In einem Brief verabschiedet sich unser Autor für eine gewisse Zeit von seiner großen Liebe Bundesliga, denn beide haben sich zuletzt ein wenig auseinandergelebt. Findet er sein Glück woanders? Es bleibt spannend!
Liebe Bundesliga, wir müssen reden. Denn es ist Zeit für eine Pause.
Du begleitest mich jetzt schon mein ganzes Leben, zumindest in dem Zeitraum, in dem ich einigermaßen klar denken kann. Unsere Beziehung hat zwar schlecht angefangen (warum genau musste ausgerechnet der 1. FC Köln in der Saison 1997/1998 absteigen?), aber danach ist die Bindung immer intensiver geworden. Samstags um 15:30 Uhr wurde ein fixer Termin, anfangs noch in der Radiokonferenz beim WDR, dann im Stadion und auch bei privaten Fernsehanbietern. Es gab Saisons, in denen die Entscheidung über die Meisterschaft erst am letzten Spieltag fiel und Michael Ballack in Unterhaching ein Eigentor schoss oder Patrick Andersson in einer Hamburger Mauer eine winzige Lücke fand. Mit all diesen Entscheidungen hatte mein Lieblingsverein allerdings meistens wenig zu tun, da man sich entweder nur mit Mühe und Not in der Liga hielt oder gleich wieder den Weg nach unten antrat. Zumindest hatten wir damals Lukas Podolski, was das Ganze ein wenig erträglicher machte.
Aber auch ohne Vereinsbrille war das Geschehen in der höchsten Liga Deutschlands immer von Interesse. Es gab überraschende Meisterschaften wie die von Stuttgart im Jahr 2007, den aufregenden Zweikampf zwischen den Bayern und dem BVB in den 2010er Jahren, es gab das romantische Intermezzo von Darmstadt 98. Als letztes gesellschaftliches Konsensmittel schaffst du es, Menschen aus allen sozialen Kreisen für dich zu begeistern und überhaupt dafür zu sorgen, dass sie miteinander ins Gespräch kommen – das machst du schon gut, das muss man dir lassen. Aber es gibt Leute in deinem Umfeld, die dich zu etwas machen wollen, was du nicht bist beziehungsweise in meinen Augen nicht sein solltest.
Viele Dinge werden der Bundesliga nicht guttun
Deine Stärke rührt aus der emotionalen Bindung der Fans – nicht aus dem finanziellen Interesse von Konsumenten und Investoren. Dann hast du in letzter Zeit auch ein paar Schönheitsoperationen hinter dich gebracht, von denen ich auch nicht glaube, dass sie dich langfristig attraktiver machen. Der Video Assistant Referee wird dir auf lange Sicht nicht helfen können, genauso wenig, wie es Termine am Montagabend tun werden. Einige wollen dafür sorgen, dass du dich noch mehr für externe Geldgeber öffnest, was dir insgesamt auch nicht guttun wird. Du hechelst angetrieben von deinem Geschäftsführer deiner Kollegin aus England hinterher, die sich von ihrer Basis wohl nicht weiter hätte entfernen können, als sie es seit Beginn der 1990er Jahre getan hat.
Dein Lebensberater Christian Seifert wünscht sich allerdings nichts sehnlicher, als aus dir ebenfalls ein seelenloses Produkt zu machen, das zwar nach Premium aussieht, aber komplett den Bezug zu seinen Wurzeln verloren hat. In seinem Streben nach Internationalisierung und dem nächsten Fernsehvertrag hat er ein wenig das Wesentliche aus den Augen verloren. Er dürfte auch ganz froh darüber sein, dass mit dem 1. FC Köln das Problemkind nicht mehr ganz so stark im Rampenlicht steht, schließlich hat man Deutschland auf internationaler Ebene jetzt nicht allzu brillant vertreten. Doch dort hatten wir unseren Spaß, unsere Abenteuer haben wir allerdings in einem Pakt mit dem Teufel gegen den Abstieg eingetauscht. Doch auch danach kann man sich auf einige Dinge freuen.
Rendez-vous mit der kleinen Schwester der Bundesliga
Von daher ist es gar nicht so schlimm, liebe Bundesliga, dass wir uns jetzt erstmal ein Jahr oder vielleicht auch etwas länger nicht mehr sehen. Denn der Grund, dass ich verfolge, was bei dir abgeht, hat sich sportlich für die nächste Saison nicht qualifiziert. Er muss dann bei deiner kleinen Schwester vorstellig werden. Die ist ein bisschen anders gestrickt als du, weniger großspurig, dafür ehrlicher und bodenständiger – zumindest glauben wir das in unserer Naivität. Bei ihr findet man keine internationalen Allmachtsphantasien (FC Bayern!) und keine hochgepumpten Kunstprodukte (Leipzig und Hoffenheim, von Ingolstadt sehen wir in dem Fall mal ab), der VAR ist offline und uns erwartet hoffentlich ein ausgeglichener Wettbewerb.
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Uns stehen interessante Touren nach Magdeburg, Dresden, Darmstadt und an andere mythische Orte des deutschen Fußballs (Duisburg, Bielefeld, Sandhausen) bevor. Die Wahrscheinlichkeit, dass der 1. FC Köln zumindest ein paar von diesen Spiele gewinnt, ist sogar etwas höher als in den vergangenen Monaten – das ist doch schon mal was!
Wächst die Sehnsucht wieder?
Netterweise hat der effzeh auch die Preise für die Dauerkarten gesenkt, es ist somit weiterhin möglich, für etwa 120 Euro in der Südkurve zu stehen und die Mannschaft zu unterstützen. Das werden wir zwar notgedrungen auch an Montagen tun müssen, aber damit hatten wir uns zuvor schon arrangiert – es ist ja schließlich nicht das erste Mal, dass wir uns für eine gewisse Zeit trennen. Wir werden insgesamt samstags und sonntags ein wenig früher aufstehen müssen, um rechtzeitig zu den Auswärtsspielen vor Ort zu sein. Wir werden auch freitags nur noch halbtags arbeiten können, aber nun gut. Was tut man nicht alles für seinen Verein?
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Die Sehnsucht nach dir, Bundesliga, wird zwar wieder wachsen, allerdings tut es für ein paar Monate vielleicht mal ganz gut, wenn man sich mal nicht jedes Wochenende sieht. Da weiß man dann nach einer gewissen Zeit auch wieder, was man aneinander hat.
Von daher: Tschö, liebe Bundesliga, wir wissen alle, dass du uns mehr vermissen wirst als wir dich!