit seine Arbeitstage. All das tut er nur, weil er den 1. FC Köln voranbringen will. Welch noble Selbstaufopferung im Dienst einer höheren Sache. Und erdverbunden ist er dabei auch noch! Auf seine Präsentation eines 75.000 Plätze umfassenden Müngersdorfer Stadions bei der Mitgliederversammlung angesprochen antwortet er: „Die Mitglieder haben doch das Recht, zu erfahren, womit wir uns beschäftigen. Das ist ja keine Legofantasie. Das hat Hand und Fuß.“
Wehrle errichtet ein Luftschloss
Eines muss man Alexander Wehrle lassen: Die Kunst der Inszenierung beherrscht er meisterlich. Er schafft eine Vergesslichkeit seiner Gesprächspartner, die offenbar stets außer Acht lassen, dass der effzeh sich seit mehreren Jahren in der Stadionthematik nicht bewegt. Mal spekulierten Ex-Präsident Werner Spinner und Wehrle selbst über einen Neubau an anderen Orten, mal setzten sie die Stadt unter Druck, mal jammerten sie über den Knebelvertrag, den sie selbst verhandelt hatten. Passiert ist de facto jedoch nichts. Das neue Stadion, ob es nun in Müngersdorf aus-, oder in Pulheim neu gebaut wird, ist ein Luftschloss.
Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images
Auch Alexander Wehrle müsste dies inzwischen wissen. Denn weder er noch andere Vereinsvertreter legten bisher vor, wie sie was eigentlich umsetzen wollen. Bekannt sind weder Pläne zur Finanzierung des Projekts, noch zur Veränderung der Infrastruktur, geschweige denn ein Zeitplan.
Doch Wehrle kümmert das nicht, er zieht große Worte großen Taten vor. Dabei ignoriert er Henriette Rekers Ablehnung eines Stadionausbaus ebenso wie kritische Fragen aus der Mitgliedschaft: Die Frage eines Mitglieds auf der Mitgliederversammlung, ob der Klub die Vielzahl von Anwälten und Richtern, die im Umfeld des Stadions wohnen und schon jetzt die Messer wetzen, bei seinen Ausbauplänen berücksichtigt habe, ließ Wehrle abprallen, als sei sie nie gestellt worden.
Wehrle testet das Präsidium
Wahrscheinlich bezweckt Wehrle mit den jüngsten Aussagen ohnehin jedoch etwas anderes als Neuigkeiten zum Stadionausbau zu verkünden. Nachrichtenwert besaßen seine Aussagen nicht. Aber der Geschäftsführer kann so ein bisschen testen, wie weit er beim neuen Vorstand gehen kann. Denn Wehrle galt jahrelang als einziger Unantastbarer im Geißbockheim. Selbst die Verschlechterung der finanziellen Situation des Vereins beschädigte seinen Ruf nicht. Und beim Stadion kann der 44-Jährige, wie auch beim Grüngürtel, mit ein paar lässigen Attacken gegen Politik und Bürger beim Anhang punkten. Egal, wie übersichtlich die tatsächlichen Fortschritte auch sein mögen. Wehrle, und diese Botschaft verbreitet auch der Artikel im KStA, ist der entscheidende und unverzichtbare Mann im Geißbockheim. Der Adressat für diese Botschaft dürfte auch der neue Vorstand sein.
Zwar lobten Werner Wolf, Jürgen Sieger und Eckhard Sauren vor ihrer Wahl auch die Arbeit des Geschäftsführers. Seitdem hielten sie sich mit öffentlichen Aussagen jedoch stark zurück. Umso höher dürften sie ihre Augenbrauen nach der Lektüre der jüngsten Aussagen Wehrles gezogen haben. Ihre Position zum Stadionausbau verdeutlichten sie schließlich bereits mehrfach. „Würde man das Stadion auf 75.000 Plätze ausbauen, geht es erstmal darum, ob das technisch möglich ist. Dann müssen wir aber auch fragen: Wie kommen diese 75.000 Leute hin und wieder weg? Wie finanziert man das Ganze? Die Großprojekte wie Stadion, Geißbockheim und Leistungszentrum müssen priorisiert werden. Was ist wichtiger? Da müssen wir uns entscheiden” sagte Sieger beim FC-Stammtisch im Juni.
Das Team Sauren, Wolf, Sieger | Foto: effzeh.com
Das klingt vorsichtig. Gleichzeitig stellte der Vizepräsident Fragen, die Wehrle seit mehreren Jahren nie beantwortet hat. Auch Präsident Wolf bezog ebenfalls beim Stammtisch Stellung und sagte: „Die technische Machbarkeitsstudie sagt erstmal nur aus, was in diesem Stadion realisierbar ist. Die finanzielle Bewertung kommt erst danach.“ Auch das klang nicht nach Großmannssucht.
Wie reagiert der Vorstand?
Da die Botschaften Wehrles und seiner Vorgesetzten auseinanderklaffen, stellen sich mehrere Fragen: Billigte der Vorstand Wehrles Plauderei mit dem Kölner Stadtanzeiger und dessen Inhalt? Falls ja, warum tat er das angesichts der offensichtlichen Widersprüche? Falls nein, redete Wehrle unabgesprochen mit der Zeitung? Hat sich die Position des Präsidiums inzwischen geändert? Und übergeordnet vor allem: Wer spricht eigentlich für den 1.FC Köln?
Der neue Kölner Vorstand wird auf den Vorstoß seines Geschäftsführers also reagieren müssen. Zwar hat Wehrle damit noch lange keinen Machtkampf eröffnet, aber eines machte der Geschäftsführer damit durchaus klar: Er rückt von seiner Kommunikationsstrategie nicht ab. Doch auch wenn große Worte und tolle Bilder kurzfristige Beliebtheit erzeugen, darf ein Stadionausbau nicht als Luftschloss behandelt werden. Wenn die Verantwortlichen das begreifen, kommen sie einem größeren, moderneren Stadion endlich ein gutes Stück näher.