Heute Abend nimmt die Bundesliga mit dem Duell zwischen der Borussia aus Dortmund und Hertha BSC Berlin wieder Fahrt auf. Ein in der Länderspielpause viel diskutiertes Thema war die Aussage von Borussen-Trainer Thomas Tuchel, der nach dem letzten Spiel gegen Bayer Leverkusen (welches seine Mannschaft mit 0:2 verlor) auf die Spielweise des Gegners hinwies und dies mit einer Statistik untermauerte. Mehr als 20mal sei seine Mannschaft gefoult worden, dies sei eindeutig zu viel. Hertha-Trainer Dardai, eigentlich unbeteiligt, konnte das so nicht unkommentiert lassen und schaltete sich in die Diskussion ein. Für den Ungar war es ein Unding, dass sich Tuchel öffentlich über die Spielweise des Gegners äußerte. Nun, solche Diskussionen sind in der Bundesliga eigentlich nichts Ungewöhnliches, ab und zu fliegen schon einmal die Giftpfeile hin und her, business as usual. Unser Kommentar freut sich deswegen einerseits darüber, dass der effzeh mit Peter Stöger einen charakterlich grundsoliden Trainer an der Seitenlinie stehen hat und untersucht andererseits, an welchem Bundesligastandort die sportlichen Verantwortungsträger eigentlich am Unsympathischsten sind.
Der glutenfreie BVB-Trainer Tuchel gilt bekanntermaßen als detailversessen. Der ehemalige Mainzer ist für seine akribische Arbeit bekannt und besitzt deswegen in der Fußballwelt einen exzellenten Ruf. Was Tuchel jedoch nicht unbedingt auszeichnet, ist die Bereitschaft, Fehler zuzugeben und den Gegner zu loben. Er tendiert oftmals dazu, sich nach Niederlagen dünnhäutig zu präsentieren. Die Aussagen Tuchels nach dem Spiel gegen Bayer Leverkusen, als er auf die gravierende Diskrepanz zwischen Roger Schmidts Behauptung, es habe sich um ein faires Spiel gehandelt, und der Foulstatistik (Bayer 21, BVB sieben) hinwies, passte tatsächlich nicht in dieses Bild. Tuchel verwies (für seine Verhältnisse) eher sachlich auf einen Umstand, der Schmidts Aussage als Farce entblößte. In diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick auf die Vorgeschichte zwischen beiden Vereinen, denn richtig, da war ja was!
Jawohl: vor acht Monaten warf Schiedsrichter Felix Zwayer den Werkselftrainer aus dem Innenraum – Schmidt hatte sich mehrfach abfällig gegenüber dem Schiedsrichter geäußert und mit ständigem Herumgefuchtel die Unparteiischen gegen sich aufgebracht. Als er sich dann weigerte, den Platz zu verlassen, unterbrach Zwayer das Spiel. Nach einigen Minuten kamen die Mannschaften wieder aufs Feld, Roger Schmidt blieb draußen. Ein Eklat sondergleichen. Im Nachhinein gestand Schmidt kleinlaut Fehler ein, ohne sich reumütig zu zeigen. Mehr Notiz nahm die Öffentlichkeit ohnehin von den absurden Verschwörungstheorien, die Sportchef Rudi Völler anschließend im Sky-Interview herausblökte. Wie ein verbitterter und frustrierter Anwohner, dem man gerade den Kleingarten wegnimmt, redete sich Völler in Rage und unterstellte Zwayer bewusste Spielbeeinflussung. Die “Welt” stellte fest, dass Bayer Leverkusen “ein beschämendes Bild” abgebe und konstatierte: “Wo anderswo in Reih und Glied zum Gang nach Canossa angetreten wird, springt unterm Bayer Kreuz Rudi Völler in die Bresche.”
