Hoch geflogen, tief gefallen – 2017 wird uns, den Fans des 1. FC Köln, als DAS Europa-Jahr in Erinnerung bleiben. Wir erinnern uns an die schon jetzt geschichtsträchtigen Touren nach London, Minsk und Belgrad.
2017, was warst du nur für ein komisches Jahr? „Dreckeliger Jeck“ würde man dich auf Kölsch wahrscheinlich nennen. Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Anfang und Ende, Alpha und Omega. Aber so biblisch wollen wir heute gar nicht werden. Nennen wir es: Europa-Euphorie, Absturz, rote Laterne. Abgeschlagenes Schlusslicht der Liga. Autsch. Vertrauter Schmerz stellt sich ein. In den 365 Tagen haben wir wirklich (fast) alles erlebt – zumindest aber die uns zur Verfügung stehende Gefühlspalette komplett durchgefühlt. Zwar ist das Abenteuer Europa nach der Gruppenphase für uns vorbei, doch ich bin keineswegs traurig. Hier erzähle ich euch, warum.
Der Startschuss
Der desaströse aktuelle Zustand des Vereins soll uns nicht davon abhalten, kurz den Blick zurückzuwerfen und in ein wohliges Meer an glückseligen Erinnerungen zu tauchen. Denn wir haben in diesem Jahr auch Tage erlebt, die in die Geschichtsbücher eingehen werden. Nach einer über weite Strecken sehr soliden und am Ende phänomenal beendeten Saison 2016/2017 landete unser ruhmreicher 1. FC Köln am 20. Mai 2017 tatsächlich auf Platz fünf der Bundesligatabelle. Was das bedeutet, war jedem FC-Fan bereits vor dem letzten Heimspiel gegen FSV Mainz klar, löste nach Abpfiff dennoch unfassbare Gefühle, Gänsepelle und irgendwie auch Ungläubigkeit aus.
Unschuldige Freudentränen, erwachsene Menschen, die sich heulend in den Armen lagen, schließlich ein enthemmter wie friedlicher Platzsturm. Wir haben Spieler auf Händen getragen, wir haben uns an selbigen gehalten, wir zogen die Aachener Straße stadteinwärts – nur ein einziges Lied singend: „Europapokal! Wir spielen wieder im Europapokal!“ Griechischer Wein floss an diesem Tage die Kehlen hinab, Champagner-Korken knallten und Bierflaschen flogen – scheißegal. Dieser historische Tag gehört nur uns. Denn wir FC-Fans wissen, dass man die Feste feiern sollte, wie sie fallen. Dieser Tag dürfte für Groß und Klein der gefühlte Höhepunkt in der Fan-Karriere gewesen sein.
Die Vorbereitungen
Am 25. August war es dann soweit. Unsere europäischen Träume nahmen Gestalt an: der Tag der Gruppen-Auslosung stand bevor. Was haben wir auf diesen Tag hin gefiebert?! Ich erwachte schon früh, viel zu früh. Sogar vor meinem Wecker – mit Herzrasen und nur einem Gedanken. „Wo wird es wohl hingehen auf unserer Europa-Reise? Wer werden unsere Gegner sein?“ Viele andere hatten sich diesen Tag in weiser Voraussicht frei genommen, trafen sich zu zwei bis 75 Runden Beruhigungsschnaps und Begleitbier in diversen Kölner Lokalitäten – und erlebten auch dieses einschneidende Erlebnis gemeinsam.
Ich war allerdings nicht dabei, ich hatte die Planung dieses Tages in sträflichster Weise vernachlässigt und so saß ich ab 14 Uhr in meinem Büro, versteckte mich hinter dem Bildschirm meines Computers und verfolgte aufgeregt den Livestream der Auslosung. Als unser Los schließlich für Topf H gezogen wurde, zückte ich wie von Sinnen im Endorphin-Rausch mein Smartphone und hielt diesen Moment – wie sehr viele andere auch, wie ich später auf Instagram feststellte – für die Nachwelt fest. „Eines Tages“ in einem Bild – ohne Photoshop. Halleluja.
Der erste Streich: …und in London singen wir dann!
Gegen sechs Uhr morgens schmiss sich mein Freund mit den Worten „Auf geht’s nach Europa! Schalalalalala Schalalalalalalala…“ auf mich und riss mich so etwas unsanft aus dem Schlaf. Doch selten war ich so glücklich darüber. Es war Mittwoch, der 13. September und an diesem Abend würden wir im Reisebus die Fahrt nach London antreten, um den ehrwürdigen 1. FC Köln in seinem ersten europäischen Pflichtspiel seit 25 Jahren im Emirates Stadium anzufeuern. Gegen Mitternacht ging es endlich los, der Bus rollte gen Fähre und zur Mittagszeit des darauffolgenden Tages – Spilldach in London! – hielt er neben dem Emirates Stadium.
Obwohl dem effzeh vom Weltclub Arsenal FC nur 2900 Tickets zur Verfügung gestellt wurden, die in Köln wiederum verlost wurden, machten sich unzählige effzeh-Fans auf den Weg nach London. Wer Kontakte hatte, zapfte diese an, der Schwarzmarkt blühte und wer komplett leer ausgegangen war, würde sich die Begegnung zur Not im Pub anschauen. Bis zu 20.000 Kölnerinnen und Kölner sollen sich am 14. September 2017 in der englischen Hauptstadt aufgehalten haben. Ich habe nicht gezählt. Überhaupt habe ich an diesem Tag wenig bewusst gemacht. Ich habe mich einfach treiben lassen. Beschwipst von Fanta-Korn (ja, harte Busfahrt) und englischem Bier im Pub zogen wir durch die Straßen Londons, bevölkerten einen Park und genossen die Sonnenstunden in der britischen Metropole. Und wir sangen. Und wir zündeten. Wir feierten einfach nur, dass dieser Tag endlich gekommen war. Die Bilder gingen um die Welt. Während ich diese Zeilen schreibe, habe ich immer noch Gänsehaut.
Mit einer Stunde Verzögerung wurde das Spiel am Abend angepfiffen, sogar eine Absage soll im Raum gestanden haben. Zuvor hatten einige Unglückliche und wohl auch Unverbesserliche, die bei der Kartenbeschaffung leer ausgegangen waren, versucht, sich mit einem Blocksturm einen Platz im Stadion zu sichern. Wirklich niemand wollte die erste europäische Begegnung der Geißböcke seit 25 Jahren verpassen. Das Stadion wurde daraufhin abgeriegelt und ein Einlasstop verhängt. Noch immer euphorisiert drängten auch wir dann verspätet in den Gästebereich und wurden sofort von der unwirklichen Kulisse eingefangen. Ich erlebte dieses Spiel, in dem der ruhmreiche 1. FC Köln sogar kurzzeitig mit 1:0 in Führung ging, wie im Rausch.
Koln fans at the end – Streamable
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Die Angespanntheit, die Aufregung fielen von mir ab. Erst nach einem 15-minütigen Power-Nap in der Halbzeit an der Schulter meiner Begleitung war auch ich zum zweiten Durchgang wieder fit. Verdientermaßen ging dieses Spiel mit 3:1 verloren, doch mein persönliches Highlight dieses Tages ist und bleibt die Performance des Kölner Anhangs. Wir Kölner neigen dazu, gute Dinge zu übertrieben, bis sie eben blöd werden. Doch die Art und Weise, diese Inbrunst und Ergebenheit, mit der an diesem Abend Tausende ab der 85. Minute die heimliche Hymne „En unserem Veedel“ sagen, rührt mich noch heute zu Tränen und hat nicht nur die eigenen Fans sehr bewegt.
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