Nachlässig angefangen, nachlässig aufgehört: Der 1. FC Köln verschenkt in Hamburg einen Zähler, auf den er spätestens ab der 60. Minute geschielt hatte. Die falsche Strategie?
Der Punkt, dieser eine verlockende Punkt in Hamburg – er schien schon beinahe eingetütet für den 1. FC Köln. Bis in die Nachspielzeit hielten die „Geißböcke“ trotz eher suboptimaler Leistung ein beinahe gerechtes Remis. Dann durfte Diekmeier flanken, Horn klärte ins Feld, parierte dann klasse und verlor die Orientierung, der Ball prallte zu Lewis Holtby, der den Volkspark mit seiner Direktabnahme zur Eruption brachte. Ein Big Point im Abstiegskampf, verdient. Denn der HSV hatte mehr investiert, mehr den Sieg gewollt als den Punkt verwaltet.
Wie schon in Freiburg geht dem effzeh ein Zähler verloren, weil ihm die Spielkontrolle zunehmend entgleitet. Weil ein Remis in der Hand mehr zu sein schien als der Erfolg auf dem Dach. Weil der Gegner mehr riskiert und sich dafür belohnt, auch wenn ein Kölner Fehler vorausgeht. Das Verwalten eines Unentschiedens dürfte aktuell nicht zu den Stärken des Teams gehören. Das liegt auch an einem wichtigen Faktor: Die Abwehr, einst das Kölner Prunkstück, wackelt mittlerweile gehörig.
Foto: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images
In den letzten fünf Spielen kassierte der effzeh satte 12 Gegentreffer, in allen Partien klingelte es mehrfach im Kölner Kasten. Bereits nach neun Rückrundenspielen hat das Team mehr Tore zugelassen als in der kompletten Hinrunde. Dort behielten die Stöger-Schützlinge auch zuletzt die „Weiße Weste“: In Mainz spielten die Kölner zu Null – eine Begegnung, die an alte Nach-Aufstiegs-Zeiten erinnerte, als es nicht verpönt war, sich einen Zähler auch mal unangenehm zu ermauern.
Schwache Bilanz in den Auftaktminuten
Das scheitert derzeit schon in der Anfangsphase: Bereits zum siebten Mal kassiert der effzeh in der Bundesliga einen Gegentreffer in den ersten 15 Minuten (nur Mainz ist schlechter), musste damit in Hamburg wie schon bei der Pokalpleite abermals einem frühen Rückstand hinterherlaufen. Optimal aus der Kabine kommen: Das ist dem Team leider auch an diesem Samstagnachmittag nicht gelungen. Der Weckruf folgte wieder einmal in Form einer kalten Dusche, diesmal durch Nicolai Müller. Wie schon so oft in den vergangenen Wochen ist das Tor keinem einzelnen Spieler anzulasten, das Abwehrverhalten des kompletten Defensivverbunds gibt Rätsel auf. Liegt es an den wechselnden Formationen? Ist das Team auf der Suche nach der Balance zwischen Gestalten und Zerstören? Oder hinterlassen die zahlreichen Verletzungen auch bei dem einen oder anderen Spieler Spuren? Die Ratlosigkeit ob der zahlreich vermeidbaren Gegentreffer ist greifbar rund um das Geißbockheim.
Kein Grund in Panik zu verfallen, dennoch: Für das Team sind solch frühe Gegentore natürlich eine Hypothek, konnte es sich doch in den vergangenen Jahren immer auf stabile Defensive verlassen. Und der effzeh war nicht der erste Gegner, den der HSV mit seinem Chaos-Pressing in den Wahnsinn treibt. Lediglich 62 Prozent aller Pässe fanden bei den „Geißböcken“ den Weg zum Mitspieler – kurzum: Mindestens jedes dritte Zuspiel ging in die Hose. Eine erschreckende Bilanz! Obwohl: Die Strategie, den Kontrahenten auf sein schreckliches Pass-Niveau herunterziehen und dann durch Erfahrung zu schlagen, verfing für die Hanseaten schon gegen Mönchengladbach (69 Prozent Passquote) und Berlin (77 Prozent) perfekt.
Zu wenig nach vorne, zu wenig nach hinten
Foto: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images
Dass allerdings gerade in der zweiten Hälfte, wo der Kräfteverschleiß angesichts der anstrengenden HSV-Spielweise offensichtlich werden sollte, nicht mehr viel nach vorne lief, macht nachdenklich. Ein Abschluss nach dem Seitenwechsel ist nicht verzeichnet, einen wirklich konstruktiven Angriff zu finden wird auch im Rückblick schwierig werden.
So kam es auch völlig verdient zur dritten Niederlage in den letzten vier Ligaauftritten in der Fremde – wenngleich der Gegentreffer in der Nachspielzeit natürlich äußerst unglücklich fiel. Zum Glück jedoch stehen nun zwei Heimspiele auf dem Programm – und da sah der effzeh in dieser Saison ausnehmend gut aus. Nicht nur mit dem Blick auf die Tabelle heißt es am Dienstag gegen Frankfurt beim Duell des Sechsten gegen den Siebten: Ein Erfolg sollte her – dann ist es auch egal, ob zu null oder nicht.