Folge uns
.

Trainingskiebitz

„Wir stehen bedingungslos hinter Euch!“

Bei herrlichem Wetter waren wir am Geißbockheim, um die Mannschaft vor dem Spiel gegen St. Pauli zu begutachten. Plötzlich wurde dies fast zur Nebensache.

© effzeh.com

Es war der perfekte Tag, um mal wieder den Gang ans Geißbockheim zu wagen. Die Sonne schien, die Temperaturen von über 20 Grad ließen die letzten Atemzüge des Sommers noch mal spüren. Der Grüngürtel, rund um die Franz-Kremer-Allee zeigte sich von seiner angenehmsten Seite an diesem Sonntag. Und alle waren sie gekommen: Die Jogger rund um den Decksteiner Weiher, die Rentner – die fast immer hier zugegen sind, Familienväter mit ihren Söhnen und sogar die Kölner Ultra Szene – vorne weg, ein paar Mitglieder der „Wilden Horde“, wie man unschwer an den Jacken erkennen konnte.  Aber dazu später  mehr.
Auch die neuen „Macher“ des 1.FC Köln waren  erschienen, so wurde zumindest vom Präsidium Werner Spinner und Markus Ritterbach gesichtet, sowie Frank Schaefer von der sportlichen Leitung und Rainer Mendel als Fanbeauftragter.
Ganz schön was los für eine sonntägliche Übungseinheit.

Holger Stanislawski  bat seine Jungs gegen 10 Uhr zum Training vor dem wichtigen Spiel am heutigen Abend, gegen den FC ST. Pauli. Dabei war der Chefcoach mehr der stille Beobachter, als dass er tatsächlich, bei den diversen Übungseinheiten, mal ins Geschehen eingriff. Das Zepter hielt viel mehr André Trulsen in der Hand. Er scheuchte die Mannschaft, die in zwei Gruppen aufgeteilt wurde, durch diverse Parcours, immer mit Ball, um Kurzpassspiel und Handlungsschnelligkeit zu trainieren. Diagonal-Bälle wurden geschlagen sofort weitergeleitet angenommen und durch zwei Hütchen gespielt. Immer und immer wieder, dabei fiel die Lautstärke Trullers auf, die über den ganzen Platz zu hören war. Stanislawski guckte sich das ganze mit verschränkten Armen an, durchaus zufrieden was er da sah. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass trotz des Drucks, der ja in Köln fast zwangsläufig präsent ist, die Mannschaft eine enorme Spielfreude an den Tag legte. Gelungene Aktionen wurden beklatscht und man munterte sich gegenseitig auf.
Noch deutlicher wurde dies, als man zum Abschluss des Trainings ein knapp zwanzigminütiges Trainingsspiel, über die Hälfte des Platzes, machte. Ob dabei die Leibchenvergabe reine Willkür war oder doch ein Hinweis auf die Startaufstellung, am heutigen Abend, bleibt abzuwarten. Wäre dies der Fall, würde Anthony Ujah zunächst auf der Bank Platz nehmen. Es machte tatsächlich eher den Anschein, dass die Startaufstellung bei diesem launigen Spiel keine Rolle spielte. Es machte auch den Anschein, dass Sascha Bigalke tatsächlich der Spieler ist, den der FC lange gesucht hat. Ein Mittelfeldspieler, der durch Spielwitz mit seine Quirligkeit schnell mal ein paar Gegenspieler ins leere Laufen lassen kann, dabei torgefährlich ist und auch als Scorer überzeugen kann.
Neben ihm fiel besonders Timo Horn auf, der ein paar großartige Reflexe zeigte und man langsam erkennen kann, warum dieser Spieler als großes Torwarttalent gilt.
Matze Lehmann nahm nicht am Mannschaftstraining teil, sondern fuhr, nach seiner Achillessehnenverletzung, Extraschichten mit Kape auf dem Nebenplatz.

Nach einer Stunde war dann Feierabend, so dachte man und man dachte falsch. Denn Rainer Mendel schritt auf den Platz und orderte die gesamte Mannschaft samt Trainerstab zu dem Bereich des Trainingsgeländes, wo einige Mitglieder, der Kölner Ultras standen, die auch friedlich und interessiert, dem Treiben zu sahen.
Die Mannschaft bildete einen Halbkreis und lauschte dem, was der „Sprecher“ der Anhänger zu sagen hatte. Dem Kölner Stadt-Anzeiger war dies, im Gegensatz zur Kölnischen Rundschau, nur ein Halbsatz wert, dabei fielen in diesen Ausführungen durchaus wichtige Sätze.
Man kann zu den Ultras stehen wie man will, aber mit welcher Vehemenz hier einige Dinge klargestellt wurden, zeugte vom unbedingten Glauben an die Mannschaft. Denn das tun sie.
„Vergesst den Scheiß der in der Kölner Presse herumschwirrt. Wir stehen zu 100% hinter Euch. So lange Ihr so spielt wie in den letzten Spielen und Ihr euch den Arsch aufreißt, könnt ihr unserer Unterstützung sicher sein. Vergesst den Facebook und Domian Typen, mit dem haben wir nix zu tun. Die Kölner Fans sind nicht Gewalttätig wie jetzt alle schreiben. Das ist Schwachsinn. Wir sind bei Euch immer. Egal was passiert. Reißt euch den Arsch weiterhin auf und irgendwann kommen die Punkte auf jeden Fall und vergesst die einzelne Pfiffe im Stadion, damit haben wir nichts zu tun. Vergesst das alles…. „.
Dies ist kein wörtliches Zitat, sondern ein Erinnerungsprotokoll. Die Ansprache war auch länger, die Kernaussage bleibt aber die selbe. Die Ultras, speziell die Wilde Horde, distanziert sich von den Gewalttätigen  „Nicht-Fans“. Das ist ein Anfang. Es gab nicht nur von der Mannschaft Applaus, auch von der Zuhörerschar, außerhalb des Spielfeldes.
Miso Brecko versprach noch, dass man weiterhin Gas geben würde und bedankte sich im Namen der Mannschaft für die Unterstützung.
Was bleibt?
Ein Gefühl von Zufriedenheit. Ein temporäres Gefühl.
Die Wilde Horde 96 hat heute auf ihrer Homepage nun endlich eine Stellungnahme zu den Geschehnissen rund um Pezzoni und der Gewalt im Allgemeinen veröffentlicht.
Das ist löblich, dennoch wirft es weiterhin Fragen auf.
Warum erst jetzt? Warum ohne Selbstkritik?
Warum in so einem aggressiven Ton?
Warum kommuniziert man nicht viel offener, auch mit anderen Fans? etc.

Jeder kann eine Meinung dazu haben. Das sollte auch jeder. Man muss sie auch kundtun dürfen.
Tatsache ist die  Ultra-Szene ist gestern ein Schritt entgegen gegangen.  Vielleicht ein kleiner Schritt – aber immerhin. Es bleibt zu hoffen, dass sie das beherzigen, was sie versprechen und es bleibt zu hoffen, dass sie auf Ohren stoßen , die sie auch hören. Denn wenn dem nicht so ist, redet man wieder aneinander vorbei. Und das haben wir schon, in ganz Deutschland,  zur Genüge.

Mehr aus Trainingskiebitz

.