Wunder geschehen: Der 1. FC Köln schlägt den FC Arsenal in einem Pflichtspiel und beschert den eigenen Fans Europapokal-Ekstase. Der effzeh lebt!
Etwa fünf Minuten waren regulär noch zu spielen, da erhob sich das Publikum im Müngersdorfer Stadion. In einer Mischung aus Feierlaune und Trotz warfen die Fans des 1. FC Köln ihren Europapokal-Gesang derart laut Richtung Rasen, als wollten sie damit die schier unaufhörlich aufs effzeh-Tor rollenden Angriffswellen des FC Arsenal in Eigenregie zum Erliegen bringen. Dass der unbeirrt kämpfende Außenseiter die 1:0-Führung gegen den englischen Renommierklub über die Ziellinie rettete, konnten sich die Anhänger der „Geißböcke“ zu einem gewissen Grad auf die Fahnen schreiben.
„Es war ein unglaublicher Kraftakt, wir haben alle 120 Prozent gegeben. Die Kulisse war geil, die Fans haben uns 95 Minuten lang angefeuert. Eine Stimmung wie nach dem 1:0 habe ich noch nie erlebt. Zuhause gegen Arsenal zu gewinnen, was gibt es Schöneres“, war Außenverteidiger Jannes Horn auch nach der Partie noch von der Europapokal-Atmosphäre begeistert. Der Neuzugang vom VfL Wolfsburg, bisher beim effzeh noch nicht recht in Tritt gekommen, wurde in dieser Partie zum Sinnbild des Kölner Kampfgeistes. Zehn Minuten vor Schluss rauschte der Linksfuß bei einer Rettungsaktion mit Torwart Timo Horn zusammen und sorgte für eine Schrecksekunde in Müngersdorf. Nach etwas längerer Behandlung – der effzeh hatte zu dem Zeitpunkt bereits dreimal gewechselt – biss der Abwehrspieler auf die Zähne und war in der Schlussphase trotz Risswunden am Schienbein wieder voll im Spiel.
Im Klammergriff von Brsenal
Das galt auch für zwei weitere Youngster: Jorge Meré, wie Horn ein bisher eher enttäuschender Neuzugang, überzeugte als Teil der defensiven Dreierkette und lieferte gegen den Arsenal-Angriff um den französischen Nationalspieler Olivier Giroud ein Empfehlungsschreiben ab. Im defensiven Mittelfeld übernahm – in Abwesenheit von Kapitän Matthias Lehmann, der zunächst nur auf der Bank saß – Salih Özcan die Regie und konnte besonders ob seiner Einsatzfreude und Abgeklärtheit beeindrucken. Dennoch: Der effzeh war in einer Partie auf eher mäßigem Niveau das unterlegene Team, konnte sich nur selten aus dem Klammergriff der englischen Gäste befreien. Diese, obwohl mit der B-Besatzung (quasi also Brsenal) angetreten, waren spielerisch zwar dominant, konnten sich gegen den Kölner Defensivverbund aber nur selten gefährlich in Szene setzen. Die besten Chancen vergab der ehemalige Freiburger Francis Coquelin, der vor dem Seitenwechsel erst aus der Distanz knapp verzog und kurz darauf fulminant den Pfosten traf.
Jubeln durften an diesem zum Festabend deklarierten Spieltag allerdings nur die effzeh-Fans. In der Hauptrolle der Europapokal-Ekstase: Sehrou Guirassy. Der Franzose, wenige Augenblicke zuvor bereits mit einer guten Chance, leitete mit einem beherzten Antritt an der Mittellinie den Angriff ein, spielte am Sechzehner der Gäste den Doppelpass mit Milos Jojic und kam dann im Strafraum im Duell mit Debuchy zu Fall. Ein Kann-, kein Muss-Elfmeter, um in der beliebten Sportjournalisten-Diktion zu bleiben. Vom Punkt blieb der Gefoulte eiskalt, verlud Arsenal-Keeper Ospina und brachte Müngersdorf zum Beben. Nun war das Publikum endgültig da – ein Publikum, das im Verlauf den Spiels nicht immer den besten Eindruck hinterließ. Sowohl bei der Einwechslung von Konstantin Rausch als auch der Auswechslung des schwachen Jhon Cordoba gab es Pfiffe, dasselbe galt für den Gang in die Kabine zur Halbzeit. Dies dürften neben der Muskelverletzung von Abwehrchef Dominic Maroh wohl die negativen Höhepunkte eines ansonsten grandiosen Abends gewesen sein.
