Man kann sich ja mittlerweile fast schon glücklich schätzen, dass die extrem lange Zeit zwischen dem Ende der Saison 2015/2016 und der Beginn der Saison 2016/2017 durch die beiden fußballerischen Großereignisse der Europameisterschaft und des olympischen Fußballturniers überbrückt wird. Dass bei beiden Turnieren tatsächlich auch Spieler des 1.FC Köln im Mittelpunkt stehen und die aus Deutschland entsendeten Mannschaften entscheidend mitprägen, gilt neben der besten Platzierung der letzten 24 Jahre in der Vorsaison eigentlich als größte Auszeichnung für den effzeh. Während Horn und Hector in Brasilien und Frankreich für Furore sorgen, bereitet sich in heimischen und meist auch österreichischen Gefilden die Mannschaft des effzeh auf den Saisonstart Ende August vor. Wie in jedem Jahr werden dabei Diskussionen geführt, die in schöner Regelmäßigkeit Themen aufgreifen, die für einige Wochen die Berichterstattung dominieren, dann aber nach Beginn der Saison in der Versenkung verschwinden. In diesem Sommer geht es dabei, man ahnt es schon, um die endlose Causa Salif Sané und dessen möglichen Transfer aus Hannover nach Köln. Aber auch die Frage, ob der effzeh in der kommenden Saison in einem 3-5-2 oder 4-4-2 an den Start gehen wird, bereitet vielen Menschen Kopfzerbrechen. Dieser Artikel versucht, die momentanen Diskussionen ein wenig einzuordnen.
Während das erste Trainingslager in Bad Tatzmannsdorf vorwiegend für die physische und integrative Komponente genutzt wurde, feilte das Trainerteam des effzeh im Trainingslager in Kitzbühel an der spieltaktischen Ausrichtung des effzeh, ohne dabei jedoch die körperlichen Grundlagen außer Acht zu lassen. Dass die Trainingslager mittlerweile ebenfalls als Sponsoring-Aktivitäten des effzeh notiert werden, ist sicherlich eine eigene Diskussion wert – die Testspiele live und in Farbe im Internet verfolgen zu können gibt jedem effzeh-Fan allerdings das Gefühl, dass jeder Test gegen einen x-beliebigen Gegner schon als Generalprobe für die kommenden Partien auf sky dienen kann. Wenn man bedenkt, dass die Saison eigentlich erst im September in die Vollen geht, verliert ein Testspiel im Juli schon ein wenig an sportlichem Wert. Weiterhin sollte man die Ergebnisse gegen internationale Mannschaften, die generell auf demselben Level wie der effzeh agieren, nicht überbewerten, da diese sich teilweise an komplett anderen Zeitpunkten in der Vorbereitung und körperlichen Belastungssteuerung befinden. Gewiss, die beiden Erfolge gegen Bologna und Eibar diese Woche sind gut fürs Selbstvertrauen; auch der ein oder andere taktische Aspekt kann durchaus werthaltig diskutiert werden. Knapp zweieinhalb Wochen vor dem Pflichtspielauftakt im Pokal gegen den BFC Preußen aus Berlin (dessen Zugehörigkeit zur sechsten Liga jetzt ebenfalls nicht als Kriterium für ein “normales” Spiel gelten kann) befindet sich der effzeh noch nicht einmal in der Endphase der Vorbereitung, weshalb das ein oder andere Problemchen durchaus noch existent sein kann.[perfectpullquote align=”left” cite=”” link=”” color=”#cc0000″ class=”” size=””]Die Kultur des Unternehmens namens 1.FC Köln gilt langsam aber sicher als nicht-sportliches Faustpfand und Wettbewerbsvorteil. [/perfectpullquote]
Dementsprechend sollte man die beiden Erfolge gegen Bologna und Eibar nicht überbewerten, da diese Spiele phasenweise einige strukturelle Probleme des effzeh aufzeigte. Wir möchten es einmal der hohen physischen Belastung zuschreiben, dass insbesondere im gestrigen Test gegen den spanischen Erstligisten aus Eibar die Passsicherheit in der ersten Halbzeit zum Davonlaufen war und ausschließlich Einzelaktionen oder Fehler des Gegners Torgefahr für den effzeh heraufbeschwörten. Und dennoch, der effzeh gewann mit 2:0 durch Tore von Mladenovic per Foulelfmeter unmittelbar vor der Pause und Maroh nach einem Jojic-Eckball in der Schlussphase. Ansonsten zeigte sich der effzeh defensiv gewohnt stabil. Mit dem Ball lief insbesondere in der Anfangsphase des Spiels jedoch relativ wenig.