„Respekt kann man sich nicht kaufen“
Zwar musste vor einem Jahr nicht der Gang nach Canossa, sondern der unters Bayerkreuz angetreten werden, aber auch nach der Niederlage gegen den effzeh sprang Völler seinem Trainer zur Seite. Als Sky-Moderatorin Jessica Kastrop ihn nach der Rolle des Trainers zur damaligen Zeit fragte, zeigte der “Pudel”, wie er von manchen Kölner Fans genannt wird, sich von der abfälligen und sexistischen Seite und tätschelte Kastrop herablassend die Hand – unsäglich arrogant und abfällig. Überhaupt scheint der 56-jährige ein gewaltiges Problem mit Frauen zu haben: als er von Reportern auf die harte Gangart der Mannschaft während des Trainings angesprochen wurde, bemerkte er: “Wir spielen ja kein Schach. Und Frauenfußball sowieso nicht.” Und zu Ulrike von der Groeben sagte er einst, dass alle Frauen am Spielfeldrand keine Ahnung hätten, was ihn wiederum nerve. Auf Nachfrage der MoPo-Redaktion sagte Völler dazu: “Mit ihrer Aussage bestätigte sie das typische Frauen-Klischee: Man darf ihnen unter vier Augen nichts sagen. Das plaudern sie nämlich sofort aus.” Wer will dem Mann jetzt noch Chauvinismus vorwerfen, wo es doch lediglich die Benennung einer Tatsache ist?
Dass Völler auch grundsätzlich einen fragwürdigen Umgang mit anderen Menschen an den Tag legt, weiß die Öffentlichkeit nicht erst seit dem “Weizenbier-Interview” mit Waldemar Hartmann, als Völlers Nationalelf immerhin ein 0:0 gegen Island errumpelte. Im vergangenen November soll er Anhänger der Leverkusener Mannschaft nach einem 1:1 in Borisov als “Pisser” bezeichnet haben. Wer sich dann entschuldigte war selbstverständlich der Fan und nicht Rudi Völler. Das wäre ja auch noch schöner gewesen.
Roger Schmidt macht hingegen einen weniger plumpen und cholerischen Eindruck als Völler, seine Beliebtheitswerte steigen dadurch jedoch nicht. Seine Sprüche und Attacken sind fieser und durchdachter. Nachdem er in seinem ersten Amtsjahr die Elf von Peter Stöger zuhause mit 5:1 besiegt hatte, ließ er sich in einem Anflug von Hybris nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass er von einer Mannschaft, die sich nur auf die Defensive konzentriere, kein Trainer sein könne. Dies veranlasste Stöger, sonst stets um einen respektvollen Umgang bemüht, darauf hinzuweisen, dass Schmidt schon in Salzburg Probleme mit anderen Trainern hatte – trotz des großen Budgets. Offensichtlich saß bei Schmidt der Stachel zu tief, als St.Öger ihm 2012/13 mit Austria Wien den Titel klaute. Der effzeh-Coach stellte fest: “Respekt kann man sich am Transfermarkt eben nicht kaufen.” Word.
Der Bayer-Trainer, noch vor einigen Monaten von den Schiedsrichtern zum zweitschlimmsten Coach der Liga erkoren, hat seinen Rückstand an zeitgemäßen Umgangsformen und Anstand im generellen Sinne in seiner bisherigen Amtszeit bislang nicht aufholen können. Dass die Mannschaft unanständiges Verhalten (auf dem Platz) adaptiert überrascht da nicht – es gibt wohl keine Mannschaft in der Bundesliga, die schneller beim Referee versammelt ist, wenn sie sich beschweren kann. Kein Wunder, wenn zwei derart selbstverliebte (Völler zu Tuchels Kritik: “Ich war ja mal Trainer. Wenn Du verlierst, siehst Du die Dinge auch mal anders.”) und verbal regelmäßig gegenüber der Konkurrenz ausfällig werdende Männer, die sportlich verantwortungsvollste Rollen ausfüllen. So schwer die Gegenwart mit Bayer Leverkusen überhaupt schon zu ertragen ist – Roger und Rudi lässt sie sich noch schwerer ertragen. Thomas Tuchel kommt trotz allem also noch ziemlich gut weg.