Der 1. FC Köln ist keine “tote Truppe”
Doch die Pfiffe, so überflüssig sie auch waren, blieben eine Randnotiz an diesem Festtag für den 1. FC Köln. So war es auch kaum verwunderlich, dass die in dieser Saison so leidgeplagten effzeh-Fans nach Abpfiff ihre Mannschaft frenetisch feierten. Die Schützlinge von Peter Stöger hatten bewiesen, dass die Abgesänge auf eine „tote Truppe“, die der Trainer nicht mehr erreicht, wohl ein wenig verfrüht waren. Geschenkt, dass der effzeh in dieser Partie gegen ein schwaches Brsenal auch das notwendige Glück hatte. Mit einer aufopfernden Leistung hatte es sich das Team, das diese Saison so viele Nackenschläge erlitt, dies verdient. Geschenkt, dass der Gegner einige Leistungsträger, darunter Mesut Özil sowie die drei Torschützen aus dem Hinspiel (Kolasinac, Sanchez und Bellerin), schonte. Der Gegner war dennoch nicht von Pappe: Giroud, Welbeck, Wilshere, Mertesacker, Debuchy, Elneny – das sind alles Namen, die für Qualität und Routine bürgen.
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Doch am Ende überwand der effzeh, auch mit Hilfe der eigenen Fans, den inneren Schweinehund – und hat sich somit ein Endspiel in Belgrad gesichert. Zwar sind die “Geißböcke” aktuell aufgrund des besseren Torverhältnisses auf dem zweiten Rang geführt, müssen aber nach der Hinspielpleite gegen Roter Stern beim serbischen Rekordmeister gewinnen, um im Europapokal zu überwintern. Damit würde der 1. FC Köln übrigens eine historische Marke knacken: Noch nie hat es ein Team in der Gruppenphase der Europa League nach drei Niederlagen zum Auftakt noch geschafft, ins Sechzehntelfinale einzuziehen. Und da wir gerade dabei sind, in der Bundesliga alle möglichen Negativ-Rekorde zu brechen, könnte sich der effzeh doch zur Abwechslung noch einen positiven Bestwert gönnen. Doch schon jetzt haben die Stöger-Schützlinge etwas Unvergessliches geschafft: Noch in Jahrzehnten werden effzeh-Fans von dem Abend erzählen, als der glorreiche 1. FC Köln den FC Arsenal niedergerungen hat.
“Wer Arsenal schlagen kann, kann auch Hertha schlagen”
Diesen Sieg allen Widrigkeiten zum Trotz über die Zeit gebracht zu haben dürfte für den effzeh einen enormen Schub für das eigene Selbstbewusstsein bedeuten. „Wir müssen den Schwung jetzt mit in die Liga nehmen. Wenn wir Arsenal schlagen können, dann können wir auch die Hertha schlagen“, sagte Jannes Horn mit Blick auf das anstehende Bundesliga-Spiel gegen Berlin am kommenden Sonntag. Bereits im DFB-Pokal konnte der effzeh einen Sieg gegen Hertha BSC feiern und will das Erfolgserlebnis gegen Arsenal für die Trendwende im Abstiegskampf nutzen. Dafür ist allerdings der nächste Kraftakt vonnöten, wie Namensvetter Timo Horn betonte: “Wir müssen den gleichen Kampf an den Tag legen, sonst gibt es wieder ein böses Erwachen. Unsere Situation muss einfach irgendwann mal ein Ende nehmen. Wir haben Hertha schon bezwingen können. Das müssen wir jetzt auch zuhause in der Liga umsetzen.”