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Meinung

Ein vielsagender Rauswurf

Die Abberufung des Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Sieger durch den effzeh erinnert an dunkle Zeiten. Sicher scheint nur zu sein, dass es mächtig gekracht hat.

Das aktuelle effzeh-Präsidium: Schumacher, Spinner, Ritterbach | Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images

Die Abberufung des Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Sieger durch den effzeh erinnert an dunkle Zeiten. Mit Lionel Souque (Rewe) wurde bereits ein Nachfolger für den Rechtsanwalt gewählt, zudem rückt Jörg Heyer in den Aufsichtsrat. Der Verein, der sonst sehr ausführlich Stellung zu aktuellen Entwicklungen nimmt, hüllt sich in auffälliges Schweigen. Nun wird gerätselt, welche Gründe für Siegers Demission vorhanden sind und wer die treibenden Kräfte hinter den Kulissen waren. Sicher scheint nur zu sein, dass es mächtig gekracht hat. Doch schon seit einigen Wochen werden interne Streitigkeiten nach außen gekehrt.

Sportlich hat der effzeh schon zwei Spieltage vor Ende der Saison das ausgegebene Ziel erreicht. 41 Punkte hat die Mannschaft von Peter Stöger nach 32 Spieltagen auf dem Konto. Sportlich gab es mehr Höhen als Tiefen, zudem steht eine lebhafte Transferphase an. An den effzeh-Leistungsträgern Timo Horn, Jonas Hector und Yannick Gerhardt zeigen sich mehrere finanzstarke Vereine interessiert, der Klub könnte durch Verkäufe zweistellige Millionenbeträge erlösen. Von einigen Spielern trennt sich der Verein auf jeden Fall, die Abgänge von Philipp Hosiner und Dusan Svento stehen jetzt schon fest.

Eine überraschende Trennung, die der effzeh unter der Woche bekanntgab, ist die vom bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Sieger. Über die Gründe verlieren die Verantwortlichen kein Wort. Er soll moniert haben, dass Vereinsgremien nicht ordentlich an Entscheidungen beteiligt gewesen sind. Von der Vertragsverlängerung von Peter Stöger haben die Gremien (der Lesart nach wohl der Mitglieder- und Aufsichtsrat) erst kurz vor Veröffentlichung der entsprechenden Pressemitteilung erfahren.

Es ist nicht das erste Mal, dass über Streit im Verein berichtet wird. Insbesondere zwischen Mitgliederrat und der Vereinsführung soll es während der letzten Monate häufiger geknirscht haben. Dabei stand im Raum, dass der Mitgliederrat den Vorstand nicht so schnell vorschlagen wollte, wie es dem Vorstand recht gewesen wäre. Ein weiterer Punkt soll die Höhe der Vergütung für die künftigen Vorstandsmitglieder sein. Der Aufsichtsrat blieb bislang in den Medien unerwähnt, doch jetzt berief die Hauptversammlung (bestehend aus Vorstand und Geschäftsführung) dessen Vorsitzenden ab. Die organisatorische Struktur des Vereins ermöglicht ihr dies.

Ex-Präsident Wolfgang Overath | Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images

Ex-Präsident Wolfgang Overath | Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images

Anzeichen einer Zeitenwende?

Diese Vorfälle sind in der Amtszeit des Trios um Werner Spinner, Toni Schumacher und Markus Ritterbach ungewöhnlich, erst recht in der Häufigkeit. Seit ihrem Amtsantritt hat es nie so häufig Misstöne aus dem Verein gegeben wie zu Beginn dieses Jahres. Im Gegenteil: die mit der Satzungsänderung einhergehende Stärkung der Mitgliederrechte und Schaffung transparenterer Strukturen trug wesentlich zur Weiterentwicklung des Vereins hin zu einem seriösen Klub bei. Zudem wurden zahlreiche nicht zeitgemäße und undemokratische Regelungen abgeschafft. Dadurch, dass der Mitgliederrat den Vorstand kontrolliert, aber in den seltensten Fällen tatsächlich getroffene Entscheidungen verhindern kann. Eine tatsächliche Kontrolle der Mitglieder gibt es also. Dazu kommt der Aufsichtsrat, der die KGaA kontrolliert. Im Gemeinsamen Ausschuss sind dann alle Vereinsgremien beteiligt.

Diese Gewaltenteilung ist ein hohes Gut. Sie entbindet niemanden von seiner Verantwortung und sorgt dafür, dass die Transparenz untereinander gewahrt bleibt. Das Gegenteil des Systems Sonnenkönig, das unter Wolfgang Overath herrschte. Parallel zur Schaffung der neuen Strukturen hielt der Erfolg im Geißbockheim Einzug. Während die Gremien vorher hauptsächlich zum exzessiven Schnittchenkonsum und Abnicken von Entscheidungen genutzt wurden, gestalten sie nun die Strategie des gesamten Vereins aktiv mit. Selbst wenn es unterschiedliche Meinungen gibt, ist es wichtig, dass alle gehört werden.

Insbesondere für effzeh-Präsident Werner Spinner war es wichtig, die Demokratisierung und Professionalisierung des Vereins voranzutreiben. Während seiner ersten Amtszeit ist ihm dies gelungen, von überall erhält er eine Menge Lob und Anerkennung für seine Arbeit. Sowohl von Seiten des Mitgliederrats, als auch von zahlreichen Experten war das Echo eindeutig. Er übernahm einen praktisch insolventen, sportlich desolaten und in sich zerrütteten Klub. Unter seiner Regentschaft wurde der effzeh innerhalb von vier Jahren zu einem sportlich ambitionierten, wirtschaftlich solide aufgestellten Verein. Seine Personalpolitik war und ist erstklassig – nicht nur für effzeh-Verhältnisse. Schmutzige Interna, wie sie unter Wolfgang Overath nahezu täglich in den Boulevardblättern zu lesen waren, sind aus diesen seit dem Amtsantritt des 67-jährigen zudem fast vollständig verbannt.