Wenn einzelne Medien jetzt die Tore als Erfolg des neuen Konzepts für ruhende Bälle abfeiern, kann eine Einordnung helfen: Standardsituationen (insbesondere Eckbälle) kann man zwar trainieren, allerdings ist dies wenig effektiv, da der Ausgang eines jeden Eckballs von dermaßen vielen Variablen abhängig ist, dass man nur gewisse Voraussetzungen schaffen kann, um die Trefferwahrscheinlichkeit zu erhöhen. Wichtigste Voraussetzung ist natürlich die Schusstechnik des Eckballschützen, der den Ball mit dem nötigen Zug in den torgefährlichen Raum schlagen muss, um dort im Idealfall einen Abnehmer zu finden. Es hängt allerdings sowohl vom Timing der Angreifer als auch von der Verteidigungsstrategie des Gegners ab, ob und vor allen Dingen wie ein Angreifer zum Abschluss kommen kann. Machen wir’s kurz: wenn 16 Spieler sich auf wenigen Quadratmetern befinden und um den Ball streiten, ist der Faktor Zufall am größten. Dass der effzeh innerhalb von drei Tagen gleich zwei Tore nach Eckbällen erzielen konnte, sollte deswegen jetzt nicht unbedingt als Schlüssel für die Europa-League-Qualifikation gesehen werden.
Vielmehr gilt es zu betonen, dass die Akribie und Konsequenz des Trainerteams auch im dritten Jahr unter Stöger-Regie dafür sorgt, dass strukturelle Abläufe gegen den Ball bis zum Erbrechen geübt und auch im kommenden Jahr die Basis für das Spiel des effzeh bilden werden. Dabei ist für den Autor erst einmal unerheblich, ob sich die defensive Grundordnung in Form einer Vierer- oder Fünferkette ausprägt. Wichtig ist, dass alle und insbesondere die neu hinzugekommenen Spieler die Raum- und Aufgabenverteilung schnell verinnerlichen und anwenden können, um das Spiel des effzeh auf lange Sicht tragfähig zu halten. Wenn jetzt nach der Rückkehr nach Köln unter geringerer physischer Belastung wieder mehr Wert auf offensive Abläufe gelegt wird, wird sich aller Voraussicht nach auch das Spiel mit Ball verbessern. Das Spiel gegen den FSV Mainz 05 am 11. August dient dabei schon eher als Generalprobe, auch wenn bis zum Bundesliga-Auftakt gegen Darmstadt immer noch mehr als zwei Wochen Zeit sein werden.
Am meisten beruhigend ist jedoch die Tatsache, dass die nicht greif- und messbaren Werte in der Mannschaft stimmen: das Saisonziel wurde von den Spielern in Einklang mit der sportlichen Leitung festgelegt, dabei wurden Gott sei Dank keine hanebüchenen Träume kommuniziert. Weiterhin lässt sich festhalten, dass der Kader des effzeh nach wie vor eine sehr homogene Truppe zu sein scheint, dessen Normen, Werte und Routinen es den Neuzugängen einfach machen, sich zu integrieren. Diese Tatsache ist nach den Jahren des sportlichen Chaos nicht hoch genug einzuschätzen und ermöglicht eine ruhige und vor allen Dingen seriöse Arbeit an den gesteckten Zielen. Die Kultur des Unternehmens namens 1.FC Köln gilt langsam aber sicher als nicht-sportliches Faustpfand und Wettbewerbsvorteil. Das sollte bei aller Hektik und Diskussion rund um die Vorbereitung nicht vergessen werden.