Knapp einen Monat nach dem in allen Belangen traumhaften, fast schon mythisch verklärten Heimsieg gegen den BVB stand für den effzeh zum Auftakt in die Rückrunde das Heimspiel gegen den Verein für Bewegungsspiele Stuttgart auf dem Programm. Im Vorfeld der Partie war die Berichterstattung eigentlich durchweg positiv: eine in heimischen Gefilden absolvierte Vorbereitung verlief problemlos, kein Akteur verletzte sich und mit Filip Mladenovic konnte ein qualitativ hochwertiger Spieler hinzugewonnen werden. Dass Chefdirigent Peter Stöger seinen Vertrag unter der Woche bis 2020 verlängerte, sorgte naturgemäß für Freudenstürme im rot-weißen Lager – die obligatorischen Rufe nach Europa wurden in diesem Zusammenhang nicht nur in unserer Rudelbildung laut. Dass aber auch dem effzeh nicht alles zufliegt (schade eigentlich), zeigte sich gleich im ersten richtigen Härtetest sportlicher Natur, denn mit dem VfB Stuttgart lief eine Mannschaft in Müngersdorf auf, die mit der aus der Hinrunde nicht mehr allzu viel gemein hatte. Der zwangsläufigen Entlassung Alexander Zornigers, der lieber mit fliegenden Fahnen untergehen als den Rückzug ansetzen wollte, folgte die Inthronisierung Jürgen Kramnys, der es bis dato geschafft hat, aus einer vorher vogelwilden eine vergleichsweise stabile, wieder konkurrenzfähige Mannschaft zu machen. Für Angstzustände vor Anpfiff sorgten ebenfalls die zugegebenermaßen ausbaufähige Serie des effzeh zuhause gegen die Schwaben und die Tatsache, dass das viel diskutierte Karnevalstrikot zu seinem Einsatz kam. Jürgen Kramnys Aura als Körperdouble von Robert de Niro könnte auch eine Rolle gespielt haben.
Just realized #Stuttgart 's head coach Jürgen Kramny kind of looks like Robert De Niro pic.twitter.com/gG3m8zi2ab
— Charlie Flowe (@DjFlowe) December 30, 2015
Kommen wir zum Sportlichen: die ganz große Überraschung personeller Natur blieb auf effzeh-Seite aus, Vogt und Osako erhielten den Vorzug vor Gerhardt und Zoller, ansonsten lief der effzeh so auf wie erwartet. Auf Seiten des VfB gab der bekennende effzeh-Fan und Teilzeit-Fußballer Kevin Großkreutz sein Bundesliga-Comeback hinten rechts und traf mit Bittencourt auf seinen alten Kollegen aus Dortmunder Tagen. Zu Anfang entwickelte sich ein ausgeglichenes Spiel zweier Mannschaften mit einem ähnlichen Fokus; neutrale Beobachter hätten das Spiel für ein typisches Bundesligaspiel zweier durchschnittlicher Mannschaften halten können. Kompaktheit, Fokus auf Ballgewinne in gegnerischer Hälfte und dann ab die Lutzi, dies stand (vielleicht) auf den Flip-Charts in beiden Kabinen vor Anpfiff. Stuttgarts Kapitän Gentner hatte mit einem unfassbaren Strahl aus schwierigem Winkel die erste Chance der Partie, bevor der effzeh langsam aber sich die Spielkontrolle übernahm und insbesondere über den im ersten Durchgang sehr inspirierten und umtriebigen Yuya Osako einige gelungene Angriffe inszenierte. Olkowski hätte bei einem seiner Durchbrüche auf die Grundlinie wohl eher den Pass in den Rücken der Abwehr gewählt, wo Kevin Vogt unbedrängt hätte schießen können. So schablonenartig das Spiel bis daher verlief, so schablonenartig war auch die Entstehung des Führungstors des effzeh: Serey Dié verlor im Aufbau zwischen eigenem Sechzehner und Mittelkreis den Ball, Marcel Risse konnte durchbrechen und von Niedermeier nur noch durch ein Foul gestoppt werden – Modeste traf per Elfmeter zum 1:0. Mit der Führung im Rücken schien der effzeh jetzt vollends die Kontrolle über das Spiel zu haben und mehrere aussichtsreiche Angriffe wurden nicht sauber zu Ende gespielt, was sich wie so oft rächen sollte. Dieses Mal war es ein Fehler im Aufbauspiel des effzeh, der dem VfB den Ausgleich ermöglichte: Olkowskis schlechter Pass ermöglichte Kostic, Tempo aufzunehmen (Alter, ist der schnell – und gut) und Timo Werner in der Mitte zu bedienen, Didavi staubte ab, 1:1. So ging es auch in die Pause. In einem ordentlichen, aber keineswegs überragenden Spiel hatte der effzeh die hart erarbeitete Führung mit einem simplen Fehler aus der Hand gegeben. Bitter.
Im Verlauf des zweiten Durchgangs sollte sich zeigen, dass der Ausgleich schon der Knackpunkt der Partie gewesen war: der VfB kam bissiger und zweikampfstärker aus der Kabine und profitierte beim Führungstreffer davon, dass die Zonenverteidigung des effzeh wie schon zuletzt gegen den BVB nicht griff und Timo „Hightower“ Werner einen recht einfachen Kopfballtreffer ermöglichte. Nach diesem Rückstand brauchte es wieder einen Kraftakt, um im ersten Heimspiel des Jahres doch noch Punkte mitzunehmen. Zoller kam für Olkowski, anschließend noch Debütant Mladenovic und Jojic für Bittencourt und Vogt. Doch es sollte nicht reichen. Timo Horn konnte mit einer starken Parade verhindern, dass Gentner sich für ein Traumtor hätte feiern dürfen. Der ehemalige Rondorfer war aber dann in der ansehnlichsten Aktion des Spiels, dem Stuttgarter 3:1, machtlos: einem Ballverlust des effzeh folgte eine schnelle Umschaltbewegung der Stuttgarter, bei der Lukas Rupp nach einem starken Dribbling noch die Übersicht hatte, um auf Gentner querzulegen, der dann doch noch sein Tor machen durfte (83.). Bereits vorher verpufften die Angriffsversuche des effzeh spätestens 20m vor dem gegnerischen Tor, einzig in der Nachspielzeit kamen Modeste, Maroh und Osako noch zu Abschlüssen, die aber allesamt von Tyton entschärft wurden.
Insgesamt sicherte sich der VfB verdiente drei Punkte in einem Spiel, in dem der effzeh natürlich nicht komplett chancenlos, aber eben einfach in den entscheidenden Aspekten unterlegen war. Die Stuttgarter zeigten sich effizienter und leidenschaftlicher, weswegen das Ergebnis absolut in Ordnung geht. Auch der effzeh kann nur punkten, wenn alle Rädchen ineinander greifen und man möglichst nah dran am Limit spielt. Wenn das nicht der Fall ist, wird es schwer, auch gegen den VfB. Gott sei Dank müssen wir jetzt nicht wieder einen Monat auf das nächste Spiel warten, bereits nächste Woche geht es gegen den VfL Wolfsburg weiter. Dass uns da ein komplett anderes Spiel und ein Gegner mit anderem Fokus erwarten, kann helfen. Muss aber nicht.