Auch deswegen sind die Berichte über die internen Unstimmigkeiten so auffällig und in der Häufigkeit auch besorgniserregend. Trotzdem blieben die handelnden Personen bis zur vergangenen Woche alle in ihren Ämtern. Dass Sieger vor zwei Wochen eine Mail erhalten haben soll, in der er darum gebeten wurde, zurückzutreten und als er das nicht tat, einfach rausgeworfen wurde. Es klingt wie in einem schlechten Wirtschaftskrimi. Weil jemand darauf hinweist, dass Verfahren nicht ordnungsgemäß ablaufen, wird er einfach entfernt? Als Aufsichtsratsvorsitzender und einer der renommiertesten Wirtschaftsanwälte Deutschlands? Der effzeh dementierte bislang jedenfalls nichts, was ungewöhnlich ist.

Der Rauswurf des 63-jährigen ist deswegen auch in seiner Art und Weise eine neue Eskalationsstufe. Die Zurückhaltung des Vereins zu einer so wichtigen Personalie ist vielsagend. Sieger gilt als sehr sachlicher Mann mit sehr anständigen Umgangsformen. Dass er als Aufsichtsratsvorsitzender und Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses nur kurz vor der Verkündung über die Vertragsverlängerung mit Peter Stöger informiert wurde und dies intern kritisierte, kann man ihm wohl schwerlich vorwerfen. Sollte es zudem so sein, dass er „mehrfach auf die Einhaltung gewisser Grundregeln hingewiesen“ habe (vgl. Express, 29.4.16), heißt das, dass die Vertragsverlängerung mit Peter Stöger nicht der einzige Vorfall dieser Art war.

Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images

Markus Ritterbach, Werner Spinner und Toni Schumacher | Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images

Hochrisikospiele

Dass Werner Spinner als Präsident gegenüber der Presse verschlossen bleibt, ist grundsätzlich nachvollziehbar. Trotzdem wäre eine knappe Erklärung zur Personalie Sieger gegenüber den fast achtzigtausend Mitgliedern, die er vertritt, wünschenswert gewesen. So entsteht bislang der Eindruck, dass die Vereins- und Geschäftsführung etwas zu verbergen hat. Die Transparenz, ein vom Vorstand ausgegebenes Schlüsselwort, wird in diesem Fall nicht eingehalten. Pikant ist zudem, dass die Abberufung Siegers zu einem Zeitpunkt geschieht, an dem bislang noch kein Vorstand vom Mitgliederrat vorgeschlagen wurde. Man könnte darauf spekulieren, dass es sich bei der Abberufung Siegers um eine Machtdemonstration handelt. Beim effzeh der Jahre 2012 (zweite Jahreshälfte)-2015 wäre dies als höchst unrealistisch abgetan worden. Ganz so abwegig scheint der Gedanke heutzutage nicht mehr. Der Zeitpunkt deutet aber ganz sicher darauf hin, dass der amtierende Vorstand erneut vorgeschlagen wird. Für eine verbleibende Zeit von sechs Monaten hätte man Sieger nicht abberufen müssen und eine Wiederwahl des Trios gilt als Formsache.

Vom demokratietheoretischen Standpunkt betrachtet erscheint es zudem äußert kritisch, wenn unter anderem die Geschäftsführung gemeinsam mit dem Vorstand ihr Kontrollgremium personell beschneidet. Dass nun mit Lionel Souque Siegers Nachfolger vom Vorstand des Hauptsponsors Rewe kommt, muss zwar nicht, aber kann zu Interessenskonflikten für diesen kommen. Eine Gefahr, die bei Rechtsanwalt Sieger nicht gegeben war. Zumal es erheblich größere Schwierigkeiten geben dürfte, wenn sich die Hauptversammlung dazu entschließen sollte, Souque ebenfalls irgendwann kurzfristig abzuberufen.

Es ist unklar, weshalb einige Personen im Verein diese Hochrisikospiele bestreiten und interne Machtkämpfe führen. Die Gremienstruktur ist zwar nicht monokausal für den sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg des effzeh zu sehen, der größte Anteil liegt unbestritten bei den handelnden Personen. Das sind im Wesentlichen Werner Spinner, Alexander Wehrle, Jörg Schmadtke und Peter Stöger. Trotzdem gewährleistet die Gremienstruktur eine qualifizierte Mitbestimmung im Verein (siehe insbesondere § 25), ohne, dass größere Vorhaben nachhaltig blockiert werden können. Abgesehen davon hat bislang kein Gremium einen großen Plan der Vereins- und Geschäftsführung gestoppt, obwohl dies bei harter juristischer Auslegung vermutlich im Falle der Verlängerung von Peter Stöger möglich gewesen wäre. Große Differenzen bestehen also vermutlich eher in der Art und Weise der Entscheidungsfindung und Beteiligung, als in der Sache. Diese sollten alle Beteiligten schnellstmöglich beiseitelegen, damit der Rauswurf Jürgen Siegers in naher Zukunft der einzige seiner Art bleibt.

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